Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite

land unermeßlich viel geleistet worden. Gegen das
altpreußische System erhoben unter uns zuerst Bü¬
low und Bärenhorst die Stimme, doch wurden sie
so lange verkannt, bis die Erfahrung selber einstimmte.
Unter allen größern Armeen der deutschen Bundes¬
staaten haben sich seitdem geistvolle Offiziere gefun¬
den, welche die Kriegswissenschaft nach allen ihren
Richtungen theoretisch und praktisch gelehrt und da¬
bei die Muster der Fremden, namentlich der Fran¬
zosen, zu Rathe gezogen haben. Napoleon hat die¬
ser Wissenschaft in jeder Hinsicht den Schwung ge¬
geben. Seine Thaten, wie seine Fehler sind das
offene Lehrbuch der Kriegskunde geworden und man
orientirt sich darin über alle ihre Zweige von der
Garnison bis zum Schlachtfeld und vom Gemeinen
bis zum Feldherrn. Über die Uniformirung, die Waf¬
fen und das Exerzitium ist nicht weniger geschrieben
worden, als über die höhere Taktik und Strategik.
Man streitet darüber. Man findet den gemeinen
Soldaten noch immer nicht gänzlich von der über¬
flüssigen und schädlichen Quängelei des Kamaschen¬
dienstes befreit. Man schlägt Verbesserungen in der
Bewaffnung vor und sucht dem Princip der Land¬
wehr und der allgemeinen Volksbewaffnung ein Über¬
gewicht zu geben. Dieses Princip spielt überhaupt
eine bedeutende Rolle auch in der höhern Kriegs¬
kunde. Noch hat es sich mit dem Princip der ste¬
henden Heere nicht völlig ausgeglichen. Praktisch ist
ein Mittelzustand eingetreten, der aus dem Verfolg

land unermeßlich viel geleiſtet worden. Gegen das
altpreußiſche Syſtem erhoben unter uns zuerſt Buͤ¬
low und Baͤrenhorſt die Stimme, doch wurden ſie
ſo lange verkannt, bis die Erfahrung ſelber einſtimmte.
Unter allen groͤßern Armeen der deutſchen Bundes¬
ſtaaten haben ſich ſeitdem geiſtvolle Offiziere gefun¬
den, welche die Kriegswiſſenſchaft nach allen ihren
Richtungen theoretiſch und praktiſch gelehrt und da¬
bei die Muſter der Fremden, namentlich der Fran¬
zoſen, zu Rathe gezogen haben. Napoleon hat die¬
ſer Wiſſenſchaft in jeder Hinſicht den Schwung ge¬
geben. Seine Thaten, wie ſeine Fehler ſind das
offene Lehrbuch der Kriegskunde geworden und man
orientirt ſich darin uͤber alle ihre Zweige von der
Garniſon bis zum Schlachtfeld und vom Gemeinen
bis zum Feldherrn. Über die Uniformirung, die Waf¬
fen und das Exerzitium iſt nicht weniger geſchrieben
worden, als uͤber die hoͤhere Taktik und Strategik.
Man ſtreitet daruͤber. Man findet den gemeinen
Soldaten noch immer nicht gaͤnzlich von der uͤber¬
fluͤſſigen und ſchaͤdlichen Quaͤngelei des Kamaſchen¬
dienſtes befreit. Man ſchlaͤgt Verbeſſerungen in der
Bewaffnung vor und ſucht dem Princip der Land¬
wehr und der allgemeinen Volksbewaffnung ein Über¬
gewicht zu geben. Dieſes Princip ſpielt uͤberhaupt
eine bedeutende Rolle auch in der hoͤhern Kriegs¬
kunde. Noch hat es ſich mit dem Princip der ſte¬
henden Heere nicht voͤllig ausgeglichen. Praktiſch iſt
ein Mittelzuſtand eingetreten, der aus dem Verfolg

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0044" n="34"/>
land unermeßlich viel gelei&#x017F;tet worden. Gegen das<lb/>
altpreußi&#x017F;che Sy&#x017F;tem erhoben unter uns zuer&#x017F;t Bu&#x0364;¬<lb/>
low und Ba&#x0364;renhor&#x017F;t die Stimme, doch wurden &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;o lange verkannt, bis die Erfahrung &#x017F;elber ein&#x017F;timmte.<lb/>
Unter allen gro&#x0364;ßern Armeen der deut&#x017F;chen Bundes¬<lb/>
&#x017F;taaten haben &#x017F;ich &#x017F;eitdem gei&#x017F;tvolle Offiziere gefun¬<lb/>
den, welche die Kriegswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft nach allen ihren<lb/>
Richtungen theoreti&#x017F;ch und prakti&#x017F;ch gelehrt und da¬<lb/>
bei die Mu&#x017F;ter der Fremden, namentlich der Fran¬<lb/>
zo&#x017F;en, zu Rathe gezogen haben. Napoleon hat die¬<lb/>
&#x017F;er Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft in jeder Hin&#x017F;icht den Schwung ge¬<lb/>
geben. Seine Thaten, wie &#x017F;eine Fehler &#x017F;ind das<lb/>
offene Lehrbuch der Kriegskunde geworden und man<lb/>
orientirt &#x017F;ich darin u&#x0364;ber alle ihre Zweige von der<lb/>
Garni&#x017F;on bis zum Schlachtfeld und vom Gemeinen<lb/>
bis zum Feldherrn. Über die Uniformirung, die Waf¬<lb/>
fen und das Exerzitium i&#x017F;t nicht weniger ge&#x017F;chrieben<lb/>
worden, als u&#x0364;ber die ho&#x0364;here Taktik und Strategik.<lb/>
Man &#x017F;treitet daru&#x0364;ber. Man findet den gemeinen<lb/>
Soldaten noch immer nicht ga&#x0364;nzlich von der u&#x0364;ber¬<lb/>
flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen und &#x017F;cha&#x0364;dlichen Qua&#x0364;ngelei des Kama&#x017F;chen¬<lb/>
dien&#x017F;tes befreit. Man &#x017F;chla&#x0364;gt Verbe&#x017F;&#x017F;erungen in der<lb/>
Bewaffnung vor und &#x017F;ucht dem Princip der Land¬<lb/>
wehr und der allgemeinen Volksbewaffnung ein Über¬<lb/>
gewicht zu geben. Die&#x017F;es Princip &#x017F;pielt u&#x0364;berhaupt<lb/>
eine bedeutende Rolle auch in der ho&#x0364;hern Kriegs¬<lb/>
kunde. Noch hat es &#x017F;ich mit dem Princip der &#x017F;te¬<lb/>
henden Heere nicht vo&#x0364;llig ausgeglichen. Prakti&#x017F;ch i&#x017F;t<lb/>
ein Mittelzu&#x017F;tand eingetreten, der aus dem Verfolg<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0044] land unermeßlich viel geleiſtet worden. Gegen das altpreußiſche Syſtem erhoben unter uns zuerſt Buͤ¬ low und Baͤrenhorſt die Stimme, doch wurden ſie ſo lange verkannt, bis die Erfahrung ſelber einſtimmte. Unter allen groͤßern Armeen der deutſchen Bundes¬ ſtaaten haben ſich ſeitdem geiſtvolle Offiziere gefun¬ den, welche die Kriegswiſſenſchaft nach allen ihren Richtungen theoretiſch und praktiſch gelehrt und da¬ bei die Muſter der Fremden, namentlich der Fran¬ zoſen, zu Rathe gezogen haben. Napoleon hat die¬ ſer Wiſſenſchaft in jeder Hinſicht den Schwung ge¬ geben. Seine Thaten, wie ſeine Fehler ſind das offene Lehrbuch der Kriegskunde geworden und man orientirt ſich darin uͤber alle ihre Zweige von der Garniſon bis zum Schlachtfeld und vom Gemeinen bis zum Feldherrn. Über die Uniformirung, die Waf¬ fen und das Exerzitium iſt nicht weniger geſchrieben worden, als uͤber die hoͤhere Taktik und Strategik. Man ſtreitet daruͤber. Man findet den gemeinen Soldaten noch immer nicht gaͤnzlich von der uͤber¬ fluͤſſigen und ſchaͤdlichen Quaͤngelei des Kamaſchen¬ dienſtes befreit. Man ſchlaͤgt Verbeſſerungen in der Bewaffnung vor und ſucht dem Princip der Land¬ wehr und der allgemeinen Volksbewaffnung ein Über¬ gewicht zu geben. Dieſes Princip ſpielt uͤberhaupt eine bedeutende Rolle auch in der hoͤhern Kriegs¬ kunde. Noch hat es ſich mit dem Princip der ſte¬ henden Heere nicht voͤllig ausgeglichen. Praktiſch iſt ein Mittelzuſtand eingetreten, der aus dem Verfolg

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/44
Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/44>, abgerufen am 24.11.2024.