Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.als um das Herz daran zn entzünden. Man wollte In der That sind die moralisirenden Romane Die besten unter den psychologischen Romanen als um das Herz daran zn entzuͤnden. Man wollte In der That ſind die moraliſirenden Romane Die beſten unter den pſychologiſchen Romanen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0292" n="282"/> als um das Herz daran zn entzuͤnden. Man wollte<lb/> mehr belehren als ruͤhren, und verband moraliſche<lb/> Zwecke damit. So die Pamela, die Clariſſa, der<lb/> Grandiſon und ihre deutſchen Nachahmungen von<lb/><hi rendition="#g">Gellert</hi>, <hi rendition="#g">Hermes</hi>, <hi rendition="#g">Salzmann</hi>, <hi rendition="#g">Stilling</hi>. Die<lb/> Moral verleidete jedoch bald, und wurde durch den<lb/> Humor verdraͤngt.</p><lb/> <p>In der That ſind die moraliſirenden Romane<lb/> unter den Deutſchen wie unter den Englaͤndern nicht<lb/> die beſten geweſen. Die Schuld trifft wohl aber<lb/> nicht die Moral, ſondern nur die Dichter, denn wenn<lb/> auch ein moraliſcher Gegenſtand an und fuͤr ſich noch<lb/> kein poetiſcher iſt, ſo iſt es doch ſchaͤtzbar, wenn der<lb/> poetiſche zugleich moraliſch iſt. Was moraliſch gut<lb/> iſt, kann poetiſch ſchlecht ſeyn, aber wenn die Poeſie<lb/> unter allen moͤglichen Gegenſtaͤnden frei zu waͤhlen<lb/> hat, ſo wird ſie keine beſſere finden, als die guten,<lb/> naͤmlich die moraliſchen.</p><lb/> <p>Die beſten unter den pſychologiſchen Romanen<lb/> ſind die rein objectiven geweſen, die uns ohne lyri¬<lb/> ſchen Schwung, ohne Einmiſchung des Gefuͤhls, ohne<lb/> moraliſche Abſichten und ohne Spott in ruhiger Hal¬<lb/> tung die menſchliche Seele wie in einem klaren, waſ¬<lb/> ſerhellen Spiegel gezeigt haben. Hierin iſt <hi rendition="#g">Ulrich<lb/> Hegner</hi> ſehr zu ſchaͤtzen. Kein Dichter in der Welt<lb/> hat darin aber unſern Goͤthe uͤbertroffen, deſſen Wil¬<lb/> helm Meiſter das Hoͤchſte iſt, was in dieſer Gattung<lb/> bisher geleiſtet wurde. Hier iſt Homeriſche Klarheit.<lb/> Doch iſt der Gegenſtand eines ſolchen Spiegels nicht<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [282/0292]
als um das Herz daran zn entzuͤnden. Man wollte
mehr belehren als ruͤhren, und verband moraliſche
Zwecke damit. So die Pamela, die Clariſſa, der
Grandiſon und ihre deutſchen Nachahmungen von
Gellert, Hermes, Salzmann, Stilling. Die
Moral verleidete jedoch bald, und wurde durch den
Humor verdraͤngt.
In der That ſind die moraliſirenden Romane
unter den Deutſchen wie unter den Englaͤndern nicht
die beſten geweſen. Die Schuld trifft wohl aber
nicht die Moral, ſondern nur die Dichter, denn wenn
auch ein moraliſcher Gegenſtand an und fuͤr ſich noch
kein poetiſcher iſt, ſo iſt es doch ſchaͤtzbar, wenn der
poetiſche zugleich moraliſch iſt. Was moraliſch gut
iſt, kann poetiſch ſchlecht ſeyn, aber wenn die Poeſie
unter allen moͤglichen Gegenſtaͤnden frei zu waͤhlen
hat, ſo wird ſie keine beſſere finden, als die guten,
naͤmlich die moraliſchen.
Die beſten unter den pſychologiſchen Romanen
ſind die rein objectiven geweſen, die uns ohne lyri¬
ſchen Schwung, ohne Einmiſchung des Gefuͤhls, ohne
moraliſche Abſichten und ohne Spott in ruhiger Hal¬
tung die menſchliche Seele wie in einem klaren, waſ¬
ſerhellen Spiegel gezeigt haben. Hierin iſt Ulrich
Hegner ſehr zu ſchaͤtzen. Kein Dichter in der Welt
hat darin aber unſern Goͤthe uͤbertroffen, deſſen Wil¬
helm Meiſter das Hoͤchſte iſt, was in dieſer Gattung
bisher geleiſtet wurde. Hier iſt Homeriſche Klarheit.
Doch iſt der Gegenſtand eines ſolchen Spiegels nicht
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