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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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nißkrämerei, der Mysticismus, die Gräkomanie,
Anglomanie, Gallomanie, die italienischen Reisen,
der erste republikanische Rausch von Nordamerika her,
das Familienwesen, die Sinnlichkeit halbnackt in der
Gallomanie und aller Schaam entblöst in der Grä¬
komanie, alle diese Richtungen erzeugten sich im tie¬
fen und langen Frieden seit dem siebenjährigen Kriege
nur wie Spiele, um die Langeweile zu tödten, reg¬
ten nirgends die innerste Tiefe des Nationalgeistes
auf, konnten darum weder haften noch dauern und
verdrängten sich untereinander wie sie gekommen wa¬
ren. Das war grade die rechte Zeit für Göthe, und
sein Talent bemeisterte sich leicht aller dieser Rich¬
tungen und er war der große Spielmeister dieser
tändelnden Zeit. Als aber der Ernst zurückkehrte
zunächst in jener großen philosophischen Richtung der
Deutschen, dann mit Blut und Flammen im politi¬
schen Leben und zuletzt mit der Religion, deren Trost
die Noth der Zeit nicht länger entbehren mochte, da
war Göthe glücklich genug, seine Ernten schon ge¬
sammelt zu haben, denn seine späten Saaten fanden
kein Gedeihen mehr. Er versuchte zwar sein Talent
auch an dem Ernst der neuern Zeit, aber es bestand
die Probe nicht. Wie sehr er bemüht war, auch der
philosophischen Richtung sich zu bemeistern, indem er
sie von der Seite der Natur angriff, die ihm die
natürlichste war, so hat er sich doch immer mit der
dritten und vierten Rolle abfinden lassen müssen. Noch
weniger haben seine ästhetischen Urtheile durchdringen

nißkraͤmerei, der Myſticismus, die Graͤkomanie,
Anglomanie, Gallomanie, die italieniſchen Reiſen,
der erſte republikaniſche Rauſch von Nordamerika her,
das Familienweſen, die Sinnlichkeit halbnackt in der
Gallomanie und aller Schaam entbloͤst in der Graͤ¬
komanie, alle dieſe Richtungen erzeugten ſich im tie¬
fen und langen Frieden ſeit dem ſiebenjaͤhrigen Kriege
nur wie Spiele, um die Langeweile zu toͤdten, reg¬
ten nirgends die innerſte Tiefe des Nationalgeiſtes
auf, konnten darum weder haften noch dauern und
verdraͤngten ſich untereinander wie ſie gekommen wa¬
ren. Das war grade die rechte Zeit fuͤr Goͤthe, und
ſein Talent bemeiſterte ſich leicht aller dieſer Rich¬
tungen und er war der große Spielmeiſter dieſer
taͤndelnden Zeit. Als aber der Ernſt zuruͤckkehrte
zunaͤchſt in jener großen philoſophiſchen Richtung der
Deutſchen, dann mit Blut und Flammen im politi¬
ſchen Leben und zuletzt mit der Religion, deren Troſt
die Noth der Zeit nicht laͤnger entbehren mochte, da
war Goͤthe gluͤcklich genug, ſeine Ernten ſchon ge¬
ſammelt zu haben, denn ſeine ſpaͤten Saaten fanden
kein Gedeihen mehr. Er verſuchte zwar ſein Talent
auch an dem Ernſt der neuern Zeit, aber es beſtand
die Probe nicht. Wie ſehr er bemuͤht war, auch der
philoſophiſchen Richtung ſich zu bemeiſtern, indem er
ſie von der Seite der Natur angriff, die ihm die
natuͤrlichſte war, ſo hat er ſich doch immer mit der
dritten und vierten Rolle abfinden laſſen muͤſſen. Noch
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[228/0238] nißkraͤmerei, der Myſticismus, die Graͤkomanie, Anglomanie, Gallomanie, die italieniſchen Reiſen, der erſte republikaniſche Rauſch von Nordamerika her, das Familienweſen, die Sinnlichkeit halbnackt in der Gallomanie und aller Schaam entbloͤst in der Graͤ¬ komanie, alle dieſe Richtungen erzeugten ſich im tie¬ fen und langen Frieden ſeit dem ſiebenjaͤhrigen Kriege nur wie Spiele, um die Langeweile zu toͤdten, reg¬ ten nirgends die innerſte Tiefe des Nationalgeiſtes auf, konnten darum weder haften noch dauern und verdraͤngten ſich untereinander wie ſie gekommen wa¬ ren. Das war grade die rechte Zeit fuͤr Goͤthe, und ſein Talent bemeiſterte ſich leicht aller dieſer Rich¬ tungen und er war der große Spielmeiſter dieſer taͤndelnden Zeit. Als aber der Ernſt zuruͤckkehrte zunaͤchſt in jener großen philoſophiſchen Richtung der Deutſchen, dann mit Blut und Flammen im politi¬ ſchen Leben und zuletzt mit der Religion, deren Troſt die Noth der Zeit nicht laͤnger entbehren mochte, da war Goͤthe gluͤcklich genug, ſeine Ernten ſchon ge¬ ſammelt zu haben, denn ſeine ſpaͤten Saaten fanden kein Gedeihen mehr. Er verſuchte zwar ſein Talent auch an dem Ernſt der neuern Zeit, aber es beſtand die Probe nicht. Wie ſehr er bemuͤht war, auch der philoſophiſchen Richtung ſich zu bemeiſtern, indem er ſie von der Seite der Natur angriff, die ihm die natuͤrlichſte war, ſo hat er ſich doch immer mit der dritten und vierten Rolle abfinden laſſen muͤſſen. Noch weniger haben ſeine aͤſthetiſchen Urtheile durchdringen

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/238>, abgerufen am 23.11.2024.