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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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stämme geknüpft, in denen die Naturkraft unmittelbar
gewirkt, was die höchste Kultur nicht wieder ersetzt
hat. Und gesetzt, es gäbe eine gleichgebildete, allge¬
meine Menschheit, in der alle Unterschiede der Völ¬
ker aufgehoben wären, einen Freimaurerbund über
die ganze Welt verbreitet, wie uniform, farblos und
öde müßte derselbe gegen den vollen bunten Völker¬
garten der Vergangenheit erscheinen, und sollten die
Philosophen wirklich alle Völkerströme zuletzt in den
Ocean einer einigen und gleichen Brüdergemeinde
der allgemeinen Menschheit leiten können, die Dich¬
ter würden an den Strömen aufwärts gehn und in
jene Gebirge zurückkehren, die am Horizonte der Ge¬
schichte stehn.

Als das letzte Element betrachten wir das Schick¬
sal, die Thaten, die Geschichte der Völker. Wenn
Schiller sagt: "in deiner Brust sind deines Schick¬
sals Sterne!" so gilt dies auch von ganzen Völkern.
Die Natur bestimmt sich selbst, die Seele baut sich
ihren Leib, die Seele des Volks verkörpert sich in
eigenthümlichen Organen, die wir als Sitten, Stände,
Staaten erkennen. In diesen Organen ist es thätig
oder leidet, und seine innerste Eigenthümlichkeit ist zu¬
gleich sein äußeres Verhängniß. Diese Ansicht, die sogar
der Geschichtforschung nicht mehr fremd ist, empfiehlt
sich noch weil mehr dem Dichter, denn sie ist durch¬
aus poetisch, ja der einzige poetische Schlüssel zur
Geschichte. Der Dichter kann aber seinen Stand¬
punkt auf verschiedene Weise nehmen, er kann sich

ſtaͤmme geknuͤpft, in denen die Naturkraft unmittelbar
gewirkt, was die hoͤchſte Kultur nicht wieder erſetzt
hat. Und geſetzt, es gaͤbe eine gleichgebildete, allge¬
meine Menſchheit, in der alle Unterſchiede der Voͤl¬
ker aufgehoben waͤren, einen Freimaurerbund uͤber
die ganze Welt verbreitet, wie uniform, farblos und
oͤde muͤßte derſelbe gegen den vollen bunten Voͤlker¬
garten der Vergangenheit erſcheinen, und ſollten die
Philoſophen wirklich alle Voͤlkerſtroͤme zuletzt in den
Ocean einer einigen und gleichen Bruͤdergemeinde
der allgemeinen Menſchheit leiten koͤnnen, die Dich¬
ter wuͤrden an den Stroͤmen aufwaͤrts gehn und in
jene Gebirge zuruͤckkehren, die am Horizonte der Ge¬
ſchichte ſtehn.

Als das letzte Element betrachten wir das Schick¬
ſal, die Thaten, die Geſchichte der Voͤlker. Wenn
Schiller ſagt: «in deiner Bruſt ſind deines Schick¬
ſals Sterne!» ſo gilt dies auch von ganzen Voͤlkern.
Die Natur beſtimmt ſich ſelbſt, die Seele baut ſich
ihren Leib, die Seele des Volks verkoͤrpert ſich in
eigenthuͤmlichen Organen, die wir als Sitten, Staͤnde,
Staaten erkennen. In dieſen Organen iſt es thaͤtig
oder leidet, und ſeine innerſte Eigenthuͤmlichkeit iſt zu¬
gleich ſein aͤußeres Verhaͤngniß. Dieſe Anſicht, die ſogar
der Geſchichtforſchung nicht mehr fremd iſt, empfiehlt
ſich noch weil mehr dem Dichter, denn ſie iſt durch¬
aus poetiſch, ja der einzige poetiſche Schluͤſſel zur
Geſchichte. Der Dichter kann aber ſeinen Stand¬
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[178/0188] ſtaͤmme geknuͤpft, in denen die Naturkraft unmittelbar gewirkt, was die hoͤchſte Kultur nicht wieder erſetzt hat. Und geſetzt, es gaͤbe eine gleichgebildete, allge¬ meine Menſchheit, in der alle Unterſchiede der Voͤl¬ ker aufgehoben waͤren, einen Freimaurerbund uͤber die ganze Welt verbreitet, wie uniform, farblos und oͤde muͤßte derſelbe gegen den vollen bunten Voͤlker¬ garten der Vergangenheit erſcheinen, und ſollten die Philoſophen wirklich alle Voͤlkerſtroͤme zuletzt in den Ocean einer einigen und gleichen Bruͤdergemeinde der allgemeinen Menſchheit leiten koͤnnen, die Dich¬ ter wuͤrden an den Stroͤmen aufwaͤrts gehn und in jene Gebirge zuruͤckkehren, die am Horizonte der Ge¬ ſchichte ſtehn. Als das letzte Element betrachten wir das Schick¬ ſal, die Thaten, die Geſchichte der Voͤlker. Wenn Schiller ſagt: «in deiner Bruſt ſind deines Schick¬ ſals Sterne!» ſo gilt dies auch von ganzen Voͤlkern. Die Natur beſtimmt ſich ſelbſt, die Seele baut ſich ihren Leib, die Seele des Volks verkoͤrpert ſich in eigenthuͤmlichen Organen, die wir als Sitten, Staͤnde, Staaten erkennen. In dieſen Organen iſt es thaͤtig oder leidet, und ſeine innerſte Eigenthuͤmlichkeit iſt zu¬ gleich ſein aͤußeres Verhaͤngniß. Dieſe Anſicht, die ſogar der Geſchichtforſchung nicht mehr fremd iſt, empfiehlt ſich noch weil mehr dem Dichter, denn ſie iſt durch¬ aus poetiſch, ja der einzige poetiſche Schluͤſſel zur Geſchichte. Der Dichter kann aber ſeinen Stand¬ punkt auf verſchiedene Weiſe nehmen, er kann ſich

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/188>, abgerufen am 24.11.2024.