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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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er dem Genius der Menschheit den heiligen Kranz,
und verdient, daß wir in ihm den würdigsten Prie¬
ster desselben verehren. Fern von jeder Eitelkeit, der
deutschen Nation eine besondere Ehre zuzuwenden,
gewährte er ihr unbewußt die größte, daß ihr Geist
in seinem Geiste einer solchen unparteiischen Huma¬
nität fähig geworden. Wenn er in seinen Ideen und
in andern Schriften zerstreut den Geist der Natio¬
nen, wie er in ihrer Geschichte und in ihren Insti¬
tutionen erschienen ist, immer in Bezug auf die
Entwicklung zum Edlen und Schönen, zur Humani¬
tät dargestellt hat, so schien es seinem richtigen Takt
doch eine besondere Würdigung zu verdienen, diesen
Geist in der Poesie der Völker zu beschwören. Da¬
her sammelte er die Stimmen der Völker, eines
seiner trefflichsten Werke, darin er die schönsten und
eigenthümlichsten Volksgesänge aus allen Weltgegen¬
den her in ein großes Liederbuch der Menschheit ver¬
einigte. Der große Sinn dieser Zusammenstellung
und wieder die reiche Mannigfaltigkeit und wunder¬
bare Schönheit des Einzelnen verfehlten ihre Wir¬
kung nicht. Seitdem ward der Poesie selbst an und
für sich und in ihrer Beziehung auf das Völkerleben
eine höhere Bedeutung zuerkannt oder an ihr erkannt,
aus ihr entwickelt. Seitdem ist ein lebendiger Ver¬
kehr der lebenden Geister mit den Hingeschiedenen
durch die ganze Erde angesponnen worden. Zu allen
Nationen, in alle Zeiten ist man hinabgestiegen, und
hat die verborgenen Schätze gehoben, die Herder mit

er dem Genius der Menſchheit den heiligen Kranz,
und verdient, daß wir in ihm den wuͤrdigſten Prie¬
ſter deſſelben verehren. Fern von jeder Eitelkeit, der
deutſchen Nation eine beſondere Ehre zuzuwenden,
gewaͤhrte er ihr unbewußt die groͤßte, daß ihr Geiſt
in ſeinem Geiſte einer ſolchen unparteiiſchen Huma¬
nitaͤt faͤhig geworden. Wenn er in ſeinen Ideen und
in andern Schriften zerſtreut den Geiſt der Natio¬
nen, wie er in ihrer Geſchichte und in ihren Inſti¬
tutionen erſchienen iſt, immer in Bezug auf die
Entwicklung zum Edlen und Schoͤnen, zur Humani¬
taͤt dargeſtellt hat, ſo ſchien es ſeinem richtigen Takt
doch eine beſondere Wuͤrdigung zu verdienen, dieſen
Geiſt in der Poeſie der Voͤlker zu beſchwoͤren. Da¬
her ſammelte er die Stimmen der Voͤlker, eines
ſeiner trefflichſten Werke, darin er die ſchoͤnſten und
eigenthuͤmlichſten Volksgeſaͤnge aus allen Weltgegen¬
den her in ein großes Liederbuch der Menſchheit ver¬
einigte. Der große Sinn dieſer Zuſammenſtellung
und wieder die reiche Mannigfaltigkeit und wunder¬
bare Schoͤnheit des Einzelnen verfehlten ihre Wir¬
kung nicht. Seitdem ward der Poeſie ſelbſt an und
fuͤr ſich und in ihrer Beziehung auf das Voͤlkerleben
eine hoͤhere Bedeutung zuerkannt oder an ihr erkannt,
aus ihr entwickelt. Seitdem iſt ein lebendiger Ver¬
kehr der lebenden Geiſter mit den Hingeſchiedenen
durch die ganze Erde angeſponnen worden. Zu allen
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[162/0172] er dem Genius der Menſchheit den heiligen Kranz, und verdient, daß wir in ihm den wuͤrdigſten Prie¬ ſter deſſelben verehren. Fern von jeder Eitelkeit, der deutſchen Nation eine beſondere Ehre zuzuwenden, gewaͤhrte er ihr unbewußt die groͤßte, daß ihr Geiſt in ſeinem Geiſte einer ſolchen unparteiiſchen Huma¬ nitaͤt faͤhig geworden. Wenn er in ſeinen Ideen und in andern Schriften zerſtreut den Geiſt der Natio¬ nen, wie er in ihrer Geſchichte und in ihren Inſti¬ tutionen erſchienen iſt, immer in Bezug auf die Entwicklung zum Edlen und Schoͤnen, zur Humani¬ taͤt dargeſtellt hat, ſo ſchien es ſeinem richtigen Takt doch eine beſondere Wuͤrdigung zu verdienen, dieſen Geiſt in der Poeſie der Voͤlker zu beſchwoͤren. Da¬ her ſammelte er die Stimmen der Voͤlker, eines ſeiner trefflichſten Werke, darin er die ſchoͤnſten und eigenthuͤmlichſten Volksgeſaͤnge aus allen Weltgegen¬ den her in ein großes Liederbuch der Menſchheit ver¬ einigte. Der große Sinn dieſer Zuſammenſtellung und wieder die reiche Mannigfaltigkeit und wunder¬ bare Schoͤnheit des Einzelnen verfehlten ihre Wir¬ kung nicht. Seitdem ward der Poeſie ſelbſt an und fuͤr ſich und in ihrer Beziehung auf das Voͤlkerleben eine hoͤhere Bedeutung zuerkannt oder an ihr erkannt, aus ihr entwickelt. Seitdem iſt ein lebendiger Ver¬ kehr der lebenden Geiſter mit den Hingeſchiedenen durch die ganze Erde angeſponnen worden. Zu allen Nationen, in alle Zeiten iſt man hinabgeſtiegen, und hat die verborgenen Schaͤtze gehoben, die Herder mit

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/172>, abgerufen am 24.11.2024.