Offenbarung des höchsten Wesens zugleich an die Sinnen, das Herz und den Verstand.
Eine Religion ist sinnlich, wenn sie an die Offenbarung Gottes in der Sinnenwelt glaubt, und dieselbe entweder in Pantheismus der Natur, oder in der geistigen Verklärung der Natur zur Kunst im Bilderdienst erkennt. Eine Religion ist verständig, wenn sie eine Offenbarung Gottes im Verstand sich construirt, und das göttliche Gesetz logisch abwägt. Eine Religion ist gemüthlich, wenn sie eine Offen¬ barung Gottes in den Gefühlen annimmt, eine un¬ mittelbare innre Erleuchtung, eine unsichtbare und unbegreifliche Ausgießung des heiligen Geistes. Eine Religion ist aber mystisch, wenn sie alle diese Of¬ fenbarungen vereinigt und mit allen Organen ihre Gesammtwirkung aufnimmt. In dieser mystischen Of¬ fenbarung erscheint die Idee am umfassendsten; ob auch am reinsten, hängt von der Ausbildung ab, der auch die Mystik unterworfen ist. Die sinnliche Re¬ ligion erkennt das Göttliche nur in sinnlichen Vor¬ stellungen, die verständige nur in Begriffen, die ge¬ müthliche nur in Gefühlen. In der lebendigen Durch¬ dringung von sinnlicher Vorstellung, Begriff und Ge¬ fühl zeigt sich die ganze umfassende Idee. Die Bil¬ der Gottes, die Beschreibungen Gottes, die Gefühle Gottes sind nur Bestrebungen, zur Idee Gottes zu gelangen. Nur der hat die Idee Gottes, der ihn zugleich schaut, denkt und empfindet. Die Idee wird in dreifacher Emanation zum bildlichen Symbol, zur
Offenbarung des hoͤchſten Weſens zugleich an die Sinnen, das Herz und den Verſtand.
Eine Religion iſt ſinnlich, wenn ſie an die Offenbarung Gottes in der Sinnenwelt glaubt, und dieſelbe entweder in Pantheismus der Natur, oder in der geiſtigen Verklaͤrung der Natur zur Kunſt im Bilderdienſt erkennt. Eine Religion iſt verſtaͤndig, wenn ſie eine Offenbarung Gottes im Verſtand ſich conſtruirt, und das goͤttliche Geſetz logiſch abwaͤgt. Eine Religion iſt gemuͤthlich, wenn ſie eine Offen¬ barung Gottes in den Gefuͤhlen annimmt, eine un¬ mittelbare innre Erleuchtung, eine unſichtbare und unbegreifliche Ausgießung des heiligen Geiſtes. Eine Religion iſt aber myſtiſch, wenn ſie alle dieſe Of¬ fenbarungen vereinigt und mit allen Organen ihre Geſammtwirkung aufnimmt. In dieſer myſtiſchen Of¬ fenbarung erſcheint die Idee am umfaſſendſten; ob auch am reinſten, haͤngt von der Ausbildung ab, der auch die Myſtik unterworfen iſt. Die ſinnliche Re¬ ligion erkennt das Goͤttliche nur in ſinnlichen Vor¬ ſtellungen, die verſtaͤndige nur in Begriffen, die ge¬ muͤthliche nur in Gefuͤhlen. In der lebendigen Durch¬ dringung von ſinnlicher Vorſtellung, Begriff und Ge¬ fuͤhl zeigt ſich die ganze umfaſſende Idee. Die Bil¬ der Gottes, die Beſchreibungen Gottes, die Gefuͤhle Gottes ſind nur Beſtrebungen, zur Idee Gottes zu gelangen. Nur der hat die Idee Gottes, der ihn zugleich ſchaut, denkt und empfindet. Die Idee wird in dreifacher Emanation zum bildlichen Symbol, zur
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Offenbarung des hoͤchſten Weſens zugleich an die
Sinnen, das Herz und den Verſtand.
Eine Religion iſt ſinnlich, wenn ſie an die
Offenbarung Gottes in der Sinnenwelt glaubt, und
dieſelbe entweder in Pantheismus der Natur, oder
in der geiſtigen Verklaͤrung der Natur zur Kunſt im
Bilderdienſt erkennt. Eine Religion iſt verſtaͤndig,
wenn ſie eine Offenbarung Gottes im Verſtand ſich
conſtruirt, und das goͤttliche Geſetz logiſch abwaͤgt.
Eine Religion iſt gemuͤthlich, wenn ſie eine Offen¬
barung Gottes in den Gefuͤhlen annimmt, eine un¬
mittelbare innre Erleuchtung, eine unſichtbare und
unbegreifliche Ausgießung des heiligen Geiſtes. Eine
Religion iſt aber myſtiſch, wenn ſie alle dieſe Of¬
fenbarungen vereinigt und mit allen Organen ihre
Geſammtwirkung aufnimmt. In dieſer myſtiſchen Of¬
fenbarung erſcheint die Idee am umfaſſendſten; ob
auch am reinſten, haͤngt von der Ausbildung ab, der
auch die Myſtik unterworfen iſt. Die ſinnliche Re¬
ligion erkennt das Goͤttliche nur in ſinnlichen Vor¬
ſtellungen, die verſtaͤndige nur in Begriffen, die ge¬
muͤthliche nur in Gefuͤhlen. In der lebendigen Durch¬
dringung von ſinnlicher Vorſtellung, Begriff und Ge¬
fuͤhl zeigt ſich die ganze umfaſſende Idee. Die Bil¬
der Gottes, die Beſchreibungen Gottes, die Gefuͤhle
Gottes ſind nur Beſtrebungen, zur Idee Gottes zu
gelangen. Nur der hat die Idee Gottes, der ihn
zugleich ſchaut, denkt und empfindet. Die Idee wird
in dreifacher Emanation zum bildlichen Symbol, zur
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/94>, abgerufen am 17.02.2025.
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