Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite

äußern Vortheilen trachtet, sich nicht bezwingen läßt.
Diebe wird es ewig geben, oder die Träume der
Idealisten von allgemeiner Weltverbesserung müßten
in Erfüllung gehn. Verdenkt es also den Nachdru¬
ckern nicht, wenn sie den Autor und rechtmäßigen
Verleger bestehlen, aber straft sie, wenn ihr selbst
recht thun wollt. Verdenkt es auch dem Publicum
nicht, wenn es die nachgedruckten Werke kauft, da
es so oft von den rechtmäßigen Verlegern übervor¬
theilt wird, und wenn es nur zwischen zwei Schrau¬
ben die Wahl hat, diejenige wählt, die es am we¬
nigsten schraubt; hebt den einen Betrug auf, indem
ihr den andern unterdrückt, denn wenn jedes Buch
so wohlfeil verkauft wird, als der Nachdruck dessel¬
ben, so wird der Nachdrucker bald seine Bude schlie¬
ßen müssen. Mit einem Wort, gewährt den Men¬
schen ihren Vortheil auf rechtlichem Wege, damit sie
den sträflichen nicht einschlagen dürfen, und straft sie
dann, wenn sie es dennoch thun. Sophisten aber
sind, die den Nachdruck als etwas Rechtliches in
Schutz nehmen, ihn nicht aus dem Vortheil, den er
mit sich führt, sondern aus dem Recht, auf dem er
gegründet sey, herleiten und entschuldigen. Aller¬
dings ist der Streit über das geistige Eigenthum
zwischen Verleger und Autor, wenn es an einem be¬
stimmten Contrakt gebricht, nicht immer leicht zu
entscheiden, allerdings sind die Autoren oder ihre Er¬
ben in den meisten Fällen von den Buchhändlern
übervortheilt worden, und diese Letztern haben allein

aͤußern Vortheilen trachtet, ſich nicht bezwingen laͤßt.
Diebe wird es ewig geben, oder die Traͤume der
Idealiſten von allgemeiner Weltverbeſſerung muͤßten
in Erfuͤllung gehn. Verdenkt es alſo den Nachdru¬
ckern nicht, wenn ſie den Autor und rechtmaͤßigen
Verleger beſtehlen, aber ſtraft ſie, wenn ihr ſelbſt
recht thun wollt. Verdenkt es auch dem Publicum
nicht, wenn es die nachgedruckten Werke kauft, da
es ſo oft von den rechtmaͤßigen Verlegern uͤbervor¬
theilt wird, und wenn es nur zwiſchen zwei Schrau¬
ben die Wahl hat, diejenige waͤhlt, die es am we¬
nigſten ſchraubt; hebt den einen Betrug auf, indem
ihr den andern unterdruͤckt, denn wenn jedes Buch
ſo wohlfeil verkauft wird, als der Nachdruck deſſel¬
ben, ſo wird der Nachdrucker bald ſeine Bude ſchlie¬
ßen muͤſſen. Mit einem Wort, gewaͤhrt den Men¬
ſchen ihren Vortheil auf rechtlichem Wege, damit ſie
den ſtraͤflichen nicht einſchlagen duͤrfen, und ſtraft ſie
dann, wenn ſie es dennoch thun. Sophiſten aber
ſind, die den Nachdruck als etwas Rechtliches in
Schutz nehmen, ihn nicht aus dem Vortheil, den er
mit ſich fuͤhrt, ſondern aus dem Recht, auf dem er
gegruͤndet ſey, herleiten und entſchuldigen. Aller¬
dings iſt der Streit uͤber das geiſtige Eigenthum
zwiſchen Verleger und Autor, wenn es an einem be¬
ſtimmten Contrakt gebricht, nicht immer leicht zu
entſcheiden, allerdings ſind die Autoren oder ihre Er¬
ben in den meiſten Faͤllen von den Buchhaͤndlern
uͤbervortheilt worden, und dieſe Letztern haben allein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0070" n="60"/>
a&#x0364;ußern Vortheilen trachtet, &#x017F;ich nicht bezwingen la&#x0364;ßt.<lb/>
Diebe wird es ewig geben, oder die Tra&#x0364;ume der<lb/>
Ideali&#x017F;ten von allgemeiner Weltverbe&#x017F;&#x017F;erung mu&#x0364;ßten<lb/>
in Erfu&#x0364;llung gehn. Verdenkt es al&#x017F;o den Nachdru¬<lb/>
ckern nicht, wenn &#x017F;ie den Autor und rechtma&#x0364;ßigen<lb/>
Verleger be&#x017F;tehlen, aber &#x017F;traft &#x017F;ie, wenn ihr &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
recht thun wollt. Verdenkt es auch dem Publicum<lb/>
nicht, wenn es die nachgedruckten Werke kauft, da<lb/>
es &#x017F;o oft von den rechtma&#x0364;ßigen Verlegern u&#x0364;bervor¬<lb/>
theilt wird, und wenn es nur zwi&#x017F;chen zwei Schrau¬<lb/>
ben die Wahl hat, diejenige wa&#x0364;hlt, die es am we¬<lb/>
nig&#x017F;ten &#x017F;chraubt; hebt den einen Betrug auf, indem<lb/>
ihr den andern unterdru&#x0364;ckt, denn wenn jedes Buch<lb/>
&#x017F;o wohlfeil verkauft wird, als der Nachdruck de&#x017F;&#x017F;el¬<lb/>
ben, &#x017F;o wird der Nachdrucker bald &#x017F;eine Bude &#x017F;chlie¬<lb/>
ßen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Mit einem Wort, gewa&#x0364;hrt den Men¬<lb/>
&#x017F;chen ihren Vortheil auf rechtlichem Wege, damit &#x017F;ie<lb/>
den &#x017F;tra&#x0364;flichen nicht ein&#x017F;chlagen du&#x0364;rfen, und &#x017F;traft &#x017F;ie<lb/>
dann, wenn &#x017F;ie es dennoch thun. Sophi&#x017F;ten aber<lb/>
&#x017F;ind, die den Nachdruck als etwas Rechtliches in<lb/>
Schutz nehmen, ihn nicht aus dem Vortheil, den er<lb/>
mit &#x017F;ich fu&#x0364;hrt, &#x017F;ondern aus dem Recht, auf dem er<lb/>
gegru&#x0364;ndet &#x017F;ey, herleiten und ent&#x017F;chuldigen. Aller¬<lb/>
dings i&#x017F;t der Streit u&#x0364;ber das gei&#x017F;tige Eigenthum<lb/>
zwi&#x017F;chen Verleger und Autor, wenn es an einem be¬<lb/>
&#x017F;timmten Contrakt gebricht, nicht immer leicht zu<lb/>
ent&#x017F;cheiden, allerdings &#x017F;ind die Autoren oder ihre Er¬<lb/>
ben in den mei&#x017F;ten Fa&#x0364;llen von den Buchha&#x0364;ndlern<lb/>
u&#x0364;bervortheilt worden, und die&#x017F;e Letztern haben allein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0070] aͤußern Vortheilen trachtet, ſich nicht bezwingen laͤßt. Diebe wird es ewig geben, oder die Traͤume der Idealiſten von allgemeiner Weltverbeſſerung muͤßten in Erfuͤllung gehn. Verdenkt es alſo den Nachdru¬ ckern nicht, wenn ſie den Autor und rechtmaͤßigen Verleger beſtehlen, aber ſtraft ſie, wenn ihr ſelbſt recht thun wollt. Verdenkt es auch dem Publicum nicht, wenn es die nachgedruckten Werke kauft, da es ſo oft von den rechtmaͤßigen Verlegern uͤbervor¬ theilt wird, und wenn es nur zwiſchen zwei Schrau¬ ben die Wahl hat, diejenige waͤhlt, die es am we¬ nigſten ſchraubt; hebt den einen Betrug auf, indem ihr den andern unterdruͤckt, denn wenn jedes Buch ſo wohlfeil verkauft wird, als der Nachdruck deſſel¬ ben, ſo wird der Nachdrucker bald ſeine Bude ſchlie¬ ßen muͤſſen. Mit einem Wort, gewaͤhrt den Men¬ ſchen ihren Vortheil auf rechtlichem Wege, damit ſie den ſtraͤflichen nicht einſchlagen duͤrfen, und ſtraft ſie dann, wenn ſie es dennoch thun. Sophiſten aber ſind, die den Nachdruck als etwas Rechtliches in Schutz nehmen, ihn nicht aus dem Vortheil, den er mit ſich fuͤhrt, ſondern aus dem Recht, auf dem er gegruͤndet ſey, herleiten und entſchuldigen. Aller¬ dings iſt der Streit uͤber das geiſtige Eigenthum zwiſchen Verleger und Autor, wenn es an einem be¬ ſtimmten Contrakt gebricht, nicht immer leicht zu entſcheiden, allerdings ſind die Autoren oder ihre Er¬ ben in den meiſten Faͤllen von den Buchhaͤndlern uͤbervortheilt worden, und dieſe Letztern haben allein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/70
Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/70>, abgerufen am 22.11.2024.