der seltnen Alpenweide die überall ausführbare Stall¬ fütterung der Autoren eingeführt. Der Verleger un¬ terhält sie, und sie liefern ihm Milch, Butter, Käse, Haut und Knochen. Und ist wohl je ein Verleger verlegen um solche Leibeigene? Es drängen sich ihm mehr zu seinem Gnadentisch, als er verlangt. Je mehr fabricirt wird, desto schlechter, je schlechter, desto leichter, je leichter, desto mehr Leute werden geschickt dazu.
Vom Nachdruck kann hier nicht viel gesagt werden, da er auf den Gehalt der Literatur durch¬ aus keinen Einfluß übt. Indeß will ich doch bei die¬ ser Gelegenheit ein wenig meine Verwunderung aus¬ drücken, warum über diesen famösen Nachdruck bei uns noch immer so verschiedne Meinungen herrschen. Er wird nicht nur von den Nachdruckern selbst, oder vom Publicum, das dabei gewinnt, sondern auch von scharfsinnigen Juristen vertheidigt und von man¬ chen Regierungen geduldet, verworfen aber nur von den betheiligten Autoren und Verlegern und von rechtlich Denkenden, sey es auch, daß sie rechtlich nur dächten, denn viele der Art sind mir bekannt, die den Nachdruck verwerfen, das Nachgedruckte aber kaufen. In diesem Widerstreit des äußern Vortheil mit dem innern Verdammungsurtheil des Gewissens liegt der Grund, warum der Nachdruck trotz alles Moralisirens immer fortbesteht, und trotz aller Pri¬ vilegien doch immer verdammt wird. Laßt ihn im¬ mer bestehen, wenn die menschliche Natur, die nach
der ſeltnen Alpenweide die uͤberall ausfuͤhrbare Stall¬ fuͤtterung der Autoren eingefuͤhrt. Der Verleger un¬ terhaͤlt ſie, und ſie liefern ihm Milch, Butter, Kaͤſe, Haut und Knochen. Und iſt wohl je ein Verleger verlegen um ſolche Leibeigene? Es draͤngen ſich ihm mehr zu ſeinem Gnadentiſch, als er verlangt. Je mehr fabricirt wird, deſto ſchlechter, je ſchlechter, deſto leichter, je leichter, deſto mehr Leute werden geſchickt dazu.
Vom Nachdruck kann hier nicht viel geſagt werden, da er auf den Gehalt der Literatur durch¬ aus keinen Einfluß uͤbt. Indeß will ich doch bei die¬ ſer Gelegenheit ein wenig meine Verwunderung aus¬ druͤcken, warum uͤber dieſen famoͤſen Nachdruck bei uns noch immer ſo verſchiedne Meinungen herrſchen. Er wird nicht nur von den Nachdruckern ſelbſt, oder vom Publicum, das dabei gewinnt, ſondern auch von ſcharfſinnigen Juriſten vertheidigt und von man¬ chen Regierungen geduldet, verworfen aber nur von den betheiligten Autoren und Verlegern und von rechtlich Denkenden, ſey es auch, daß ſie rechtlich nur daͤchten, denn viele der Art ſind mir bekannt, die den Nachdruck verwerfen, das Nachgedruckte aber kaufen. In dieſem Widerſtreit des aͤußern Vortheil mit dem innern Verdammungsurtheil des Gewiſſens liegt der Grund, warum der Nachdruck trotz alles Moraliſirens immer fortbeſteht, und trotz aller Pri¬ vilegien doch immer verdammt wird. Laßt ihn im¬ mer beſtehen, wenn die menſchliche Natur, die nach
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der ſeltnen Alpenweide die uͤberall ausfuͤhrbare Stall¬
fuͤtterung der Autoren eingefuͤhrt. Der Verleger un¬
terhaͤlt ſie, und ſie liefern ihm Milch, Butter, Kaͤſe,
Haut und Knochen. Und iſt wohl je ein Verleger
verlegen um ſolche Leibeigene? Es draͤngen ſich ihm
mehr zu ſeinem Gnadentiſch, als er verlangt. Je
mehr fabricirt wird, deſto ſchlechter, je ſchlechter,
deſto leichter, je leichter, deſto mehr Leute werden
geſchickt dazu.
Vom Nachdruck kann hier nicht viel geſagt
werden, da er auf den Gehalt der Literatur durch¬
aus keinen Einfluß uͤbt. Indeß will ich doch bei die¬
ſer Gelegenheit ein wenig meine Verwunderung aus¬
druͤcken, warum uͤber dieſen famoͤſen Nachdruck bei
uns noch immer ſo verſchiedne Meinungen herrſchen.
Er wird nicht nur von den Nachdruckern ſelbſt, oder
vom Publicum, das dabei gewinnt, ſondern auch
von ſcharfſinnigen Juriſten vertheidigt und von man¬
chen Regierungen geduldet, verworfen aber nur von
den betheiligten Autoren und Verlegern und von
rechtlich Denkenden, ſey es auch, daß ſie rechtlich
nur daͤchten, denn viele der Art ſind mir bekannt,
die den Nachdruck verwerfen, das Nachgedruckte aber
kaufen. In dieſem Widerſtreit des aͤußern Vortheil
mit dem innern Verdammungsurtheil des Gewiſſens
liegt der Grund, warum der Nachdruck trotz alles
Moraliſirens immer fortbeſteht, und trotz aller Pri¬
vilegien doch immer verdammt wird. Laßt ihn im¬
mer beſtehen, wenn die menſchliche Natur, die nach
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/69>, abgerufen am 22.11.2024.
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