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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

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als möglich und suchte sogar der längst verspotteten
Heraldik eine neue tiefe Bedeutung zu geben, indem
man nicht die Geschlechter, aber das Geschlechtsystem
bis in die orientalischen Wurzeln der deutschen und
aller Geschichte verfolgte. Man sprach den Germa¬
nen ihre Freiheit wieder ab, und gab sich alle Mühe
die Priesteraristokratie zu vindiciren. Das Mittel¬
alter aber erhielt seine Glorie wieder, und es war
oft lächerlich genug zu sehn, wie man unscheinbare
Lichtchen vor glänzenden Gestalten aufsteckte, die durch
sich selbst hinlänglich strahlten.

Gegenwärtig kämpfen beide Ansichten, und die
Parteien stehn zu scharf an einander, als daß die
dritte versöhnende Ansicht zur Herrschaft gelangen
könnte.

Was nun die Geschichtschreibung betrifft,
so wird ziemlich allgemein anerkannt, daß wir Deut¬
schen darin es noch nicht weit gebracht haben. Wäh¬
rend man unsern Forschungen und Sammlungen die
gebührende Achtung nicht versagt, den deutschen Fleiß
nicht genug loben kann und auch unsre Kritik oft nur
für allzukritisch hält, ist man noch immer der Mei¬
nung, daß wir in der Geschichtschreibung nicht nur
den Alten, sondern auch den Franzosen und Englän¬
dern nachstehn. Allerdings lassen auch unsre besten
Geschichtschreiber noch viel zu wünschen übrig, sie
sind immer noch zu gelehrt, umständlich und unprak¬
tisch. Ihre Werke sind immer noch mehr Studien,
als Gemälde, mehr auf die Wissenschaft, als auf

als moͤglich und ſuchte ſogar der laͤngſt verſpotteten
Heraldik eine neue tiefe Bedeutung zu geben, indem
man nicht die Geſchlechter, aber das Geſchlechtſyſtem
bis in die orientaliſchen Wurzeln der deutſchen und
aller Geſchichte verfolgte. Man ſprach den Germa¬
nen ihre Freiheit wieder ab, und gab ſich alle Muͤhe
die Prieſterariſtokratie zu vindiciren. Das Mittel¬
alter aber erhielt ſeine Glorie wieder, und es war
oft laͤcherlich genug zu ſehn, wie man unſcheinbare
Lichtchen vor glaͤnzenden Geſtalten aufſteckte, die durch
ſich ſelbſt hinlaͤnglich ſtrahlten.

Gegenwaͤrtig kaͤmpfen beide Anſichten, und die
Parteien ſtehn zu ſcharf an einander, als daß die
dritte verſoͤhnende Anſicht zur Herrſchaft gelangen
koͤnnte.

Was nun die Geſchichtſchreibung betrifft,
ſo wird ziemlich allgemein anerkannt, daß wir Deut¬
ſchen darin es noch nicht weit gebracht haben. Waͤh¬
rend man unſern Forſchungen und Sammlungen die
gebuͤhrende Achtung nicht verſagt, den deutſchen Fleiß
nicht genug loben kann und auch unſre Kritik oft nur
fuͤr allzukritiſch haͤlt, iſt man noch immer der Mei¬
nung, daß wir in der Geſchichtſchreibung nicht nur
den Alten, ſondern auch den Franzoſen und Englaͤn¬
dern nachſtehn. Allerdings laſſen auch unſre beſten
Geſchichtſchreiber noch viel zu wuͤnſchen uͤbrig, ſie
ſind immer noch zu gelehrt, umſtaͤndlich und unprak¬
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[211/0221] als moͤglich und ſuchte ſogar der laͤngſt verſpotteten Heraldik eine neue tiefe Bedeutung zu geben, indem man nicht die Geſchlechter, aber das Geſchlechtſyſtem bis in die orientaliſchen Wurzeln der deutſchen und aller Geſchichte verfolgte. Man ſprach den Germa¬ nen ihre Freiheit wieder ab, und gab ſich alle Muͤhe die Prieſterariſtokratie zu vindiciren. Das Mittel¬ alter aber erhielt ſeine Glorie wieder, und es war oft laͤcherlich genug zu ſehn, wie man unſcheinbare Lichtchen vor glaͤnzenden Geſtalten aufſteckte, die durch ſich ſelbſt hinlaͤnglich ſtrahlten. Gegenwaͤrtig kaͤmpfen beide Anſichten, und die Parteien ſtehn zu ſcharf an einander, als daß die dritte verſoͤhnende Anſicht zur Herrſchaft gelangen koͤnnte. Was nun die Geſchichtſchreibung betrifft, ſo wird ziemlich allgemein anerkannt, daß wir Deut¬ ſchen darin es noch nicht weit gebracht haben. Waͤh¬ rend man unſern Forſchungen und Sammlungen die gebuͤhrende Achtung nicht verſagt, den deutſchen Fleiß nicht genug loben kann und auch unſre Kritik oft nur fuͤr allzukritiſch haͤlt, iſt man noch immer der Mei¬ nung, daß wir in der Geſchichtſchreibung nicht nur den Alten, ſondern auch den Franzoſen und Englaͤn¬ dern nachſtehn. Allerdings laſſen auch unſre beſten Geſchichtſchreiber noch viel zu wuͤnſchen uͤbrig, ſie ſind immer noch zu gelehrt, umſtaͤndlich und unprak¬ tiſch. Ihre Werke ſind immer noch mehr Studien, als Gemaͤlde, mehr auf die Wiſſenſchaft, als auf

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/221>, abgerufen am 22.11.2024.