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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

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die kritische Theologie begünstigt, alle Wissenschaften
philosophischer gemacht und durch ihre Humanität To¬
leranz und Bildung mannigfach befördert. Wenn sein
System in der gelehrten Welt unmittelbar die grö߬
ten Revolutionen bewirkt hat, so dürfen wir doch
noch weniger die großen Folgen verkennen, die sein
anthropologisches Verfahren mittelbar in noch weitern
Kreisen hervorgebracht hat. Die allgemeine Toleranz,
die seit Friedrich dem Großen vorzüglich von Preu¬
ßen ausging, das Streben nach allseitiger Bildung,
das Interesse für alles Fremde, die billige Prüfung
aller Parteiansichten, die Vorliebe für das analyti¬
sche Verfahren, die Bemühung um Urbanität, das
Streben nach Nützlichkeit, Popularität und Gesellig¬
keit gewann hauptsächlich durch den edlen Königsber¬
ger Philosophen die Ausbildung und Verbreitung, die
das vorige Jahrhundert ausgezeichnet hat. Gleich¬
zeitig war auch in Frankreich und England ein an¬
thropologisch-kritisches Verfahren herrschend gewor¬
den. Rousseau's Gemüth, Voltaire's Verstand, Swift's
Satyre, Sterne's Humor appellirten an die mensch¬
liche Natur und stürzten die alten Vorurtheile. Sie
und Diderot, Goldsmith, Fielding drangen in die
deutsche Literatur und ihre Wirkungen stehn in ge¬
nauer Beziehung mit Kant's Anthropologie. Man
warf die steife Form von sich und belauschte das
menschliche Herz, das gesellige Leben, und gab Sit¬
tengemälde, psychologische Romane, Idyllen, bür¬
gerliche Schauspiele, Satyren, humoristische Aus¬

die kritiſche Theologie beguͤnſtigt, alle Wiſſenſchaften
philoſophiſcher gemacht und durch ihre Humanitaͤt To¬
leranz und Bildung mannigfach befoͤrdert. Wenn ſein
Syſtem in der gelehrten Welt unmittelbar die groͤ߬
ten Revolutionen bewirkt hat, ſo duͤrfen wir doch
noch weniger die großen Folgen verkennen, die ſein
anthropologiſches Verfahren mittelbar in noch weitern
Kreiſen hervorgebracht hat. Die allgemeine Toleranz,
die ſeit Friedrich dem Großen vorzuͤglich von Preu¬
ßen ausging, das Streben nach allſeitiger Bildung,
das Intereſſe fuͤr alles Fremde, die billige Pruͤfung
aller Parteianſichten, die Vorliebe fuͤr das analyti¬
ſche Verfahren, die Bemuͤhung um Urbanitaͤt, das
Streben nach Nuͤtzlichkeit, Popularitaͤt und Geſellig¬
keit gewann hauptſaͤchlich durch den edlen Koͤnigsber¬
ger Philoſophen die Ausbildung und Verbreitung, die
das vorige Jahrhundert ausgezeichnet hat. Gleich¬
zeitig war auch in Frankreich und England ein an¬
thropologiſch-kritiſches Verfahren herrſchend gewor¬
den. Rouſſeau's Gemuͤth, Voltaire's Verſtand, Swift's
Satyre, Sterne's Humor appellirten an die menſch¬
liche Natur und ſtuͤrzten die alten Vorurtheile. Sie
und Diderot, Goldſmith, Fielding drangen in die
deutſche Literatur und ihre Wirkungen ſtehn in ge¬
nauer Beziehung mit Kant's Anthropologie. Man
warf die ſteife Form von ſich und belauſchte das
menſchliche Herz, das geſellige Leben, und gab Sit¬
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[183/0193] die kritiſche Theologie beguͤnſtigt, alle Wiſſenſchaften philoſophiſcher gemacht und durch ihre Humanitaͤt To¬ leranz und Bildung mannigfach befoͤrdert. Wenn ſein Syſtem in der gelehrten Welt unmittelbar die groͤ߬ ten Revolutionen bewirkt hat, ſo duͤrfen wir doch noch weniger die großen Folgen verkennen, die ſein anthropologiſches Verfahren mittelbar in noch weitern Kreiſen hervorgebracht hat. Die allgemeine Toleranz, die ſeit Friedrich dem Großen vorzuͤglich von Preu¬ ßen ausging, das Streben nach allſeitiger Bildung, das Intereſſe fuͤr alles Fremde, die billige Pruͤfung aller Parteianſichten, die Vorliebe fuͤr das analyti¬ ſche Verfahren, die Bemuͤhung um Urbanitaͤt, das Streben nach Nuͤtzlichkeit, Popularitaͤt und Geſellig¬ keit gewann hauptſaͤchlich durch den edlen Koͤnigsber¬ ger Philoſophen die Ausbildung und Verbreitung, die das vorige Jahrhundert ausgezeichnet hat. Gleich¬ zeitig war auch in Frankreich und England ein an¬ thropologiſch-kritiſches Verfahren herrſchend gewor¬ den. Rouſſeau's Gemuͤth, Voltaire's Verſtand, Swift's Satyre, Sterne's Humor appellirten an die menſch¬ liche Natur und ſtuͤrzten die alten Vorurtheile. Sie und Diderot, Goldſmith, Fielding drangen in die deutſche Literatur und ihre Wirkungen ſtehn in ge¬ nauer Beziehung mit Kant's Anthropologie. Man warf die ſteife Form von ſich und belauſchte das menſchliche Herz, das geſellige Leben, und gab Sit¬ tengemaͤlde, pſychologiſche Romane, Idyllen, buͤr¬ gerliche Schauſpiele, Satyren, humoriſtiſche Aus¬

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/193>, abgerufen am 23.11.2024.