Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.der Menge einen gewaltigen Stoß beigebracht. So¬ Im Besondern hat jede große philosophische Schule Kant hat die ganze Literatur bewegt und den der Menge einen gewaltigen Stoß beigebracht. So¬ Im Beſondern hat jede große philoſophiſche Schule Kant hat die ganze Literatur bewegt und den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0192" n="182"/> der Menge einen gewaltigen Stoß beigebracht. So¬<lb/> fern von der gelehrten Pedanterei die Rede iſt, hat<lb/> der Dichter immer Recht. Wenn der Philoſoph, gleich<lb/> jenem heroiſchen Archimedes, ſelbſt durch die Todes¬<lb/> gefahr, geſchweige durch des Dichters Tadel, ſich<lb/> nimmer ſtoͤren laͤßt im Forſchen und Unterſuchen, ſo<lb/> mag der Dichter, der Liebling der Natur, an der<lb/> Seite dieſer Natur, ihre Unerforſchlichkeit, den ewi¬<lb/> gen Talisman, womit ſie uns bezaubert und be¬<lb/> herrſcht, vertheidigen. Er mag einem ſchalkhaften<lb/> Amor gleich ſeine Venus vertheidigen und den zu¬<lb/> dringlichen Philoſophen verblenden und verwirren.<lb/> Der Streit der Philoſophie und Poeſie, der uralt<lb/> iſt, ſoll in keine Gehaͤſſigkeit ausarten, vielmehr das<lb/> ſchoͤne Wechſelſpiel unſrer edelſten Kraͤfte bleiben,<lb/> und wer aus der Menge ſich mehr dem Denker, oder<lb/> mehr dem Dichter verwandt fuͤhlt, mag waͤhlen nach<lb/> Gefallen.</p><lb/> <p>Im Beſondern hat jede große philoſophiſche Schule<lb/> einer Richtung des Zeitalters entſprochen, in Wech¬<lb/> ſelwirkung ſie erzeugend und von ihr erzeugt. Man<lb/> kann ſelten unterſcheiden, wie fern ein Mann mehr<lb/> auf ſeine Zeit, oder dieſe mehr auf ihn gewirkt.<lb/> Große Geiſter ſind nur die Spiegel der Zeit, durch<lb/> die ſie eben geſchliffen werden.</p><lb/> <p>Kant hat die ganze Literatur bewegt und den<lb/> groͤßten Ruhm, die weiteſte Verbreitung gefunden.<lb/> Seine Lehren haben den Forſchungsgeiſt angeregt,<lb/> der Philoſophie ſelbſt den groͤßten Impuls gegeben,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [182/0192]
der Menge einen gewaltigen Stoß beigebracht. So¬
fern von der gelehrten Pedanterei die Rede iſt, hat
der Dichter immer Recht. Wenn der Philoſoph, gleich
jenem heroiſchen Archimedes, ſelbſt durch die Todes¬
gefahr, geſchweige durch des Dichters Tadel, ſich
nimmer ſtoͤren laͤßt im Forſchen und Unterſuchen, ſo
mag der Dichter, der Liebling der Natur, an der
Seite dieſer Natur, ihre Unerforſchlichkeit, den ewi¬
gen Talisman, womit ſie uns bezaubert und be¬
herrſcht, vertheidigen. Er mag einem ſchalkhaften
Amor gleich ſeine Venus vertheidigen und den zu¬
dringlichen Philoſophen verblenden und verwirren.
Der Streit der Philoſophie und Poeſie, der uralt
iſt, ſoll in keine Gehaͤſſigkeit ausarten, vielmehr das
ſchoͤne Wechſelſpiel unſrer edelſten Kraͤfte bleiben,
und wer aus der Menge ſich mehr dem Denker, oder
mehr dem Dichter verwandt fuͤhlt, mag waͤhlen nach
Gefallen.
Im Beſondern hat jede große philoſophiſche Schule
einer Richtung des Zeitalters entſprochen, in Wech¬
ſelwirkung ſie erzeugend und von ihr erzeugt. Man
kann ſelten unterſcheiden, wie fern ein Mann mehr
auf ſeine Zeit, oder dieſe mehr auf ihn gewirkt.
Große Geiſter ſind nur die Spiegel der Zeit, durch
die ſie eben geſchliffen werden.
Kant hat die ganze Literatur bewegt und den
groͤßten Ruhm, die weiteſte Verbreitung gefunden.
Seine Lehren haben den Forſchungsgeiſt angeregt,
der Philoſophie ſelbſt den groͤßten Impuls gegeben,
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