Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.bige unter beiden Parteien gegeben, doch ist immer Drittens hat man bei dem Unionsversuch nicht bige unter beiden Parteien gegeben, doch iſt immer Drittens hat man bei dem Unionsverſuch nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0154" n="144"/> bige unter beiden Parteien gegeben, doch iſt immer<lb/> nur der ein aͤchter Lutheraner zu nennen, der auf<lb/> den Buchſtaben der Bibel ſchwoͤrt, und ein aͤchter<lb/> Reformirter, der nur das glaubt, was er durch eigne<lb/> Überzeugung gewonnen hat. Darum ſind aus der<lb/> reformirten Kirche ſo unzaͤhlige neue Secten hervor¬<lb/> gegangen, und der Idee nach bildet in ihr jeder<lb/> Menſch ſeine eigne; waͤhrend die lutheriſche Kirche<lb/> einig und ſich treu geblieben iſt.</p><lb/> <p>Drittens hat man bei dem Unionsverſuch nicht<lb/> gehoͤrig betrachtet, daß aller aͤußere Kirchenzwang<lb/> die innere Kraft der Andersdenkenden und Sectirer<lb/> verſtaͤrkt nach Geſetzen des Hebels. Nichts koͤnnte<lb/> wohl ſo geeignet ſeyn, die Stillen im Lande endlich<lb/> zu Lauten im Lande zu verwandeln, als die unpro¬<lb/> teſtantiſchen Mittel, womit man ſie aus proteſtanti¬<lb/> ſchem Eifer in die Uniformitaͤt der Kirche zwingen<lb/> will. Jene Uniformitaͤt, jene aͤußere Werkthaͤtigkeit,<lb/> die den Indifferentiſten ſehr unbedeutend erſcheint,<lb/> iſt den Pietiſten eine Suͤnde wider den heiligen Geiſt,<lb/> und indem man ſie dazu zwingt, und ihnen auf der<lb/> andern Seite ihre Privatandacht verbietet und mit<lb/> polizeilicher Brutalitaͤt ſtoͤrt, ſo macht man ſie nur<lb/> zu Maͤrtyrern, und befoͤrdert ihre Sache. Der Ge¬<lb/> ſetzgeber ignorirt die pietiſtiſche Anſicht, er geht nur<lb/> von ſeiner eignen aus; aber iſt es wohl weiſe? Er<lb/> darf ſie vielleicht ignoriren, wenn er ſie nur duldet,<lb/> aber eine Sache zu verdammen, ohne ſie zu hoͤren,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [144/0154]
bige unter beiden Parteien gegeben, doch iſt immer
nur der ein aͤchter Lutheraner zu nennen, der auf
den Buchſtaben der Bibel ſchwoͤrt, und ein aͤchter
Reformirter, der nur das glaubt, was er durch eigne
Überzeugung gewonnen hat. Darum ſind aus der
reformirten Kirche ſo unzaͤhlige neue Secten hervor¬
gegangen, und der Idee nach bildet in ihr jeder
Menſch ſeine eigne; waͤhrend die lutheriſche Kirche
einig und ſich treu geblieben iſt.
Drittens hat man bei dem Unionsverſuch nicht
gehoͤrig betrachtet, daß aller aͤußere Kirchenzwang
die innere Kraft der Andersdenkenden und Sectirer
verſtaͤrkt nach Geſetzen des Hebels. Nichts koͤnnte
wohl ſo geeignet ſeyn, die Stillen im Lande endlich
zu Lauten im Lande zu verwandeln, als die unpro¬
teſtantiſchen Mittel, womit man ſie aus proteſtanti¬
ſchem Eifer in die Uniformitaͤt der Kirche zwingen
will. Jene Uniformitaͤt, jene aͤußere Werkthaͤtigkeit,
die den Indifferentiſten ſehr unbedeutend erſcheint,
iſt den Pietiſten eine Suͤnde wider den heiligen Geiſt,
und indem man ſie dazu zwingt, und ihnen auf der
andern Seite ihre Privatandacht verbietet und mit
polizeilicher Brutalitaͤt ſtoͤrt, ſo macht man ſie nur
zu Maͤrtyrern, und befoͤrdert ihre Sache. Der Ge¬
ſetzgeber ignorirt die pietiſtiſche Anſicht, er geht nur
von ſeiner eignen aus; aber iſt es wohl weiſe? Er
darf ſie vielleicht ignoriren, wenn er ſie nur duldet,
aber eine Sache zu verdammen, ohne ſie zu hoͤren,
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