verwandten hat. Die Katholiken pflanzen ihr System durch einfache Tradition und äußere Zeichen fort, sie verlangen blinden Glauben und Gehorsam ohne alle Reflexion. Die Protestanten dagegen wollen über¬ zeugen und überzeugt seyn und verlangen eine stets erneute Prüfung des Systems. Darum sind das Wort und die Schrift die Fundamente, deren sie nicht ent¬ behren können. Unterricht, Predigten und Bücher sind von der Lehre der Protestanten unzertrennlich. Dies verleiht natürlich der protestantischen Literatur an Masse und Erudition ein unverhältnißmäßiges Über¬ gewicht über die katholische, setzt sie aber auch allem Verderben der Vielschreiberei aus.
Wer wollte nicht erkennen, daß der gewaltige Umschwung des Denkvermögens und der Sprache, der die Höhe der literarischen Bildung, auf welcher wir jetzt glänzen, herbeigeführt hat, unmittelbar an die Anfänge des Protestantismus geknüpft ist. Wie jener titanenhafte Held, der die Blitze des Capitols in gewaltiger Hand aufgefangen, und auf die alten Götter zurückgeschleudert, zugleich des Wortes und der Schrift vor allem mächtig war, und in seiner deutschen Bibel den Felsen gegründet, auf dem die neue Kirche sich erbaut, so hat der Geist, dessen Verkünder er gesendet war, fort und fort mit der Freiheit des Denkens die Bildung desselben gepflegt, und von protestantischen Schulen und Universitäten ist zunächst alle Erudition der Wissenschaft, Sprache und Literatur ausgegangen.
verwandten hat. Die Katholiken pflanzen ihr Syſtem durch einfache Tradition und aͤußere Zeichen fort, ſie verlangen blinden Glauben und Gehorſam ohne alle Reflexion. Die Proteſtanten dagegen wollen uͤber¬ zeugen und uͤberzeugt ſeyn und verlangen eine ſtets erneute Pruͤfung des Syſtems. Darum ſind das Wort und die Schrift die Fundamente, deren ſie nicht ent¬ behren koͤnnen. Unterricht, Predigten und Buͤcher ſind von der Lehre der Proteſtanten unzertrennlich. Dies verleiht natuͤrlich der proteſtantiſchen Literatur an Maſſe und Erudition ein unverhaͤltnißmaͤßiges Über¬ gewicht uͤber die katholiſche, ſetzt ſie aber auch allem Verderben der Vielſchreiberei aus.
Wer wollte nicht erkennen, daß der gewaltige Umſchwung des Denkvermoͤgens und der Sprache, der die Hoͤhe der literariſchen Bildung, auf welcher wir jetzt glaͤnzen, herbeigefuͤhrt hat, unmittelbar an die Anfaͤnge des Proteſtantismus geknuͤpft iſt. Wie jener titanenhafte Held, der die Blitze des Capitols in gewaltiger Hand aufgefangen, und auf die alten Goͤtter zuruͤckgeſchleudert, zugleich des Wortes und der Schrift vor allem maͤchtig war, und in ſeiner deutſchen Bibel den Felſen gegruͤndet, auf dem die neue Kirche ſich erbaut, ſo hat der Geiſt, deſſen Verkuͤnder er geſendet war, fort und fort mit der Freiheit des Denkens die Bildung deſſelben gepflegt, und von proteſtantiſchen Schulen und Univerſitaͤten iſt zunaͤchſt alle Erudition der Wiſſenſchaft, Sprache und Literatur ausgegangen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0126"n="116"/>
verwandten hat. Die Katholiken pflanzen ihr Syſtem<lb/>
durch einfache Tradition und aͤußere Zeichen fort, ſie<lb/>
verlangen blinden Glauben und Gehorſam ohne alle<lb/>
Reflexion. Die Proteſtanten dagegen wollen uͤber¬<lb/>
zeugen und uͤberzeugt ſeyn und verlangen eine ſtets<lb/>
erneute Pruͤfung des Syſtems. Darum ſind das Wort<lb/>
und die Schrift die Fundamente, deren ſie nicht ent¬<lb/>
behren koͤnnen. Unterricht, Predigten und Buͤcher<lb/>ſind von der Lehre der Proteſtanten unzertrennlich.<lb/>
Dies verleiht natuͤrlich der proteſtantiſchen Literatur<lb/>
an Maſſe und Erudition ein unverhaͤltnißmaͤßiges Über¬<lb/>
gewicht uͤber die katholiſche, ſetzt ſie aber auch allem<lb/>
Verderben der Vielſchreiberei aus.</p><lb/><p>Wer wollte nicht erkennen, daß der gewaltige<lb/>
Umſchwung des Denkvermoͤgens und der Sprache,<lb/>
der die Hoͤhe der literariſchen Bildung, auf welcher<lb/>
wir jetzt glaͤnzen, herbeigefuͤhrt hat, unmittelbar an<lb/>
die Anfaͤnge des Proteſtantismus geknuͤpft iſt. Wie<lb/>
jener titanenhafte Held, der die Blitze des Capitols<lb/>
in gewaltiger Hand aufgefangen, und auf die alten<lb/>
Goͤtter zuruͤckgeſchleudert, zugleich des Wortes und<lb/>
der Schrift vor allem maͤchtig war, und in ſeiner<lb/>
deutſchen Bibel den Felſen gegruͤndet, auf dem die<lb/>
neue Kirche ſich erbaut, ſo hat der Geiſt, deſſen<lb/>
Verkuͤnder er geſendet war, fort und fort mit der<lb/>
Freiheit des Denkens die Bildung deſſelben gepflegt,<lb/>
und von proteſtantiſchen Schulen und Univerſitaͤten<lb/>
iſt zunaͤchſt alle Erudition der Wiſſenſchaft, Sprache<lb/>
und Literatur ausgegangen.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[116/0126]
verwandten hat. Die Katholiken pflanzen ihr Syſtem
durch einfache Tradition und aͤußere Zeichen fort, ſie
verlangen blinden Glauben und Gehorſam ohne alle
Reflexion. Die Proteſtanten dagegen wollen uͤber¬
zeugen und uͤberzeugt ſeyn und verlangen eine ſtets
erneute Pruͤfung des Syſtems. Darum ſind das Wort
und die Schrift die Fundamente, deren ſie nicht ent¬
behren koͤnnen. Unterricht, Predigten und Buͤcher
ſind von der Lehre der Proteſtanten unzertrennlich.
Dies verleiht natuͤrlich der proteſtantiſchen Literatur
an Maſſe und Erudition ein unverhaͤltnißmaͤßiges Über¬
gewicht uͤber die katholiſche, ſetzt ſie aber auch allem
Verderben der Vielſchreiberei aus.
Wer wollte nicht erkennen, daß der gewaltige
Umſchwung des Denkvermoͤgens und der Sprache,
der die Hoͤhe der literariſchen Bildung, auf welcher
wir jetzt glaͤnzen, herbeigefuͤhrt hat, unmittelbar an
die Anfaͤnge des Proteſtantismus geknuͤpft iſt. Wie
jener titanenhafte Held, der die Blitze des Capitols
in gewaltiger Hand aufgefangen, und auf die alten
Goͤtter zuruͤckgeſchleudert, zugleich des Wortes und
der Schrift vor allem maͤchtig war, und in ſeiner
deutſchen Bibel den Felſen gegruͤndet, auf dem die
neue Kirche ſich erbaut, ſo hat der Geiſt, deſſen
Verkuͤnder er geſendet war, fort und fort mit der
Freiheit des Denkens die Bildung deſſelben gepflegt,
und von proteſtantiſchen Schulen und Univerſitaͤten
iſt zunaͤchſt alle Erudition der Wiſſenſchaft, Sprache
und Literatur ausgegangen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/126>, abgerufen am 17.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.