sonders im Alter, in den Schooß einer Kirche, die ihnen Vergebung aller Sünden unbedingt gewähren kann, während ihnen der Protestantismus die schwere Bedingung der Besserung auflegt. Nachdem sie alle physischen und geistigen Wollüste durchgenossen, su¬ chen sie jene alleinseligmachende Mutter auf und möch¬ ten gerne, von ihrer Liebe getragen, lebendig zum Himmel fahren. Doch gibt es auch wieder andre, die zwar ziemlich moralisch leben, aber eine ganz er¬ bärmliche Furcht vor dem alten Adam, vor der Erb¬ sünde und vor allen den Fehlern haben, die sie un¬ bewußt begehen, und die sie um die Seligkeit zu bringen drohen. Um also auf alle Fälle sicher zu seyn, ergeben sie sich in die Gnade des Apostels, der das Amt der Schlüssel führt. Nach dem Maaß ihrer Sünd¬ haftigkeit machen die erstern auch mehr, als die letz¬ tern von der Gnade Geräusch und übertäuben sich selbst und andre mit ihren Versicherungen. So talent¬ voll aber auch einige dieser gefallenen Engel den Ka¬ tholicismus gepriesen haben, sie lassen doch immer einen Rest zurück, der nicht aufgeht, ihr irdisch Theil von Selbstbetrug oder Schmutz, der dann mit dem Heiligen, das sie verfechten, in den auffallendsten Contrast tritt und mit Recht jeden ehrlichen Mann indignirt.
Wenden wir uns zur protestantischen Lite¬ ratur, so kann uns nicht entgehn, daß sie ungleich der katholischen eine höhere Bedeutung für die Con¬ fession und einen größern Einfluß auf die Confessions¬
ſonders im Alter, in den Schooß einer Kirche, die ihnen Vergebung aller Suͤnden unbedingt gewaͤhren kann, waͤhrend ihnen der Proteſtantismus die ſchwere Bedingung der Beſſerung auflegt. Nachdem ſie alle phyſiſchen und geiſtigen Wolluͤſte durchgenoſſen, ſu¬ chen ſie jene alleinſeligmachende Mutter auf und moͤch¬ ten gerne, von ihrer Liebe getragen, lebendig zum Himmel fahren. Doch gibt es auch wieder andre, die zwar ziemlich moraliſch leben, aber eine ganz er¬ baͤrmliche Furcht vor dem alten Adam, vor der Erb¬ ſuͤnde und vor allen den Fehlern haben, die ſie un¬ bewußt begehen, und die ſie um die Seligkeit zu bringen drohen. Um alſo auf alle Faͤlle ſicher zu ſeyn, ergeben ſie ſich in die Gnade des Apoſtels, der das Amt der Schluͤſſel fuͤhrt. Nach dem Maaß ihrer Suͤnd¬ haftigkeit machen die erſtern auch mehr, als die letz¬ tern von der Gnade Geraͤuſch und uͤbertaͤuben ſich ſelbſt und andre mit ihren Verſicherungen. So talent¬ voll aber auch einige dieſer gefallenen Engel den Ka¬ tholicismus geprieſen haben, ſie laſſen doch immer einen Reſt zuruͤck, der nicht aufgeht, ihr irdiſch Theil von Selbſtbetrug oder Schmutz, der dann mit dem Heiligen, das ſie verfechten, in den auffallendſten Contraſt tritt und mit Recht jeden ehrlichen Mann indignirt.
Wenden wir uns zur proteſtantiſchen Lite¬ ratur, ſo kann uns nicht entgehn, daß ſie ungleich der katholiſchen eine hoͤhere Bedeutung fuͤr die Con¬ feſſion und einen groͤßern Einfluß auf die Confeſſions¬
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ſonders im Alter, in den Schooß einer Kirche, die
ihnen Vergebung aller Suͤnden unbedingt gewaͤhren
kann, waͤhrend ihnen der Proteſtantismus die ſchwere
Bedingung der Beſſerung auflegt. Nachdem ſie alle
phyſiſchen und geiſtigen Wolluͤſte durchgenoſſen, ſu¬
chen ſie jene alleinſeligmachende Mutter auf und moͤch¬
ten gerne, von ihrer Liebe getragen, lebendig zum
Himmel fahren. Doch gibt es auch wieder andre,
die zwar ziemlich moraliſch leben, aber eine ganz er¬
baͤrmliche Furcht vor dem alten Adam, vor der Erb¬
ſuͤnde und vor allen den Fehlern haben, die ſie un¬
bewußt begehen, und die ſie um die Seligkeit zu
bringen drohen. Um alſo auf alle Faͤlle ſicher zu ſeyn,
ergeben ſie ſich in die Gnade des Apoſtels, der das
Amt der Schluͤſſel fuͤhrt. Nach dem Maaß ihrer Suͤnd¬
haftigkeit machen die erſtern auch mehr, als die letz¬
tern von der Gnade Geraͤuſch und uͤbertaͤuben ſich
ſelbſt und andre mit ihren Verſicherungen. So talent¬
voll aber auch einige dieſer gefallenen Engel den Ka¬
tholicismus geprieſen haben, ſie laſſen doch immer
einen Reſt zuruͤck, der nicht aufgeht, ihr irdiſch Theil
von Selbſtbetrug oder Schmutz, der dann mit dem
Heiligen, das ſie verfechten, in den auffallendſten
Contraſt tritt und mit Recht jeden ehrlichen Mann
indignirt.
Wenden wir uns zur proteſtantiſchen Lite¬
ratur, ſo kann uns nicht entgehn, daß ſie ungleich
der katholiſchen eine hoͤhere Bedeutung fuͤr die Con¬
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/125>, abgerufen am 17.02.2025.
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