Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

eine indirekte Bestrafung zu nennen ist, und im
Grunde dieselbe Wirkung hat, als eine direkte
Belohnung des Einstimmens, und Bestrafung
des Widerspruchs. Es ist armseliges Blend-
werk, wenn in einigen Lehrbüchern des Kirchen-
rechts so sehr auf den Unterschied zwischen Be-
lohnung
und Vorrecht; Bestrafung und Ein-
schränkung
gedrungen wird. Den Sprachfor-
schern kann diese Bemerkung nützlich seyn; allein
dem Elenden, der die Rechte der Menschheit
entbehren muß, weil er nicht sagen kann: ich
glaube, wo er nicht glaubet; nicht mit dem
Munde Muselmann, und im Herzen Christ
seyn will, dem bringet diese Distinktion nur
leidigen Trost. Und welches sind die Gränzen
der Vorrechte auf der einen, und der Einschrän-
kung auf der andern Seite? Mit einer mäßi-
gen Gabe von Dialektik erweitert man diese Be-
griffe, und dehnet sie so lange aus, bis sie auf
der einen Seite bürgerliche Glückseligkeit, auf der
andern Unterdrückung, Verbannung und Elend
werden *)

Furcht
*) Ein Collegium von gelehrten und angesehenen
Männern, in einem übrigens ziemlich duldsamen
.
Staate

eine indirekte Beſtrafung zu nennen iſt, und im
Grunde dieſelbe Wirkung hat, als eine direkte
Belohnung des Einſtimmens, und Beſtrafung
des Widerſpruchs. Es iſt armſeliges Blend-
werk, wenn in einigen Lehrbuͤchern des Kirchen-
rechts ſo ſehr auf den Unterſchied zwiſchen Be-
lohnung
und Vorrecht; Beſtrafung und Ein-
ſchraͤnkung
gedrungen wird. Den Sprachfor-
ſchern kann dieſe Bemerkung nuͤtzlich ſeyn; allein
dem Elenden, der die Rechte der Menſchheit
entbehren muß, weil er nicht ſagen kann: ich
glaube, wo er nicht glaubet; nicht mit dem
Munde Muſelmann, und im Herzen Chriſt
ſeyn will, dem bringet dieſe Diſtinktion nur
leidigen Troſt. Und welches ſind die Graͤnzen
der Vorrechte auf der einen, und der Einſchraͤn-
kung auf der andern Seite? Mit einer maͤßi-
gen Gabe von Dialektik erweitert man dieſe Be-
griffe, und dehnet ſie ſo lange aus, bis ſie auf
der einen Seite buͤrgerliche Gluͤckſeligkeit, auf der
andern Unterdruͤckung, Verbannung und Elend
werden *)

Furcht
*) Ein Collegium von gelehrten und angeſehenen
Maͤnnern, in einem uͤbrigens ziemlich duldſamen
.
Staate
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0072" n="66"/>
eine indirekte Be&#x017F;trafung zu nennen i&#x017F;t, und im<lb/>
Grunde die&#x017F;elbe Wirkung hat, als eine direkte<lb/>
Belohnung des Ein&#x017F;timmens, und Be&#x017F;trafung<lb/>
des Wider&#x017F;pruchs. Es i&#x017F;t arm&#x017F;eliges Blend-<lb/>
werk, wenn in einigen Lehrbu&#x0364;chern des Kirchen-<lb/>
rechts &#x017F;o &#x017F;ehr auf den Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Be-<lb/>
lohnung</hi> und <hi rendition="#fr">Vorrecht; Be&#x017F;trafung und Ein-<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nkung</hi> gedrungen wird. Den Sprachfor-<lb/>
&#x017F;chern kann die&#x017F;e Bemerkung nu&#x0364;tzlich &#x017F;eyn; allein<lb/>
dem Elenden, der die Rechte der Men&#x017F;chheit<lb/>
entbehren muß, weil er nicht &#x017F;agen kann: ich<lb/>
glaube, wo er nicht glaubet; nicht mit dem<lb/>
Munde Mu&#x017F;elmann, und im Herzen Chri&#x017F;t<lb/>
&#x017F;eyn will, dem bringet die&#x017F;e Di&#x017F;tinktion nur<lb/>
leidigen Tro&#x017F;t. Und welches &#x017F;ind die Gra&#x0364;nzen<lb/>
der Vorrechte auf der einen, und der Ein&#x017F;chra&#x0364;n-<lb/>
kung auf der andern Seite? Mit einer ma&#x0364;ßi-<lb/>
gen Gabe von Dialektik erweitert man die&#x017F;e Be-<lb/>
griffe, und dehnet &#x017F;ie &#x017F;o lange aus, bis &#x017F;ie auf<lb/>
der einen Seite bu&#x0364;rgerliche Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit, auf der<lb/>
andern Unterdru&#x0364;ckung, Verbannung und Elend<lb/>
werden <note xml:id="seg2pn_5_1" next="#seg2pn_5_2" place="foot" n="*)">Ein Collegium von gelehrten und ange&#x017F;ehenen<lb/>
Ma&#x0364;nnern, in einem u&#x0364;brigens ziemlich duld&#x017F;amen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Staate</fw>.</note></p><lb/>
      <fw place="bottom" type="catch">Furcht</fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0072] eine indirekte Beſtrafung zu nennen iſt, und im Grunde dieſelbe Wirkung hat, als eine direkte Belohnung des Einſtimmens, und Beſtrafung des Widerſpruchs. Es iſt armſeliges Blend- werk, wenn in einigen Lehrbuͤchern des Kirchen- rechts ſo ſehr auf den Unterſchied zwiſchen Be- lohnung und Vorrecht; Beſtrafung und Ein- ſchraͤnkung gedrungen wird. Den Sprachfor- ſchern kann dieſe Bemerkung nuͤtzlich ſeyn; allein dem Elenden, der die Rechte der Menſchheit entbehren muß, weil er nicht ſagen kann: ich glaube, wo er nicht glaubet; nicht mit dem Munde Muſelmann, und im Herzen Chriſt ſeyn will, dem bringet dieſe Diſtinktion nur leidigen Troſt. Und welches ſind die Graͤnzen der Vorrechte auf der einen, und der Einſchraͤn- kung auf der andern Seite? Mit einer maͤßi- gen Gabe von Dialektik erweitert man dieſe Be- griffe, und dehnet ſie ſo lange aus, bis ſie auf der einen Seite buͤrgerliche Gluͤckſeligkeit, auf der andern Unterdruͤckung, Verbannung und Elend werden *) Furcht *) Ein Collegium von gelehrten und angeſehenen Maͤnnern, in einem uͤbrigens ziemlich duldſamen Staate.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/72
Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/72>, abgerufen am 24.11.2024.