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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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zu uns selbst verbunden sind, unsere Nebenmen-
schen zu lieben.

Das System unserer Pflichten hat ein dop-
peltes Principium; das Verhältniß zwischen
Menschen und Natur, und das Verhältniß zwi-
schen Geschöpf und Schöpfer. Jenes ist Mo-
ralphilosophie, dieses Religion, und demjeni-
gen, der von der Wahrheit überführt ist, daß
die Naturverhältnisse nichts anders sind, als
Aeusserungen des göttlichen Willens, dem fallen
auch diese beiden Principien in einander, dem
ist Sittenlehre der Vernunft heilig, wie Reli-
gion. Auch heischt die Religion, oder das Ver-
hältniß zwischen Gott und Menschen keine andere
Pflichten; sondern giebt jenen Pflichten und Ob-
liegenheiten nur erhabnere Sanction. Gott
bedarf unseres Beystandes nicht; verlanget kei-
nen Dienst von uns*), keine Aufopferung un-

serer
*) Die Wörter, Dienst, Ehre, u. a. haben in Be-
ziehung auf Gott eine ganz andere Bedeutung,
als in Beziehung auf Menschen. Gottesdienst
ist
nicht Dienst, den ich Gotte erzeige, Ehre
Gottes nicht Ehre, die ich Gotte anthue.
Man hat, um die Worte zu retten, ihre Be-
deutung geändert. Der gemeine Mann aber
klebt

zu uns ſelbſt verbunden ſind, unſere Nebenmen-
ſchen zu lieben.

Das Syſtem unſerer Pflichten hat ein dop-
peltes Principium; das Verhaͤltniß zwiſchen
Menſchen und Natur, und das Verhaͤltniß zwi-
ſchen Geſchoͤpf und Schoͤpfer. Jenes iſt Mo-
ralphiloſophie, dieſes Religion, und demjeni-
gen, der von der Wahrheit uͤberfuͤhrt iſt, daß
die Naturverhaͤltniſſe nichts anders ſind, als
Aeuſſerungen des goͤttlichen Willens, dem fallen
auch dieſe beiden Principien in einander, dem
iſt Sittenlehre der Vernunft heilig, wie Reli-
gion. Auch heiſcht die Religion, oder das Ver-
haͤltniß zwiſchen Gott und Menſchen keine andere
Pflichten; ſondern giebt jenen Pflichten und Ob-
liegenheiten nur erhabnere Sanction. Gott
bedarf unſeres Beyſtandes nicht; verlanget kei-
nen Dienſt von uns*), keine Aufopferung un-

ſerer
*) Die Woͤrter, Dienſt, Ehre, u. a. haben in Be-
ziehung auf Gott eine ganz andere Bedeutung,
als in Beziehung auf Menſchen. Gottesdienſt
iſt
nicht Dienſt, den ich Gotte erzeige, Ehre
Gottes nicht Ehre, die ich Gotte anthue.
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[60/0066] zu uns ſelbſt verbunden ſind, unſere Nebenmen- ſchen zu lieben. Das Syſtem unſerer Pflichten hat ein dop- peltes Principium; das Verhaͤltniß zwiſchen Menſchen und Natur, und das Verhaͤltniß zwi- ſchen Geſchoͤpf und Schoͤpfer. Jenes iſt Mo- ralphiloſophie, dieſes Religion, und demjeni- gen, der von der Wahrheit uͤberfuͤhrt iſt, daß die Naturverhaͤltniſſe nichts anders ſind, als Aeuſſerungen des goͤttlichen Willens, dem fallen auch dieſe beiden Principien in einander, dem iſt Sittenlehre der Vernunft heilig, wie Reli- gion. Auch heiſcht die Religion, oder das Ver- haͤltniß zwiſchen Gott und Menſchen keine andere Pflichten; ſondern giebt jenen Pflichten und Ob- liegenheiten nur erhabnere Sanction. Gott bedarf unſeres Beyſtandes nicht; verlanget kei- nen Dienſt von uns *), keine Aufopferung un- ſerer *) Die Woͤrter, Dienſt, Ehre, u. a. haben in Be- ziehung auf Gott eine ganz andere Bedeutung, als in Beziehung auf Menſchen. Gottesdienſt iſt nicht Dienſt, den ich Gotte erzeige, Ehre Gottes nicht Ehre, die ich Gotte anthue. Man hat, um die Worte zu retten, ihre Be- deutung geaͤndert. Der gemeine Mann aber klebt

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/66>, abgerufen am 22.11.2024.