ist er verpflichtet, solche zum Theil zum Be- sten seines Nebenmenschen, zum Wohlwol- len anzuwenden; denn Besserseyn ist von Wohlwollen unzertrennlich.
Er hat aber auch aus ähnlichen Ursachen ein Recht auf seines Nebenmenschen Wohl- wollen. Er kan erwarten, und Anspruch darauf machen, daß ihm andere mit ihren entbehrlichen Gütern beystehen, und zu sei- ner Vollkommenheit beförderlich seyn wer- den. Man erinnere sich nur immer, was wir unter dem Worte Güter verstehen. Alles innere und äussere Vermögen des Menschen, in so weit es ihm, oder andern, ein Mittel zur Glückseligkeit werden kann. Was also der Mensch im Stande der Natur an Fleiß, Vermögen und Kräften besitzet; alles, was er Sein nennen kan, ist Theils zum Selbst- gebrauch (eigenen Nutzen), Theils zum Wohlwollen gewidmet.
Wie aber das Vermögen der Menschen eingeschränkt, und also erschöpflich ist; so kann dasselbe Vermögen oder Gut zuweilen nicht mir und meinem Nebenmenschen zu- gleich dienen. So kan ich auch dasselbe
Vermö-
iſt er verpflichtet, ſolche zum Theil zum Be- ſten ſeines Nebenmenſchen, zum Wohlwol- len anzuwenden; denn Beſſerſeyn iſt von Wohlwollen unzertrennlich.
Er hat aber auch aus aͤhnlichen Urſachen ein Recht auf ſeines Nebenmenſchen Wohl- wollen. Er kan erwarten, und Anſpruch darauf machen, daß ihm andere mit ihren entbehrlichen Guͤtern beyſtehen, und zu ſei- ner Vollkommenheit befoͤrderlich ſeyn wer- den. Man erinnere ſich nur immer, was wir unter dem Worte Guͤter verſtehen. Alles innere und aͤuſſere Vermoͤgen des Menſchen, in ſo weit es ihm, oder andern, ein Mittel zur Gluͤckſeligkeit werden kann. Was alſo der Menſch im Stande der Natur an Fleiß, Vermoͤgen und Kraͤften beſitzet; alles, was er Sein nennen kan, iſt Theils zum Selbſt- gebrauch (eigenen Nutzen), Theils zum Wohlwollen gewidmet.
Wie aber das Vermoͤgen der Menſchen eingeſchraͤnkt, und alſo erſchoͤpflich iſt; ſo kann daſſelbe Vermoͤgen oder Gut zuweilen nicht mir und meinem Nebenmenſchen zu- gleich dienen. So kan ich auch daſſelbe
Vermoͤ-
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0040"n="34"/>
iſt er verpflichtet, ſolche zum Theil zum Be-<lb/>ſten ſeines Nebenmenſchen, zum <hirendition="#fr">Wohlwol-<lb/>
len</hi> anzuwenden; denn <hirendition="#fr">Beſſerſeyn</hi> iſt von<lb/><hirendition="#fr">Wohlwollen</hi> unzertrennlich.</p><lb/><p>Er hat aber auch aus aͤhnlichen Urſachen<lb/>
ein Recht auf ſeines Nebenmenſchen Wohl-<lb/>
wollen. Er kan erwarten, und Anſpruch<lb/>
darauf machen, daß ihm andere mit ihren<lb/>
entbehrlichen Guͤtern beyſtehen, und zu ſei-<lb/>
ner Vollkommenheit befoͤrderlich ſeyn wer-<lb/>
den. Man erinnere ſich nur immer, was<lb/>
wir unter dem Worte <hirendition="#fr">Guͤter</hi> verſtehen. Alles<lb/><hirendition="#fr">innere</hi> und <hirendition="#fr">aͤuſſere</hi> Vermoͤgen des Menſchen,<lb/>
in ſo weit es ihm, oder andern, ein Mittel<lb/>
zur Gluͤckſeligkeit werden kann. Was alſo<lb/>
der Menſch im Stande der Natur an Fleiß,<lb/>
Vermoͤgen und Kraͤften beſitzet; alles, was<lb/>
er <hirendition="#fr">Sein</hi> nennen kan, iſt Theils zum <hirendition="#fr">Selbſt-<lb/>
gebrauch</hi> (eigenen Nutzen), Theils zum<lb/><hirendition="#fr">Wohlwollen</hi> gewidmet.</p><lb/><p>Wie aber das Vermoͤgen der Menſchen<lb/>
eingeſchraͤnkt, und alſo erſchoͤpflich iſt; ſo<lb/>
kann daſſelbe Vermoͤgen oder Gut zuweilen<lb/>
nicht mir und meinem Nebenmenſchen zu-<lb/>
gleich dienen. So kan ich auch daſſelbe<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Vermoͤ-</fw><lb/></p></body></text></TEI>
[34/0040]
iſt er verpflichtet, ſolche zum Theil zum Be-
ſten ſeines Nebenmenſchen, zum Wohlwol-
len anzuwenden; denn Beſſerſeyn iſt von
Wohlwollen unzertrennlich.
Er hat aber auch aus aͤhnlichen Urſachen
ein Recht auf ſeines Nebenmenſchen Wohl-
wollen. Er kan erwarten, und Anſpruch
darauf machen, daß ihm andere mit ihren
entbehrlichen Guͤtern beyſtehen, und zu ſei-
ner Vollkommenheit befoͤrderlich ſeyn wer-
den. Man erinnere ſich nur immer, was
wir unter dem Worte Guͤter verſtehen. Alles
innere und aͤuſſere Vermoͤgen des Menſchen,
in ſo weit es ihm, oder andern, ein Mittel
zur Gluͤckſeligkeit werden kann. Was alſo
der Menſch im Stande der Natur an Fleiß,
Vermoͤgen und Kraͤften beſitzet; alles, was
er Sein nennen kan, iſt Theils zum Selbſt-
gebrauch (eigenen Nutzen), Theils zum
Wohlwollen gewidmet.
Wie aber das Vermoͤgen der Menſchen
eingeſchraͤnkt, und alſo erſchoͤpflich iſt; ſo
kann daſſelbe Vermoͤgen oder Gut zuweilen
nicht mir und meinem Nebenmenſchen zu-
gleich dienen. So kan ich auch daſſelbe
Vermoͤ-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/40>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.