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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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nen lassen. "Was mündlich überliefert worden,"
sagen die Rabbinen, "ist dir nicht erlaubt, nie-
"derzuschreiben." Mit vielem Widerwillen ent-
schlossen sich die Häupter der Synagoge in den
folgenden Zeiten zu der nothwendig gewordenen
Erlanbnis, über die Gesetze schreiben zu dürfen.
Sie nannten diese Erlaubnis eine Zerstörung des
Gesetzes, und sagten mit dem Psalmisten: "es
"ist eine Zeit, da man um des Ewigen willen,
"das Gesetz zerstören muß." So sollte es aber,
der ursprünglichen Verfassung nach, nicht seyn.
Das Zeremonialgesetz selbst ist eine lebendige,
Geist und Herz erweckende Art von Schrift, die
bedeutungsvoll ist, und ohne Unterlaß zu Be-
trachtungen erweckt, und zum mündlichen Un-
terrichte Anlaß und Gelegenheit giebt. Was
der Schüler vom Morgen bis Abend that und
thun sahe, war ein Fingerzeig auf religiose Leh-
ren und Gesinnungen, trieb ihn an, seinem
Lehrer zu folgen, ihn zu beobachten, alle seine
Handlungen zu bemerken, den Unterricht zu ho-
len, dessen er durch seine Anlagen fähig war,
und sich durch sein Btragen würdig gemacht
hatte. Die Ausbreitung der Schriften und Bü-

cher

nen laſſen. „Was muͤndlich uͤberliefert worden,“
ſagen die Rabbinen, „iſt dir nicht erlaubt, nie-
„derzuſchreiben.“ Mit vielem Widerwillen ent-
ſchloſſen ſich die Haͤupter der Synagoge in den
folgenden Zeiten zu der nothwendig gewordenen
Erlanbnis, uͤber die Geſetze ſchreiben zu duͤrfen.
Sie nannten dieſe Erlaubnis eine Zerſtoͤrung des
Geſetzes, und ſagten mit dem Pſalmiſten: „es
„iſt eine Zeit, da man um des Ewigen willen,
„das Geſetz zerſtoͤren muß.“ So ſollte es aber,
der urſpruͤnglichen Verfaſſung nach, nicht ſeyn.
Das Zeremonialgeſetz ſelbſt iſt eine lebendige,
Geiſt und Herz erweckende Art von Schrift, die
bedeutungsvoll iſt, und ohne Unterlaß zu Be-
trachtungen erweckt, und zum muͤndlichen Un-
terrichte Anlaß und Gelegenheit giebt. Was
der Schuͤler vom Morgen bis Abend that und
thun ſahe, war ein Fingerzeig auf religioſe Leh-
ren und Geſinnungen, trieb ihn an, ſeinem
Lehrer zu folgen, ihn zu beobachten, alle ſeine
Handlungen zu bemerken, den Unterricht zu ho-
len, deſſen er durch ſeine Anlagen faͤhig war,
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[60/0162] nen laſſen. „Was muͤndlich uͤberliefert worden,“ ſagen die Rabbinen, „iſt dir nicht erlaubt, nie- „derzuſchreiben.“ Mit vielem Widerwillen ent- ſchloſſen ſich die Haͤupter der Synagoge in den folgenden Zeiten zu der nothwendig gewordenen Erlanbnis, uͤber die Geſetze ſchreiben zu duͤrfen. Sie nannten dieſe Erlaubnis eine Zerſtoͤrung des Geſetzes, und ſagten mit dem Pſalmiſten: „es „iſt eine Zeit, da man um des Ewigen willen, „das Geſetz zerſtoͤren muß.“ So ſollte es aber, der urſpruͤnglichen Verfaſſung nach, nicht ſeyn. Das Zeremonialgeſetz ſelbſt iſt eine lebendige, Geiſt und Herz erweckende Art von Schrift, die bedeutungsvoll iſt, und ohne Unterlaß zu Be- trachtungen erweckt, und zum muͤndlichen Un- terrichte Anlaß und Gelegenheit giebt. Was der Schuͤler vom Morgen bis Abend that und thun ſahe, war ein Fingerzeig auf religioſe Leh- ren und Geſinnungen, trieb ihn an, ſeinem Lehrer zu folgen, ihn zu beobachten, alle ſeine Handlungen zu bemerken, den Unterricht zu ho- len, deſſen er durch ſeine Anlagen faͤhig war, und ſich durch ſein Btragen wuͤrdig gemacht hatte. Die Ausbreitung der Schriften und Buͤ- cher

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/162>, abgerufen am 25.11.2024.