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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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cher, die durch die Erfindung der Druckerey in
unsern Tagen ins Unendliche vermehrt worden
sind, hat den Menschen ganz umgeschaffen.
Die große Umwälzung des ganzen Systems der
menschlichen Erkenntnisse und Gesinnungen, die
sie hervorgebracht, hat von der einen Seite
zwar ersprießliche Folgen für die Ausbildung der
Menschheit, dafür wir der wohlthätigen Vorse-
hung nicht genug danken können; indessen hat
sie, wie alles Gute, das dem Menschen hienie-
den werden kann, so manches Uebel nebenher zur
Folge, das zum Theil dem Mißbrauche, zum
Theil auch der nothwendigen Bedingung der
Menschlichkeit zuzuschreiben ist. Wir lehren und
unterrichten einander nur in Schriften; lernen
die Natur und die Menschen kennen, nur aus
Schriften; arbeiten und erholen, erbauen und
ergötzen uns durch Schreiberey; der Prediger
unterhält sich nicht mit seiner Gemeine, er liest
oder deklamirt ihr eine aufgeschriebene Abhand-
lung vor. Der Lehrer auf dem Catheder liest
seine geschriebenen Hefte ab. Alles ist todter
Buchstabe; nirgends Geist der lebendigen Unter-
haltung. Wir lieben und zürnen in Briefen,

zanken

cher, die durch die Erfindung der Druckerey in
unſern Tagen ins Unendliche vermehrt worden
ſind, hat den Menſchen ganz umgeſchaffen.
Die große Umwaͤlzung des ganzen Syſtems der
menſchlichen Erkenntniſſe und Geſinnungen, die
ſie hervorgebracht, hat von der einen Seite
zwar erſprießliche Folgen fuͤr die Ausbildung der
Menſchheit, dafuͤr wir der wohlthaͤtigen Vorſe-
hung nicht genug danken koͤnnen; indeſſen hat
ſie, wie alles Gute, das dem Menſchen hienie-
den werden kann, ſo manches Uebel nebenher zur
Folge, das zum Theil dem Mißbrauche, zum
Theil auch der nothwendigen Bedingung der
Menſchlichkeit zuzuſchreiben iſt. Wir lehren und
unterrichten einander nur in Schriften; lernen
die Natur und die Menſchen kennen, nur aus
Schriften; arbeiten und erholen, erbauen und
ergoͤtzen uns durch Schreiberey; der Prediger
unterhaͤlt ſich nicht mit ſeiner Gemeine, er lieſt
oder deklamirt ihr eine aufgeſchriebene Abhand-
lung vor. Der Lehrer auf dem Catheder lieſt
ſeine geſchriebenen Hefte ab. Alles iſt todter
Buchſtabe; nirgends Geiſt der lebendigen Unter-
haltung. Wir lieben und zuͤrnen in Briefen,

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[61/0163] cher, die durch die Erfindung der Druckerey in unſern Tagen ins Unendliche vermehrt worden ſind, hat den Menſchen ganz umgeſchaffen. Die große Umwaͤlzung des ganzen Syſtems der menſchlichen Erkenntniſſe und Geſinnungen, die ſie hervorgebracht, hat von der einen Seite zwar erſprießliche Folgen fuͤr die Ausbildung der Menſchheit, dafuͤr wir der wohlthaͤtigen Vorſe- hung nicht genug danken koͤnnen; indeſſen hat ſie, wie alles Gute, das dem Menſchen hienie- den werden kann, ſo manches Uebel nebenher zur Folge, das zum Theil dem Mißbrauche, zum Theil auch der nothwendigen Bedingung der Menſchlichkeit zuzuſchreiben iſt. Wir lehren und unterrichten einander nur in Schriften; lernen die Natur und die Menſchen kennen, nur aus Schriften; arbeiten und erholen, erbauen und ergoͤtzen uns durch Schreiberey; der Prediger unterhaͤlt ſich nicht mit ſeiner Gemeine, er lieſt oder deklamirt ihr eine aufgeſchriebene Abhand- lung vor. Der Lehrer auf dem Catheder lieſt ſeine geſchriebenen Hefte ab. Alles iſt todter Buchſtabe; nirgends Geiſt der lebendigen Unter- haltung. Wir lieben und zuͤrnen in Briefen, zanken

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/163>, abgerufen am 25.11.2024.