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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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Gewalt und Eigenthum zuzuschreiben. Aber der
Bezirk dieser verschiedenen Gebiete, und die
Gränzen, die sie trennen, sind noch bis itzt nicht
genau bestimmt. Man siehet bald die Kirche das
Markmal weit in das Gebiet des Staats hin-
übertragen, bald den Staat sich Eingriffe er-
lauben, die den angenommenen Begriffen zufolge,
eben so gewaltsam scheinen. Und unermeßlich
sind die Uebel, die aus der Mißhelligkeit dieser
moralischen Wesen bisher entstanden sind, und
noch zu entstehen drohen. Liegen sie gegen ein-
ander zu Felde, so ist das menschliche Geschlecht
das Opfer ihrer Zwietracht; und vertragen sie
sich, so ist es gethan, um das edelste Kleinod der
menschlichen Glückseligkeit; denn sie vertragen
sich selten anders, als um ein drittes moralisches
Wesen, die Freyheit des Gewissens, die von
ihrer Uneinigkeit einigen Vortheil zu ziehen weiß,
aus ihrem Reiche zu verbannen.

Der Despotismus hat den Vorzug, daß er
bündig ist. So lästig seine Forderungen auch
dem gesunden Menschenverstande sind, so sind
sie doch unter sich zusammenhängend und syste-
matisch. Er hat auf jede Frage seine bestimmte
Antwort. Ihr dürft euch weiter um die Gränzen

nicht

Gewalt und Eigenthum zuzuſchreiben. Aber der
Bezirk dieſer verſchiedenen Gebiete, und die
Graͤnzen, die ſie trennen, ſind noch bis itzt nicht
genau beſtimmt. Man ſiehet bald die Kirche das
Markmal weit in das Gebiet des Staats hin-
uͤbertragen, bald den Staat ſich Eingriffe er-
lauben, die den angenommenen Begriffen zufolge,
eben ſo gewaltſam ſcheinen. Und unermeßlich
ſind die Uebel, die aus der Mißhelligkeit dieſer
moraliſchen Weſen bisher entſtanden ſind, und
noch zu entſtehen drohen. Liegen ſie gegen ein-
ander zu Felde, ſo iſt das menſchliche Geſchlecht
das Opfer ihrer Zwietracht; und vertragen ſie
ſich, ſo iſt es gethan, um das edelſte Kleinod der
menſchlichen Gluͤckſeligkeit; denn ſie vertragen
ſich ſelten anders, als um ein drittes moraliſches
Weſen, die Freyheit des Gewiſſens, die von
ihrer Uneinigkeit einigen Vortheil zu ziehen weiß,
aus ihrem Reiche zu verbannen.

Der Deſpotismus hat den Vorzug, daß er
buͤndig iſt. So laͤſtig ſeine Forderungen auch
dem geſunden Menſchenverſtande ſind, ſo ſind
ſie doch unter ſich zuſammenhaͤngend und ſyſte-
matiſch. Er hat auf jede Frage ſeine beſtimmte
Antwort. Ihr duͤrft euch weiter um die Graͤnzen

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[4/0010] Gewalt und Eigenthum zuzuſchreiben. Aber der Bezirk dieſer verſchiedenen Gebiete, und die Graͤnzen, die ſie trennen, ſind noch bis itzt nicht genau beſtimmt. Man ſiehet bald die Kirche das Markmal weit in das Gebiet des Staats hin- uͤbertragen, bald den Staat ſich Eingriffe er- lauben, die den angenommenen Begriffen zufolge, eben ſo gewaltſam ſcheinen. Und unermeßlich ſind die Uebel, die aus der Mißhelligkeit dieſer moraliſchen Weſen bisher entſtanden ſind, und noch zu entſtehen drohen. Liegen ſie gegen ein- ander zu Felde, ſo iſt das menſchliche Geſchlecht das Opfer ihrer Zwietracht; und vertragen ſie ſich, ſo iſt es gethan, um das edelſte Kleinod der menſchlichen Gluͤckſeligkeit; denn ſie vertragen ſich ſelten anders, als um ein drittes moraliſches Weſen, die Freyheit des Gewiſſens, die von ihrer Uneinigkeit einigen Vortheil zu ziehen weiß, aus ihrem Reiche zu verbannen. Der Deſpotismus hat den Vorzug, daß er buͤndig iſt. So laͤſtig ſeine Forderungen auch dem geſunden Menſchenverſtande ſind, ſo ſind ſie doch unter ſich zuſammenhaͤngend und ſyſte- matiſch. Er hat auf jede Frage ſeine beſtimmte Antwort. Ihr duͤrft euch weiter um die Graͤnzen nicht

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/10>, abgerufen am 22.11.2024.