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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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Verdacht ward mit jedem neuen Klingelzug
stärker. Er legte sein Ohr dicht an ein Paar
Spalten der Thüre, und glaubte, nach der ge-
wöhnlichen Art der Selbstquäler, wirklich
drinnen ein Flüstern und Rascheln zu verneh-
men. Natürlich, daß durch alles dieses sei-
ne Unruhe treflich wuchs; er sann bereits hin
und her auf Rache, und endlich fiel es ihm
ein, daß er ja so eben durch ein günstig schei-
nendes Ungefähr sein Handwerkszeug bei sich
habe.

"Wie, dacht' er, wenn ich mich nun dessen
zur Eröffnung dieser Thüre bediente? Jst
meine Braut treulos, so verdient sie Beschä-
mung, und unser Handel ist geendigt. Jst
sie unschuldig, so bitt' ich um Verzeihung,
und sie vergiebt meiner Eifersucht, um meiner
Liebe willen. -- Aber wie? wenn sie noch schlie-
fe? Müßte doch wahrlich ein Todtenschlaf
seyn! Und zudem wäre ja dem Bräutigam
auch wohl solch' eine Ueberraschung ver-
gönnt."

Verdacht ward mit jedem neuen Klingelzug
ſtaͤrker. Er legte ſein Ohr dicht an ein Paar
Spalten der Thuͤre, und glaubte, nach der ge-
woͤhnlichen Art der Selbſtquaͤler, wirklich
drinnen ein Fluͤſtern und Raſcheln zu verneh-
men. Natuͤrlich, daß durch alles dieſes ſei-
ne Unruhe treflich wuchs; er ſann bereits hin
und her auf Rache, und endlich fiel es ihm
ein, daß er ja ſo eben durch ein guͤnſtig ſchei-
nendes Ungefaͤhr ſein Handwerkszeug bei ſich
habe.

„Wie, dacht' er, wenn ich mich nun deſſen
zur Eroͤffnung dieſer Thuͤre bediente? Jſt
meine Braut treulos, ſo verdient ſie Beſchaͤ-
mung, und unſer Handel iſt geendigt. Jſt
ſie unſchuldig, ſo bitt' ich um Verzeihung,
und ſie vergiebt meiner Eiferſucht, um meiner
Liebe willen. — Aber wie? wenn ſie noch ſchlie-
fe? Muͤßte doch wahrlich ein Todtenſchlaf
ſeyn! Und zudem waͤre ja dem Braͤutigam
auch wohl ſolch' eine Ueberraſchung ver-
goͤnnt.“

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[56/0064] Verdacht ward mit jedem neuen Klingelzug ſtaͤrker. Er legte ſein Ohr dicht an ein Paar Spalten der Thuͤre, und glaubte, nach der ge- woͤhnlichen Art der Selbſtquaͤler, wirklich drinnen ein Fluͤſtern und Raſcheln zu verneh- men. Natuͤrlich, daß durch alles dieſes ſei- ne Unruhe treflich wuchs; er ſann bereits hin und her auf Rache, und endlich fiel es ihm ein, daß er ja ſo eben durch ein guͤnſtig ſchei- nendes Ungefaͤhr ſein Handwerkszeug bei ſich habe. „Wie, dacht' er, wenn ich mich nun deſſen zur Eroͤffnung dieſer Thuͤre bediente? Jſt meine Braut treulos, ſo verdient ſie Beſchaͤ- mung, und unſer Handel iſt geendigt. Jſt ſie unſchuldig, ſo bitt' ich um Verzeihung, und ſie vergiebt meiner Eiferſucht, um meiner Liebe willen. — Aber wie? wenn ſie noch ſchlie- fe? Muͤßte doch wahrlich ein Todtenſchlaf ſeyn! Und zudem waͤre ja dem Braͤutigam auch wohl ſolch' eine Ueberraſchung ver- goͤnnt.“

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/64>, abgerufen am 27.04.2024.