To--ben spürte es; sah sie an; merkte, daß sie ihm winke; wußte freilich nicht, wa- rum? oder dachte sich, nach einer gewöhn- lichenEitelkeit seinesGeschlechts, einen gewißen Grund, der wenigstens für jezt noch Aufschub leiden könne. Jndeß -- das Mädchen war jung, und wie es ihm schien, nicht übel ge- macht. Ansehn und anhören kont' er sie ja doch wohl. Als sie daher wieder herausge- gangen war, nahm er sich bald drauf eben- falls den Vorwand frische Luft zu schöpfen. Sie wartete seiner bereits an der Küchenthü- re; winkt' ihm im Hof zu gehn; folgte ihm ängstlich und eilend, und sprach:
Um Gottes Willen, gnädigster Herr, sehn Sie sich vor! Sie sind nicht unter so ehrlichen Leuten, als Sie wohl denken. Man weiß, daß Sie Geld bei sich führen. Man ist Willens, Jhnen dieses sowohl, als auch Jhr Leben, in nächster Nacht zu rauben. Schon nach Hel- fershelfern wird geschickt. Seyn Sie auf Jhrer Hut! Aber um Gotteswillen verrathen Sie
To—ben ſpuͤrte es; ſah ſie an; merkte, daß ſie ihm winke; wußte freilich nicht, wa- rum? oder dachte ſich, nach einer gewoͤhn- lichenEitelkeit ſeinesGeſchlechts, einen gewißen Grund, der wenigſtens fuͤr jezt noch Aufſchub leiden koͤnne. Jndeß — das Maͤdchen war jung, und wie es ihm ſchien, nicht uͤbel ge- macht. Anſehn und anhoͤren kont' er ſie ja doch wohl. Als ſie daher wieder herausge- gangen war, nahm er ſich bald drauf eben- falls den Vorwand friſche Luft zu ſchoͤpfen. Sie wartete ſeiner bereits an der Kuͤchenthuͤ- re; winkt' ihm im Hof zu gehn; folgte ihm aͤngſtlich und eilend, und ſprach:
Um Gottes Willen, gnaͤdigſter Herr, ſehn Sie ſich vor! Sie ſind nicht unter ſo ehrlichen Leuten, als Sie wohl denken. Man weiß, daß Sie Geld bei ſich fuͤhren. Man iſt Willens, Jhnen dieſes ſowohl, als auch Jhr Leben, in naͤchſter Nacht zu rauben. Schon nach Hel- fershelfern wird geſchickt. Seyn Sie auf Jhrer Hut! Aber um Gotteswillen verrathen Sie
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To—ben ſpuͤrte es; ſah ſie an; merkte,
daß ſie ihm winke; wußte freilich nicht, wa-
rum? oder dachte ſich, nach einer gewoͤhn-
lichenEitelkeit ſeinesGeſchlechts, einen gewißen
Grund, der wenigſtens fuͤr jezt noch Aufſchub
leiden koͤnne. Jndeß — das Maͤdchen war
jung, und wie es ihm ſchien, nicht uͤbel ge-
macht. Anſehn und anhoͤren kont' er ſie ja
doch wohl. Als ſie daher wieder herausge-
gangen war, nahm er ſich bald drauf eben-
falls den Vorwand friſche Luft zu ſchoͤpfen.
Sie wartete ſeiner bereits an der Kuͤchenthuͤ-
re; winkt' ihm im Hof zu gehn; folgte ihm
aͤngſtlich und eilend, und ſprach:
Um Gottes Willen, gnaͤdigſter Herr, ſehn
Sie ſich vor! Sie ſind nicht unter ſo ehrlichen
Leuten, als Sie wohl denken. Man weiß, daß
Sie Geld bei ſich fuͤhren. Man iſt Willens,
Jhnen dieſes ſowohl, als auch Jhr Leben, in
naͤchſter Nacht zu rauben. Schon nach Hel-
fershelfern wird geſchickt. Seyn Sie auf Jhrer
Hut! Aber um Gotteswillen verrathen Sie
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/456>, abgerufen am 23.11.2024.
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