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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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Während dieses Gesprächs lief in eben der-
selben Stube ein junges Dienstmädchen oft
auf und ab. Wohl möglich, daß der Graf
sie nicht einmal bemerkte! Aber um desto ge-
nauer hatte sie ihn bemerkt. Der schöne,
wohlgewachsne Mann, die Munterkeit seines
Gesprächs, selbst die fremde Uniform, die er
trug, gefielen ihr von ganzem Herzen. Sie
hätte gern Tagelang ihm zugehört; sie hätte
noch lieber sich selbst mit ihm unterhalten.
Sie wußte überdies würklich eine Sache, die
ihn sehr nahe anging; wovon er sich nichts
träumen ließ; die er bald erfahren muste,
oder es war nachher zu spät. Seine Unwis-
senheit, seine Sicherheit thaten ihr weh. Zwar
sie selbst wagte, wenn sie hier hinein sich misch-
te, unendlich viel. Aber so oft sie ihn wieder
ansah, dachte sie bei sich selbst: Er ist doch
gar zu liebenswürdig! Sie konte sich nicht
erwehren, sie muste ihn, als sie einst wieder
bei ihm vorbei lief, am Kleide zupfen.

Waͤhrend dieſes Geſpraͤchs lief in eben der-
ſelben Stube ein junges Dienſtmaͤdchen oft
auf und ab. Wohl moͤglich, daß der Graf
ſie nicht einmal bemerkte! Aber um deſto ge-
nauer hatte ſie ihn bemerkt. Der ſchoͤne,
wohlgewachsne Mann, die Munterkeit ſeines
Geſpraͤchs, ſelbſt die fremde Uniform, die er
trug, gefielen ihr von ganzem Herzen. Sie
haͤtte gern Tagelang ihm zugehoͤrt; ſie haͤtte
noch lieber ſich ſelbſt mit ihm unterhalten.
Sie wußte uͤberdies wuͤrklich eine Sache, die
ihn ſehr nahe anging; wovon er ſich nichts
traͤumen ließ; die er bald erfahren muſte,
oder es war nachher zu ſpaͤt. Seine Unwiſ-
ſenheit, ſeine Sicherheit thaten ihr weh. Zwar
ſie ſelbſt wagte, wenn ſie hier hinein ſich miſch-
te, unendlich viel. Aber ſo oft ſie ihn wieder
anſah, dachte ſie bei ſich ſelbſt: Er iſt doch
gar zu liebenswuͤrdig! Sie konte ſich nicht
erwehren, ſie muſte ihn, als ſie einſt wieder
bei ihm vorbei lief, am Kleide zupfen.

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[447/0455] Waͤhrend dieſes Geſpraͤchs lief in eben der- ſelben Stube ein junges Dienſtmaͤdchen oft auf und ab. Wohl moͤglich, daß der Graf ſie nicht einmal bemerkte! Aber um deſto ge- nauer hatte ſie ihn bemerkt. Der ſchoͤne, wohlgewachsne Mann, die Munterkeit ſeines Geſpraͤchs, ſelbſt die fremde Uniform, die er trug, gefielen ihr von ganzem Herzen. Sie haͤtte gern Tagelang ihm zugehoͤrt; ſie haͤtte noch lieber ſich ſelbſt mit ihm unterhalten. Sie wußte uͤberdies wuͤrklich eine Sache, die ihn ſehr nahe anging; wovon er ſich nichts traͤumen ließ; die er bald erfahren muſte, oder es war nachher zu ſpaͤt. Seine Unwiſ- ſenheit, ſeine Sicherheit thaten ihr weh. Zwar ſie ſelbſt wagte, wenn ſie hier hinein ſich miſch- te, unendlich viel. Aber ſo oft ſie ihn wieder anſah, dachte ſie bei ſich ſelbſt: Er iſt doch gar zu liebenswuͤrdig! Sie konte ſich nicht erwehren, ſie muſte ihn, als ſie einſt wieder bei ihm vorbei lief, am Kleide zupfen.

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/455>, abgerufen am 23.11.2024.