Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Warlich in dem Aufzuge hätt' ich dich doch
nicht wieder zu treffen verhoft!" Bei diesen
Worten erblaßte jener von neuen. "Jch seh's,
rief er, ich bin verrathen! Ja, ja! ich will
alles bekennen!" Die Gesellschaft ward nun
herbeigerufen. Er gestand laut, daß er der-
jenige sey, den der Wundarzt in ihm erkannt
habe -- ein Landstreicher, ein Räuber, ein
Mörder sogar! Durch Beihülfe eines treulo-
sen Bedienten habe er sich vor zwei Jahren
ins Haus derjenigen Dame, deren Bildnis
ihn an der Tafel so erschreckt, heimlich ein-
geschlichen, habe sie mit jenem Bösewicht erst
beraubt und dann ermordet; habe dann eben
so rasch seinen Spiesgesellen auch umgebracht,
und den Leichnam desselben imKeller verscharrt,
damit man glauben solle: dieser habe die That
gethan, und dann die Flucht ergriffen. Jm
Schreibeschrank dieser Dame wären unter an-
dern fünfhundert Louisd'ors befindlich gewe-
sen; mit ihnen hab' er sich eine Stelle in der
Armee gekauft. Die Juwelen hingegen und

Warlich in dem Aufzuge haͤtt' ich dich doch
nicht wieder zu treffen verhoft!“ Bei dieſen
Worten erblaßte jener von neuen. „Jch ſeh's,
rief er, ich bin verrathen! Ja, ja! ich will
alles bekennen!“ Die Geſellſchaft ward nun
herbeigerufen. Er geſtand laut, daß er der-
jenige ſey, den der Wundarzt in ihm erkannt
habe — ein Landſtreicher, ein Raͤuber, ein
Moͤrder ſogar! Durch Beihuͤlfe eines treulo-
ſen Bedienten habe er ſich vor zwei Jahren
ins Haus derjenigen Dame, deren Bildnis
ihn an der Tafel ſo erſchreckt, heimlich ein-
geſchlichen, habe ſie mit jenem Boͤſewicht erſt
beraubt und dann ermordet; habe dann eben
ſo raſch ſeinen Spiesgeſellen auch umgebracht,
und den Leichnam deſſelben imKeller verſcharrt,
damit man glauben ſolle: dieſer habe die That
gethan, und dann die Flucht ergriffen. Jm
Schreibeſchrank dieſer Dame waͤren unter an-
dern fuͤnfhundert Louisd'ors befindlich gewe-
ſen; mit ihnen hab' er ſich eine Stelle in der
Armee gekauft. Die Juwelen hingegen und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0406" n="398"/>
Warlich in dem Aufzuge ha&#x0364;tt' ich dich doch<lb/>
nicht wieder zu treffen verhoft!&#x201C; Bei die&#x017F;en<lb/>
Worten erblaßte jener von neuen. &#x201E;Jch &#x017F;eh's,<lb/>
rief er, ich bin verrathen! Ja, ja! ich will<lb/>
alles bekennen!&#x201C; Die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ward nun<lb/>
herbeigerufen. Er ge&#x017F;tand laut, daß er der-<lb/>
jenige &#x017F;ey, den der Wundarzt in ihm erkannt<lb/>
habe &#x2014; ein Land&#x017F;treicher, ein Ra&#x0364;uber, ein<lb/>
Mo&#x0364;rder &#x017F;ogar! Durch Beihu&#x0364;lfe eines treulo-<lb/>
&#x017F;en Bedienten habe er &#x017F;ich vor zwei Jahren<lb/>
ins Haus derjenigen Dame, deren Bildnis<lb/>
ihn an der Tafel &#x017F;o er&#x017F;chreckt, heimlich ein-<lb/>
ge&#x017F;chlichen, habe &#x017F;ie mit jenem Bo&#x0364;&#x017F;ewicht er&#x017F;t<lb/>
beraubt und dann ermordet; habe dann eben<lb/>
&#x017F;o ra&#x017F;ch &#x017F;einen Spiesge&#x017F;ellen auch umgebracht,<lb/>
und den Leichnam de&#x017F;&#x017F;elben imKeller ver&#x017F;charrt,<lb/>
damit man glauben &#x017F;olle: die&#x017F;er habe die That<lb/>
gethan, und dann die Flucht ergriffen. Jm<lb/>
Schreibe&#x017F;chrank die&#x017F;er Dame wa&#x0364;ren unter an-<lb/>
dern fu&#x0364;nfhundert Louisd'ors befindlich gewe-<lb/>
&#x017F;en; mit ihnen hab' er &#x017F;ich eine Stelle in der<lb/>
Armee gekauft. Die Juwelen hingegen und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[398/0406] Warlich in dem Aufzuge haͤtt' ich dich doch nicht wieder zu treffen verhoft!“ Bei dieſen Worten erblaßte jener von neuen. „Jch ſeh's, rief er, ich bin verrathen! Ja, ja! ich will alles bekennen!“ Die Geſellſchaft ward nun herbeigerufen. Er geſtand laut, daß er der- jenige ſey, den der Wundarzt in ihm erkannt habe — ein Landſtreicher, ein Raͤuber, ein Moͤrder ſogar! Durch Beihuͤlfe eines treulo- ſen Bedienten habe er ſich vor zwei Jahren ins Haus derjenigen Dame, deren Bildnis ihn an der Tafel ſo erſchreckt, heimlich ein- geſchlichen, habe ſie mit jenem Boͤſewicht erſt beraubt und dann ermordet; habe dann eben ſo raſch ſeinen Spiesgeſellen auch umgebracht, und den Leichnam deſſelben imKeller verſcharrt, damit man glauben ſolle: dieſer habe die That gethan, und dann die Flucht ergriffen. Jm Schreibeſchrank dieſer Dame waͤren unter an- dern fuͤnfhundert Louisd'ors befindlich gewe- ſen; mit ihnen hab' er ſich eine Stelle in der Armee gekauft. Die Juwelen hingegen und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/406
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/406>, abgerufen am 19.05.2024.