und noch weniger, als ob der Wein mich be- rauscht hätte! Aber diese Wohlthat, womit Sie mich heute erquickt, diese herablassende Güte, womitSie schon dreimal mich behandelt haben, -- im Gegensaz jenes ewige Gefängnis, was mich bedroht -- lieber Herr Doktor, wenn ich wenigstens bis zu meinemEnde dieses Zimmer, das Licht des Tages und den Anblick mensch- lichen Mitgefühls behalten darf, so -- so ge- steh ich alles!
"Junger Mann, bedenken Sie wohl, wozu Sie sich erbieten? Bedenken Sie auch, daß Sie über sich selbst das Urtheil eines wahr- scheinlichen Todes fällen würden!"
O nein! eines gewissen Todes sogar! Das hab' ich schon längst überdacht, als ich so hartnäckig alles leugnete. Jmmer noch glimte damals die Hofnung in mir, doch einst wieder zu Weib und Kindern durchzudringen. Der Härte hätt' ich getrozt bis zum lezten Le- benshauch. Doch jezt -- wenn Sie mir ver- sprechen, daß ich dieses Gemach die wenigen übrigen Wochen hindurch behalte; daß ich ver-
und noch weniger, als ob der Wein mich be- rauſcht haͤtte! Aber dieſe Wohlthat, womit Sie mich heute erquickt, dieſe herablaſſende Guͤte, womitSie ſchon dreimal mich behandelt haben, — im Gegenſaz jenes ewige Gefaͤngnis, was mich bedroht — lieber Herr Doktor, wenn ich wenigſtens bis zu meinemEnde dieſes Zimmer, das Licht des Tages und den Anblick menſch- lichen Mitgefuͤhls behalten darf, ſo — ſo ge- ſteh ich alles!
„Junger Mann, bedenken Sie wohl, wozu Sie ſich erbieten? Bedenken Sie auch, daß Sie uͤber ſich ſelbſt das Urtheil eines wahr- ſcheinlichen Todes faͤllen wuͤrden!“
O nein! eines gewiſſen Todes ſogar! Das hab' ich ſchon laͤngſt uͤberdacht, als ich ſo hartnaͤckig alles leugnete. Jmmer noch glimte damals die Hofnung in mir, doch einſt wieder zu Weib und Kindern durchzudringen. Der Haͤrte haͤtt' ich getrozt bis zum lezten Le- benshauch. Doch jezt — wenn Sie mir ver- ſprechen, daß ich dieſes Gemach die wenigen uͤbrigen Wochen hindurch behalte; daß ich ver-
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und noch weniger, als ob der Wein mich be-
rauſcht haͤtte! Aber dieſe Wohlthat, womit Sie
mich heute erquickt, dieſe herablaſſende Guͤte,
womitSie ſchon dreimal mich behandelt haben,
— im Gegenſaz jenes ewige Gefaͤngnis, was
mich bedroht — lieber Herr Doktor, wenn ich
wenigſtens bis zu meinemEnde dieſes Zimmer,
das Licht des Tages und den Anblick menſch-
lichen Mitgefuͤhls behalten darf, ſo — ſo ge-
ſteh ich alles!
„Junger Mann, bedenken Sie wohl, wozu
Sie ſich erbieten? Bedenken Sie auch, daß Sie
uͤber ſich ſelbſt das Urtheil eines wahr-
ſcheinlichen Todes faͤllen wuͤrden!“
O nein! eines gewiſſen Todes ſogar! Das
hab' ich ſchon laͤngſt uͤberdacht, als ich ſo
hartnaͤckig alles leugnete. Jmmer noch glimte
damals die Hofnung in mir, doch einſt wieder
zu Weib und Kindern durchzudringen. Der
Haͤrte haͤtt' ich getrozt bis zum lezten Le-
benshauch. Doch jezt — wenn Sie mir ver-
ſprechen, daß ich dieſes Gemach die wenigen
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/320>, abgerufen am 23.11.2024.
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