Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

und noch weniger, als ob der Wein mich be-
rauscht hätte! Aber diese Wohlthat, womit Sie
mich heute erquickt, diese herablassende Güte,
womitSie schon dreimal mich behandelt haben,
-- im Gegensaz jenes ewige Gefängnis, was
mich bedroht -- lieber Herr Doktor, wenn ich
wenigstens bis zu meinemEnde dieses Zimmer,
das Licht des Tages und den Anblick mensch-
lichen Mitgefühls behalten darf, so -- so ge-
steh ich alles!

"Junger Mann, bedenken Sie wohl, wozu
Sie sich erbieten? Bedenken Sie auch, daß Sie
über sich selbst das Urtheil eines wahr-
scheinlichen Todes
fällen würden!"

O nein! eines gewissen Todes sogar! Das
hab' ich schon längst überdacht, als ich so
hartnäckig alles leugnete. Jmmer noch glimte
damals die Hofnung in mir, doch einst wieder
zu Weib und Kindern durchzudringen. Der
Härte hätt' ich getrozt bis zum lezten Le-
benshauch. Doch jezt -- wenn Sie mir ver-
sprechen, daß ich dieses Gemach die wenigen
übrigen Wochen hindurch behalte; daß ich ver-

und noch weniger, als ob der Wein mich be-
rauſcht haͤtte! Aber dieſe Wohlthat, womit Sie
mich heute erquickt, dieſe herablaſſende Guͤte,
womitSie ſchon dreimal mich behandelt haben,
— im Gegenſaz jenes ewige Gefaͤngnis, was
mich bedroht — lieber Herr Doktor, wenn ich
wenigſtens bis zu meinemEnde dieſes Zimmer,
das Licht des Tages und den Anblick menſch-
lichen Mitgefuͤhls behalten darf, ſo — ſo ge-
ſteh ich alles!

„Junger Mann, bedenken Sie wohl, wozu
Sie ſich erbieten? Bedenken Sie auch, daß Sie
uͤber ſich ſelbſt das Urtheil eines wahr-
ſcheinlichen Todes
faͤllen wuͤrden!“

O nein! eines gewiſſen Todes ſogar! Das
hab' ich ſchon laͤngſt uͤberdacht, als ich ſo
hartnaͤckig alles leugnete. Jmmer noch glimte
damals die Hofnung in mir, doch einſt wieder
zu Weib und Kindern durchzudringen. Der
Haͤrte haͤtt' ich getrozt bis zum lezten Le-
benshauch. Doch jezt — wenn Sie mir ver-
ſprechen, daß ich dieſes Gemach die wenigen
uͤbrigen Wochen hindurch behalte; daß ich ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0320" n="312"/>
und noch weniger, als ob der Wein mich be-<lb/>
rau&#x017F;cht ha&#x0364;tte! Aber die&#x017F;e Wohlthat, womit Sie<lb/>
mich heute erquickt, die&#x017F;e herabla&#x017F;&#x017F;ende Gu&#x0364;te,<lb/>
womitSie &#x017F;chon dreimal mich behandelt haben,<lb/>
&#x2014; im Gegen&#x017F;az jenes ewige Gefa&#x0364;ngnis, was<lb/>
mich bedroht &#x2014; lieber Herr Doktor, wenn ich<lb/>
wenig&#x017F;tens bis zu meinemEnde die&#x017F;es Zimmer,<lb/>
das Licht des Tages und den Anblick men&#x017F;ch-<lb/>
lichen Mitgefu&#x0364;hls behalten darf, &#x017F;o &#x2014; &#x017F;o ge-<lb/>
&#x017F;teh ich alles!</p><lb/>
          <p>&#x201E;Junger Mann, bedenken Sie wohl, wozu<lb/>
Sie &#x017F;ich erbieten? Bedenken Sie auch, daß Sie<lb/>
u&#x0364;ber &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t das Urtheil eines <hi rendition="#g">wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlichen Todes</hi> fa&#x0364;llen wu&#x0364;rden!&#x201C;</p><lb/>
          <p>O nein! eines gewi&#x017F;&#x017F;en Todes &#x017F;ogar! Das<lb/>
hab' ich &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t u&#x0364;berdacht, als ich &#x017F;o<lb/>
hartna&#x0364;ckig alles leugnete. Jmmer noch glimte<lb/>
damals die Hofnung in mir, doch ein&#x017F;t wieder<lb/>
zu Weib und Kindern durchzudringen. Der<lb/><hi rendition="#g">Ha&#x0364;rte</hi> ha&#x0364;tt' ich getrozt bis zum lezten Le-<lb/>
benshauch. Doch jezt &#x2014; wenn Sie mir ver-<lb/>
&#x017F;prechen, daß ich die&#x017F;es Gemach die wenigen<lb/>
u&#x0364;brigen Wochen hindurch behalte; daß ich ver-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[312/0320] und noch weniger, als ob der Wein mich be- rauſcht haͤtte! Aber dieſe Wohlthat, womit Sie mich heute erquickt, dieſe herablaſſende Guͤte, womitSie ſchon dreimal mich behandelt haben, — im Gegenſaz jenes ewige Gefaͤngnis, was mich bedroht — lieber Herr Doktor, wenn ich wenigſtens bis zu meinemEnde dieſes Zimmer, das Licht des Tages und den Anblick menſch- lichen Mitgefuͤhls behalten darf, ſo — ſo ge- ſteh ich alles! „Junger Mann, bedenken Sie wohl, wozu Sie ſich erbieten? Bedenken Sie auch, daß Sie uͤber ſich ſelbſt das Urtheil eines wahr- ſcheinlichen Todes faͤllen wuͤrden!“ O nein! eines gewiſſen Todes ſogar! Das hab' ich ſchon laͤngſt uͤberdacht, als ich ſo hartnaͤckig alles leugnete. Jmmer noch glimte damals die Hofnung in mir, doch einſt wieder zu Weib und Kindern durchzudringen. Der Haͤrte haͤtt' ich getrozt bis zum lezten Le- benshauch. Doch jezt — wenn Sie mir ver- ſprechen, daß ich dieſes Gemach die wenigen uͤbrigen Wochen hindurch behalte; daß ich ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/320
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/320>, abgerufen am 17.05.2024.