trozze. Gegen den Gequälten wird, selbst wenn wir ihn für schuldig halten, so leichtlich unser Mitleid rege; und geht noch leichter znr Bewunderung über, wenn wir hören, daß sein heroischer Muth selbst in den Qualen sich nicht beugt! -- Bald erblickten nun ei- nige in R. einen Menschen, dem -- doch viel- leicht Unrecht geschähe; bald sahen noch meh- rere in ihm einen Unglücklichen, der für ein raschbegangnes Laster nun schon genug abge- büßt habe; und nur einige wenige betrachte- ten seine Festigkeit selbst als -- einen Troz, der sein Verbrechen vergrößre.
Zu dieser lezternZahl gehörten sehr natürlich die Erben der Ermordeten. Jene anfängliche Hofnung ihr Geraubtes wieder zu erhalten, schwand altäglich mehr und mehr zusammen. Schon weit -- weit über Jahr und Tag, saß der Verhaftete. Das bei ihm gefundne Geld fraßen dieGerichtskosten; zu mehrern bekante er sich nicht. Daß er höchstens noch einmal gefol- tert, und wenn er dies überstehe, zu zehnjäh-
trozze. Gegen den Gequaͤlten wird, ſelbſt wenn wir ihn fuͤr ſchuldig halten, ſo leichtlich unſer Mitleid rege; und geht noch leichter znr Bewunderung uͤber, wenn wir hoͤren, daß ſein heroiſcher Muth ſelbſt in den Qualen ſich nicht beugt! — Bald erblickten nun ei- nige in R. einen Menſchen, dem — doch viel- leicht Unrecht geſchaͤhe; bald ſahen noch meh- rere in ihm einen Ungluͤcklichen, der fuͤr ein raſchbegangnes Laſter nun ſchon genug abge- buͤßt habe; und nur einige wenige betrachte- ten ſeine Feſtigkeit ſelbſt als — einen Troz, der ſein Verbrechen vergroͤßre.
Zu dieſer lezternZahl gehoͤrten ſehr natuͤrlich die Erben der Ermordeten. Jene anfaͤngliche Hofnung ihr Geraubtes wieder zu erhalten, ſchwand altaͤglich mehr und mehr zuſammen. Schon weit — weit uͤber Jahr und Tag, ſaß der Verhaftete. Das bei ihm gefundne Geld fraßen dieGerichtskoſten; zu mehrern bekante er ſich nicht. Daß er hoͤchſtens noch einmal gefol- tert, und wenn er dies uͤberſtehe, zu zehnjaͤh-
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trozze. Gegen den Gequaͤlten wird, ſelbſt
wenn wir ihn fuͤr ſchuldig halten, ſo leichtlich
unſer Mitleid rege; und geht noch leichter
znr Bewunderung uͤber, wenn wir hoͤren,
daß ſein heroiſcher Muth ſelbſt in den Qualen
ſich nicht beugt! — Bald erblickten nun ei-
nige in R. einen Menſchen, dem — doch viel-
leicht Unrecht geſchaͤhe; bald ſahen noch meh-
rere in ihm einen Ungluͤcklichen, der fuͤr ein
raſchbegangnes Laſter nun ſchon genug abge-
buͤßt habe; und nur einige wenige betrachte-
ten ſeine Feſtigkeit ſelbſt als — einen Troz,
der ſein Verbrechen vergroͤßre.
Zu dieſer lezternZahl gehoͤrten ſehr natuͤrlich
die Erben der Ermordeten. Jene anfaͤngliche
Hofnung ihr Geraubtes wieder zu erhalten,
ſchwand altaͤglich mehr und mehr zuſammen.
Schon weit — weit uͤber Jahr und Tag, ſaß
der Verhaftete. Das bei ihm gefundne Geld
fraßen dieGerichtskoſten; zu mehrern bekante er
ſich nicht. Daß er hoͤchſtens noch einmal gefol-
tert, und wenn er dies uͤberſtehe, zu zehnjaͤh-
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/310>, abgerufen am 23.11.2024.
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