Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

trozze. Gegen den Gequälten wird, selbst
wenn wir ihn für schuldig halten, so leichtlich
unser Mitleid rege; und geht noch leichter
znr Bewunderung über, wenn wir hören,
daß sein heroischer Muth selbst in den Qualen
sich nicht beugt! -- Bald erblickten nun ei-
nige in R. einen Menschen, dem -- doch viel-
leicht Unrecht geschähe; bald sahen noch meh-
rere in ihm einen Unglücklichen, der für ein
raschbegangnes Laster nun schon genug abge-
büßt habe; und nur einige wenige betrachte-
ten seine Festigkeit selbst als -- einen Troz,
der sein Verbrechen vergrößre.

Zu dieser lezternZahl gehörten sehr natürlich
die Erben der Ermordeten. Jene anfängliche
Hofnung ihr Geraubtes wieder zu erhalten,
schwand altäglich mehr und mehr zusammen.
Schon weit -- weit über Jahr und Tag, saß
der Verhaftete. Das bei ihm gefundne Geld
fraßen dieGerichtskosten; zu mehrern bekante er
sich nicht. Daß er höchstens noch einmal gefol-
tert, und wenn er dies überstehe, zu zehnjäh-

trozze. Gegen den Gequaͤlten wird, ſelbſt
wenn wir ihn fuͤr ſchuldig halten, ſo leichtlich
unſer Mitleid rege; und geht noch leichter
znr Bewunderung uͤber, wenn wir hoͤren,
daß ſein heroiſcher Muth ſelbſt in den Qualen
ſich nicht beugt! — Bald erblickten nun ei-
nige in R. einen Menſchen, dem — doch viel-
leicht Unrecht geſchaͤhe; bald ſahen noch meh-
rere in ihm einen Ungluͤcklichen, der fuͤr ein
raſchbegangnes Laſter nun ſchon genug abge-
buͤßt habe; und nur einige wenige betrachte-
ten ſeine Feſtigkeit ſelbſt als — einen Troz,
der ſein Verbrechen vergroͤßre.

Zu dieſer lezternZahl gehoͤrten ſehr natuͤrlich
die Erben der Ermordeten. Jene anfaͤngliche
Hofnung ihr Geraubtes wieder zu erhalten,
ſchwand altaͤglich mehr und mehr zuſammen.
Schon weit — weit uͤber Jahr und Tag, ſaß
der Verhaftete. Das bei ihm gefundne Geld
fraßen dieGerichtskoſten; zu mehrern bekante er
ſich nicht. Daß er hoͤchſtens noch einmal gefol-
tert, und wenn er dies uͤberſtehe, zu zehnjaͤh-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0310" n="302"/>
trozze. Gegen den <hi rendition="#g">Gequa&#x0364;lten</hi> wird, &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
wenn wir ihn fu&#x0364;r &#x017F;chuldig halten, &#x017F;o leichtlich<lb/>
un&#x017F;er <hi rendition="#g">Mitleid</hi> rege; und geht noch leichter<lb/>
znr <hi rendition="#g">Bewunderung</hi> u&#x0364;ber, wenn wir ho&#x0364;ren,<lb/>
daß &#x017F;ein heroi&#x017F;cher Muth &#x017F;elb&#x017F;t in den Qualen<lb/>
&#x017F;ich nicht beugt! &#x2014; Bald erblickten nun ei-<lb/>
nige in R. einen Men&#x017F;chen, dem &#x2014; doch viel-<lb/>
leicht Unrecht ge&#x017F;cha&#x0364;he; bald &#x017F;ahen noch meh-<lb/>
rere in ihm einen Unglu&#x0364;cklichen, der fu&#x0364;r ein<lb/>
ra&#x017F;chbegangnes La&#x017F;ter nun &#x017F;chon genug abge-<lb/>
bu&#x0364;ßt habe; und nur einige wenige betrachte-<lb/>
ten &#x017F;eine Fe&#x017F;tigkeit &#x017F;elb&#x017F;t als &#x2014; einen Troz,<lb/>
der &#x017F;ein Verbrechen vergro&#x0364;ßre.</p><lb/>
          <p>Zu die&#x017F;er lezternZahl geho&#x0364;rten &#x017F;ehr natu&#x0364;rlich<lb/>
die Erben der Ermordeten. Jene anfa&#x0364;ngliche<lb/>
Hofnung ihr Geraubtes wieder zu erhalten,<lb/>
&#x017F;chwand alta&#x0364;glich mehr und mehr zu&#x017F;ammen.<lb/>
Schon weit &#x2014; weit u&#x0364;ber Jahr und Tag, &#x017F;<lb/>
der Verhaftete. Das bei ihm gefundne Geld<lb/>
fraßen dieGerichtsko&#x017F;ten; zu mehrern bekante er<lb/>
&#x017F;ich nicht. Daß er ho&#x0364;ch&#x017F;tens noch einmal gefol-<lb/>
tert, und wenn er dies u&#x0364;ber&#x017F;tehe, zu zehnja&#x0364;h-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[302/0310] trozze. Gegen den Gequaͤlten wird, ſelbſt wenn wir ihn fuͤr ſchuldig halten, ſo leichtlich unſer Mitleid rege; und geht noch leichter znr Bewunderung uͤber, wenn wir hoͤren, daß ſein heroiſcher Muth ſelbſt in den Qualen ſich nicht beugt! — Bald erblickten nun ei- nige in R. einen Menſchen, dem — doch viel- leicht Unrecht geſchaͤhe; bald ſahen noch meh- rere in ihm einen Ungluͤcklichen, der fuͤr ein raſchbegangnes Laſter nun ſchon genug abge- buͤßt habe; und nur einige wenige betrachte- ten ſeine Feſtigkeit ſelbſt als — einen Troz, der ſein Verbrechen vergroͤßre. Zu dieſer lezternZahl gehoͤrten ſehr natuͤrlich die Erben der Ermordeten. Jene anfaͤngliche Hofnung ihr Geraubtes wieder zu erhalten, ſchwand altaͤglich mehr und mehr zuſammen. Schon weit — weit uͤber Jahr und Tag, ſaß der Verhaftete. Das bei ihm gefundne Geld fraßen dieGerichtskoſten; zu mehrern bekante er ſich nicht. Daß er hoͤchſtens noch einmal gefol- tert, und wenn er dies uͤberſtehe, zu zehnjaͤh-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/310
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/310>, abgerufen am 23.11.2024.