lich gravirt befindet! -- R. bebte allerdings, als er zuerst in die Folterkammer gebracht wurde; aber die Folter selbst stand er mit al- ler nur möglichen, man kan wohl sagen, mehr als männlichen Standhaftigkeit aus. Zwei- mal ward er gemartert; zweimal blieb er auf seiner ersten Aussage.
Welche mannichfache, sich widersprechende Empfindungen und Aeußerungen eine Geschich- te, wie diese war, in N--g erzeugen mußte, läßt sich leicht ermessen. Alle hatten sich an- fangs gewundert, als man die Verhaftung des fast vergeßnen R's erfuhr; alle verab- scheuten gleichsam von neuem seine ehmals be- gangne That; aller Unwillen stieg noch, als R. mit so dreister Unwahrheit -- denn daß seine Ausflucht Unwahrheit sei, zweifelte Nie- mand! -- die Gerechtigkeit zu täuschen suchte. Aber schon spalteten sich die Stimmen, als man hörte, daß er gefoltert werden solle; spalteten sich noch mehr, als man vernahm: mit welcher Entschlossenheit er dieser Folter
lich gravirt befindet! — R. bebte allerdings, als er zuerſt in die Folterkammer gebracht wurde; aber die Folter ſelbſt ſtand er mit al- ler nur moͤglichen, man kan wohl ſagen, mehr als maͤnnlichen Standhaftigkeit aus. Zwei- mal ward er gemartert; zweimal blieb er auf ſeiner erſten Ausſage.
Welche mannichfache, ſich widerſprechende Empfindungen und Aeußerungen eine Geſchich- te, wie dieſe war, in N—g erzeugen mußte, laͤßt ſich leicht ermeſſen. Alle hatten ſich an- fangs gewundert, als man die Verhaftung des faſt vergeßnen R's erfuhr; alle verab- ſcheuten gleichſam von neuem ſeine ehmals be- gangne That; aller Unwillen ſtieg noch, als R. mit ſo dreiſter Unwahrheit — denn daß ſeine Ausflucht Unwahrheit ſei, zweifelte Nie- mand! — die Gerechtigkeit zu taͤuſchen ſuchte. Aber ſchon ſpalteten ſich die Stimmen, als man hoͤrte, daß er gefoltert werden ſolle; ſpalteten ſich noch mehr, als man vernahm: mit welcher Entſchloſſenheit er dieſer Folter
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lich gravirt befindet! — R. bebte allerdings,
als er zuerſt in die Folterkammer gebracht
wurde; aber die Folter ſelbſt ſtand er mit al-
ler nur moͤglichen, man kan wohl ſagen, mehr
als maͤnnlichen Standhaftigkeit aus. Zwei-
mal ward er gemartert; zweimal blieb er auf
ſeiner erſten Ausſage.
Welche mannichfache, ſich widerſprechende
Empfindungen und Aeußerungen eine Geſchich-
te, wie dieſe war, in N—g erzeugen mußte,
laͤßt ſich leicht ermeſſen. Alle hatten ſich an-
fangs gewundert, als man die Verhaftung
des faſt vergeßnen R's erfuhr; alle verab-
ſcheuten gleichſam von neuem ſeine ehmals be-
gangne That; aller Unwillen ſtieg noch, als
R. mit ſo dreiſter Unwahrheit — denn daß
ſeine Ausflucht Unwahrheit ſei, zweifelte Nie-
mand! — die Gerechtigkeit zu taͤuſchen ſuchte.
Aber ſchon ſpalteten ſich die Stimmen, als
man hoͤrte, daß er gefoltert werden ſolle;
ſpalteten ſich noch mehr, als man vernahm:
mit welcher Entſchloſſenheit er dieſer Folter
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/309>, abgerufen am 23.11.2024.
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