nicht nur ihre Zimmerthüre offen, sondern auch sie selbst auf den Boden hingestreckt, in ihrem Blute schwimmend getroffen habe. Jndem er sofort zu ihr hingeeilt, hab' er noch einiges Leben in ihr verspürt, habe sie aufzurichten versucht; hab' ihr zugerufen: Wer dieses gethan? -- Würklich hätte sie noch einmal die Augen aufgeschlagen; mühsam die Worte: Räuber! Mörder! dreie zugleich! herausge- stoßen; aber auch gleich drauf ihren Geist aus- gehaucht. Jezt erst hab' er seine Blicke im Zimmer rund herum gekehrt, und gesehn, daß auch ein Schrank aufgesprengt worden sei. Angstvoll hab' er zu den Nachbarn eilen, und sie um Hülfe, um Nachforschung der Räuber, die hier so gräslich gewirthschaftet, anrufen wollen; doch schon auf der Treppe hab' ihn pfeil- schnell der Gedanke ergriffen: Gott, wenn du selbst für ihren Mörder göltest! Ein Blick auf sich selbst habe diese Besorgniß verstärkt. Hier und da sei sein Gewand mit Blut befleckt gewesen. Sehr natürlich bei der Mühe, die
nicht nur ihre Zimmerthuͤre offen, ſondern auch ſie ſelbſt auf den Boden hingeſtreckt, in ihrem Blute ſchwimmend getroffen habe. Jndem er ſofort zu ihr hingeeilt, hab' er noch einiges Leben in ihr verſpuͤrt, habe ſie aufzurichten verſucht; hab' ihr zugerufen: Wer dieſes gethan? — Wuͤrklich haͤtte ſie noch einmal die Augen aufgeſchlagen; muͤhſam die Worte: Raͤuber! Moͤrder! dreie zugleich! herausge- ſtoßen; aber auch gleich drauf ihren Geiſt aus- gehaucht. Jezt erſt hab' er ſeine Blicke im Zimmer rund herum gekehrt, und geſehn, daß auch ein Schrank aufgeſprengt worden ſei. Angſtvoll hab' er zu den Nachbarn eilen, und ſie um Huͤlfe, um Nachforſchung der Raͤuber, die hier ſo graͤslich gewirthſchaftet, anrufen wollen; doch ſchon auf der Treppe hab' ihn pfeil- ſchnell der Gedanke ergriffen: Gott, wenn du ſelbſt fuͤr ihren Moͤrder goͤlteſt! Ein Blick auf ſich ſelbſt habe dieſe Beſorgniß verſtaͤrkt. Hier und da ſei ſein Gewand mit Blut befleckt geweſen. Sehr natuͤrlich bei der Muͤhe, die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0304"n="296"/>
nicht nur ihre Zimmerthuͤre offen, ſondern auch<lb/>ſie ſelbſt auf den Boden hingeſtreckt, in ihrem<lb/>
Blute ſchwimmend getroffen habe. Jndem er<lb/>ſofort zu ihr hingeeilt, hab' er noch einiges<lb/>
Leben in ihr verſpuͤrt, habe ſie aufzurichten<lb/>
verſucht; hab' ihr zugerufen: Wer dieſes<lb/>
gethan? — Wuͤrklich haͤtte ſie noch einmal<lb/>
die Augen aufgeſchlagen; muͤhſam die Worte:<lb/>
Raͤuber! Moͤrder! dreie zugleich! herausge-<lb/>ſtoßen; aber auch gleich drauf ihren Geiſt aus-<lb/>
gehaucht. Jezt erſt hab' er ſeine Blicke im<lb/>
Zimmer rund herum gekehrt, und geſehn, daß<lb/>
auch ein Schrank aufgeſprengt worden ſei.<lb/>
Angſtvoll hab' er zu den Nachbarn eilen, und<lb/>ſie um Huͤlfe, um Nachforſchung der Raͤuber,<lb/>
die hier ſo graͤslich gewirthſchaftet, anrufen<lb/>
wollen; doch ſchon auf der Treppe hab' ihn pfeil-<lb/>ſchnell der Gedanke ergriffen: Gott, wenn du<lb/>ſelbſt fuͤr ihren Moͤrder goͤlteſt! Ein Blick<lb/>
auf ſich ſelbſt habe dieſe Beſorgniß verſtaͤrkt.<lb/>
Hier und da ſei ſein Gewand mit Blut befleckt<lb/>
geweſen. Sehr natuͤrlich bei der Muͤhe, die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[296/0304]
nicht nur ihre Zimmerthuͤre offen, ſondern auch
ſie ſelbſt auf den Boden hingeſtreckt, in ihrem
Blute ſchwimmend getroffen habe. Jndem er
ſofort zu ihr hingeeilt, hab' er noch einiges
Leben in ihr verſpuͤrt, habe ſie aufzurichten
verſucht; hab' ihr zugerufen: Wer dieſes
gethan? — Wuͤrklich haͤtte ſie noch einmal
die Augen aufgeſchlagen; muͤhſam die Worte:
Raͤuber! Moͤrder! dreie zugleich! herausge-
ſtoßen; aber auch gleich drauf ihren Geiſt aus-
gehaucht. Jezt erſt hab' er ſeine Blicke im
Zimmer rund herum gekehrt, und geſehn, daß
auch ein Schrank aufgeſprengt worden ſei.
Angſtvoll hab' er zu den Nachbarn eilen, und
ſie um Huͤlfe, um Nachforſchung der Raͤuber,
die hier ſo graͤslich gewirthſchaftet, anrufen
wollen; doch ſchon auf der Treppe hab' ihn pfeil-
ſchnell der Gedanke ergriffen: Gott, wenn du
ſelbſt fuͤr ihren Moͤrder goͤlteſt! Ein Blick
auf ſich ſelbſt habe dieſe Beſorgniß verſtaͤrkt.
Hier und da ſei ſein Gewand mit Blut befleckt
geweſen. Sehr natuͤrlich bei der Muͤhe, die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/304>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.