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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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"Teutschland zu erscheinen, nach jener gräs-
"lichen That, die du zu N--g verübtest?" --
"Jch bin verrathen! Gott!" rief R. und sank
bewußtlos zu Boden. Als er wieder zu sich
kam, befand er sich schon in den Händen der
Gerichte. Daß er derjenige sei, den Siebald
genannt habe; daß der Name Lehmann ein
erdichteter sei; daß er eines Mordes halber
die Flucht ergriffen habe; alles das gestand
er noch diesen Abend. -- Der Jammer seiner
jungen Frau, die anfangs nicht begrif, was
dies bedeute; dann nicht glauben wolte, was
man ihr sagte; endlich, als sie es glauben
mußte, die bittersten Vorwürfe nicht ihm, son-
dern sich selbst zuerst machte, übersteigt jede
Beschreibung.

Gerichtliche Anzeigen von dieser Verhaftung
und dem Geständnis des Verhafteten ergin-
gen sofort nach N--g und nach Elsas. Das
Erstaunen hier und dort war gleich groß;
von beiden Seiten verlangte man seine Aus-
lieferung; von N--gischer Seite im Ernste,

Q 3

„Teutſchland zu erſcheinen, nach jener graͤs-
„lichen That, die du zu N—g veruͤbteſt?“ —
„Jch bin verrathen! Gott!“ rief R. und ſank
bewußtlos zu Boden. Als er wieder zu ſich
kam, befand er ſich ſchon in den Haͤnden der
Gerichte. Daß er derjenige ſei, den Siebald
genannt habe; daß der Name Lehmann ein
erdichteter ſei; daß er eines Mordes halber
die Flucht ergriffen habe; alles das geſtand
er noch dieſen Abend. — Der Jammer ſeiner
jungen Frau, die anfangs nicht begrif, was
dies bedeute; dann nicht glauben wolte, was
man ihr ſagte; endlich, als ſie es glauben
mußte, die bitterſten Vorwuͤrfe nicht ihm, ſon-
dern ſich ſelbſt zuerſt machte, uͤberſteigt jede
Beſchreibung.

Gerichtliche Anzeigen von dieſer Verhaftung
und dem Geſtaͤndnis des Verhafteten ergin-
gen ſofort nach N—g und nach Elſas. Das
Erſtaunen hier und dort war gleich groß;
von beiden Seiten verlangte man ſeine Aus-
lieferung; von N—giſcher Seite im Ernſte,

Q 3
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[293/0301] „Teutſchland zu erſcheinen, nach jener graͤs- „lichen That, die du zu N—g veruͤbteſt?“ — „Jch bin verrathen! Gott!“ rief R. und ſank bewußtlos zu Boden. Als er wieder zu ſich kam, befand er ſich ſchon in den Haͤnden der Gerichte. Daß er derjenige ſei, den Siebald genannt habe; daß der Name Lehmann ein erdichteter ſei; daß er eines Mordes halber die Flucht ergriffen habe; alles das geſtand er noch dieſen Abend. — Der Jammer ſeiner jungen Frau, die anfangs nicht begrif, was dies bedeute; dann nicht glauben wolte, was man ihr ſagte; endlich, als ſie es glauben mußte, die bitterſten Vorwuͤrfe nicht ihm, ſon- dern ſich ſelbſt zuerſt machte, uͤberſteigt jede Beſchreibung. Gerichtliche Anzeigen von dieſer Verhaftung und dem Geſtaͤndnis des Verhafteten ergin- gen ſofort nach N—g und nach Elſas. Das Erſtaunen hier und dort war gleich groß; von beiden Seiten verlangte man ſeine Aus- lieferung; von N—giſcher Seite im Ernſte, Q 3

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/301>, abgerufen am 17.05.2024.