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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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"von funfzig Jahren und jährlich am Tage
"des Mords mit fünf und zwanzig Streichen
"zu belegen wären;" als plözlich einer von
ihnen die Frage aufwarf: ob denn würklich
beide Verbrecher ganz gleich schuldig, und also
auch ganz gleich zu züchtigen wären? Die Mei-
nungen theilten sich jezt. -- "So**r," sagten
einige, "ist der Schuldigere. Er ist der eigent-
"liche Mörder. Ohne ihn wäre die That wahr-
"scheinlich nie geschehn. Der feige Zen** hät-
"te sein Weib gehaßt, sich vielleicht von ihr
"getrennt; und nichts weiter. Er sagt selbst,
"daß er nie Hand an sie gelegt haben würde.
"So**r, durch Geld erkauft, mordete hinge-
"gen; und ist am strafbarsten." --

"Mit nichten! entgegneten andere: Zen** ist
"es! Er ist zwar nur Mordbesteller. Aber ohne
"ihn wäre So**rn die ganze That nicht einge-
"fallen. Ohne seine vielfältigen Anreizungen,
"ohne seine Erkaufung und Zudringlichkeit,
"wäre jener der rechtschafne Kerl geblieben, der
"er war, bis dieser verführerische Bösewicht

„von funfzig Jahren und jaͤhrlich am Tage
„des Mords mit fuͤnf und zwanzig Streichen
„zu belegen waͤren;“ als ploͤzlich einer von
ihnen die Frage aufwarf: ob denn wuͤrklich
beide Verbrecher ganz gleich ſchuldig, und alſo
auch ganz gleich zu zuͤchtigen waͤren? Die Mei-
nungen theilten ſich jezt. — „So**r,“ ſagten
einige, „iſt der Schuldigere. Er iſt der eigent-
„liche Moͤrder. Ohne ihn waͤre die That wahr-
„ſcheinlich nie geſchehn. Der feige Zen** haͤt-
„te ſein Weib gehaßt, ſich vielleicht von ihr
„getrennt; und nichts weiter. Er ſagt ſelbſt,
„daß er nie Hand an ſie gelegt haben wuͤrde.
„So**r, durch Geld erkauft, mordete hinge-
„gen; und iſt am ſtrafbarſten.“ —

„Mit nichten! entgegneten andere: Zen** iſt
„es! Er iſt zwar nur Mordbeſteller. Aber ohne
„ihn waͤre So**rn die ganze That nicht einge-
„fallen. Ohne ſeine vielfaͤltigen Anreizungen,
„ohne ſeine Erkaufung und Zudringlichkeit,
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„er war, bis dieſer verfuͤhreriſche Boͤſewicht

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[234/0242] „von funfzig Jahren und jaͤhrlich am Tage „des Mords mit fuͤnf und zwanzig Streichen „zu belegen waͤren;“ als ploͤzlich einer von ihnen die Frage aufwarf: ob denn wuͤrklich beide Verbrecher ganz gleich ſchuldig, und alſo auch ganz gleich zu zuͤchtigen waͤren? Die Mei- nungen theilten ſich jezt. — „So**r,“ ſagten einige, „iſt der Schuldigere. Er iſt der eigent- „liche Moͤrder. Ohne ihn waͤre die That wahr- „ſcheinlich nie geſchehn. Der feige Zen** haͤt- „te ſein Weib gehaßt, ſich vielleicht von ihr „getrennt; und nichts weiter. Er ſagt ſelbſt, „daß er nie Hand an ſie gelegt haben wuͤrde. „So**r, durch Geld erkauft, mordete hinge- „gen; und iſt am ſtrafbarſten.“ — „Mit nichten! entgegneten andere: Zen** iſt „es! Er iſt zwar nur Mordbeſteller. Aber ohne „ihn waͤre So**rn die ganze That nicht einge- „fallen. Ohne ſeine vielfaͤltigen Anreizungen, „ohne ſeine Erkaufung und Zudringlichkeit, „waͤre jener der rechtſchafne Kerl geblieben, der „er war, bis dieſer verfuͤhreriſche Boͤſewicht

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/242>, abgerufen am 02.05.2024.