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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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Denn so oft er sich unter Scharfrichters Hän-
den befand, gestand er aus Schmerz alles,
was man fragte, und was man wollte. Ließ
man mit Quälen nach, so widerrief er als-
bald, und verhalf sich durch diesen Widerruf
-- nur zu erneuerter, verstärkter Quaal. Sein
öfteres Ableugnen galt für bloße Bosheit;
Beihülfe zu einer Räuberei war er doch ein-
mal geständig; auf die Richtigkeit der übri-
gen erbot sich sein Mitgenosse zu sterben. Daß
eine Privatfeindschaft zwischen ihnen geherrscht
habe, konnte man aus nichts abnehmen. Dies
waren für die Urtheilsverfasser Gründe ge-
nug, um auf den Tod zu sprechen. Sie er-
kannten für den Hundssattler das Rad, für
den Weber den Strang. Als der kleinere Ver-
brecher sollte dieser leztere eine Todesangst
minder leiden, und zuerst an Galgen kommen.

Als den beiden Gefangenen dieser Ausspruch
eröfnet ward, lächelte der Hundssattler verächt-
lich, und der Weber rang voll Jammer die
Hände. Die Liebe zum Leben, mehr noch der

L 4

Denn ſo oft er ſich unter Scharfrichters Haͤn-
den befand, geſtand er aus Schmerz alles,
was man fragte, und was man wollte. Ließ
man mit Quaͤlen nach, ſo widerrief er als-
bald, und verhalf ſich durch dieſen Widerruf
— nur zu erneuerter, verſtaͤrkter Quaal. Sein
oͤfteres Ableugnen galt fuͤr bloße Bosheit;
Beihuͤlfe zu einer Raͤuberei war er doch ein-
mal geſtaͤndig; auf die Richtigkeit der uͤbri-
gen erbot ſich ſein Mitgenoſſe zu ſterben. Daß
eine Privatfeindſchaft zwiſchen ihnen geherrſcht
habe, konnte man aus nichts abnehmen. Dies
waren fuͤr die Urtheilsverfaſſer Gruͤnde ge-
nug, um auf den Tod zu ſprechen. Sie er-
kannten fuͤr den Hundsſattler das Rad, fuͤr
den Weber den Strang. Als der kleinere Ver-
brecher ſollte dieſer leztere eine Todesangſt
minder leiden, und zuerſt an Galgen kommen.

Als den beiden Gefangenen dieſer Ausſpruch
eroͤfnet ward, laͤchelte der Hundsſattler veraͤcht-
lich, und der Weber rang voll Jammer die
Haͤnde. Die Liebe zum Leben, mehr noch der

L 4
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[167/0175] Denn ſo oft er ſich unter Scharfrichters Haͤn- den befand, geſtand er aus Schmerz alles, was man fragte, und was man wollte. Ließ man mit Quaͤlen nach, ſo widerrief er als- bald, und verhalf ſich durch dieſen Widerruf — nur zu erneuerter, verſtaͤrkter Quaal. Sein oͤfteres Ableugnen galt fuͤr bloße Bosheit; Beihuͤlfe zu einer Raͤuberei war er doch ein- mal geſtaͤndig; auf die Richtigkeit der uͤbri- gen erbot ſich ſein Mitgenoſſe zu ſterben. Daß eine Privatfeindſchaft zwiſchen ihnen geherrſcht habe, konnte man aus nichts abnehmen. Dies waren fuͤr die Urtheilsverfaſſer Gruͤnde ge- nug, um auf den Tod zu ſprechen. Sie er- kannten fuͤr den Hundsſattler das Rad, fuͤr den Weber den Strang. Als der kleinere Ver- brecher ſollte dieſer leztere eine Todesangſt minder leiden, und zuerſt an Galgen kommen. Als den beiden Gefangenen dieſer Ausſpruch eroͤfnet ward, laͤchelte der Hundsſattler veraͤcht- lich, und der Weber rang voll Jammer die Haͤnde. Die Liebe zum Leben, mehr noch der L 4

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/175>, abgerufen am 03.05.2024.