Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.be gedrückt, das ihr so männlich schön ge- Jm Dunkel der tiefen Nacht, allein, ohne J
be gedruͤckt, das ihr ſo maͤnnlich ſchoͤn ge- Jm Dunkel der tiefen Nacht, allein, ohne J
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be gedruͤckt, das ihr ſo maͤnnlich ſchoͤn ge-
ſchienen hatte! Dieſe wahrſcheinlich fuͤr
Manche ſehr ſchwaͤrmeriſch klingende Empfin-
dung mußte doch ganz die wahre Empfindung
dieſer ungluͤcklichen Baͤuerin geweſen ſeyn;
denn wie ließe ſich ſonſt die ſonderbare That
erklaͤren, zu der ſie ſich erkuͤhnte.
Jm Dunkel der tiefen Nacht, allein, ohne
Leuchte, ohne Gefaͤhrten, ſtiehlt ſie ſich leiſe
aus ihrem Bette und aus dem vaͤterlichen
Hauſe; laͤuft weit, weit hinweg bis zur Ge-
richtsſtaͤtte. Keine rauhe Witterung haͤlt die
Halbnackende ab; keine Furcht vor dem ſchau-
dervollen Orte — Leuten von ihrer Erzie-
hung doppelt graͤßlich! — erſchreckt ſie;
ſelbſt das Unmoͤglichſcheinende wird ihr moͤg-
lich. Sie klettert an der bloßen Stange em-
por, koͤmmt bis ans Rad, bis an deſſen Spin-
del; und verhuͤlt mit einem weiſſen Tuche das
Haupt ihres ehmaligen Gatten; dann kehrt
ſie wieder zuruͤck in ihre Wohnung.
J
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Zitationshilfe: | Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/137>, abgerufen am 07.07.2024. |