Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Du wirst als Opfer deines tollen Kopfes fallen, lispelte der Müller schmerzlich. Vor der Hand fürchte ich mich noch nicht, erwiderte Wendelin. Wir haben die Brücke abgebrochen und sind nun auf unserer Insel so sicher, wie in einer Festung. Schwer dürfte es ihnen fallen, wenn sie uns aushungern wollten. Vorräthe sind genug da: Korn Bier, Vieh in den Ställen. Wir könnten uns selbst ohne Zufuhr vom Lande Monate lang halten. Meint Ihr, daß sie eine Belagerung beginnen, die ihnen manchen Mann kosten dürfte? Die Mühlknappen vom Höft sind bewaffnet und gute Schützen. Ich stehe dafür, sie bieten uns Kapitulation an. Der Müller, vom Blutverlust erschöpft, gab keine Antwort. Er war von der Größe der Kluft, die sich vor ihm aufthat, ganz erschreckt. Die Thür ging auf, der Bader, den man aus dem nächsten Dorfe geholt und im Kahne herübergeführt hatte, war da. Er hatte seine Instrumente mitgebracht und untersuchte die Wunde. Eine Kugel stak im Schulterknochen, hatte aber zum Glück die großen Gefäße im Achselbug nicht getroffen. Das Blei wurde herausgezogen, und nachdem der Verband angelegt worden, ließ man den Müller allein. Bald sank er in einen tiefen Schlaf, erschöpft von Schmerz, Gemüthspein und Blutverlust. Inzwischen war es nur allzu gewiß, daß die Mühle am Höft nicht lange in diesem Zustande der Du wirst als Opfer deines tollen Kopfes fallen, lispelte der Müller schmerzlich. Vor der Hand fürchte ich mich noch nicht, erwiderte Wendelin. Wir haben die Brücke abgebrochen und sind nun auf unserer Insel so sicher, wie in einer Festung. Schwer dürfte es ihnen fallen, wenn sie uns aushungern wollten. Vorräthe sind genug da: Korn Bier, Vieh in den Ställen. Wir könnten uns selbst ohne Zufuhr vom Lande Monate lang halten. Meint Ihr, daß sie eine Belagerung beginnen, die ihnen manchen Mann kosten dürfte? Die Mühlknappen vom Höft sind bewaffnet und gute Schützen. Ich stehe dafür, sie bieten uns Kapitulation an. Der Müller, vom Blutverlust erschöpft, gab keine Antwort. Er war von der Größe der Kluft, die sich vor ihm aufthat, ganz erschreckt. Die Thür ging auf, der Bader, den man aus dem nächsten Dorfe geholt und im Kahne herübergeführt hatte, war da. Er hatte seine Instrumente mitgebracht und untersuchte die Wunde. Eine Kugel stak im Schulterknochen, hatte aber zum Glück die großen Gefäße im Achselbug nicht getroffen. Das Blei wurde herausgezogen, und nachdem der Verband angelegt worden, ließ man den Müller allein. Bald sank er in einen tiefen Schlaf, erschöpft von Schmerz, Gemüthspein und Blutverlust. Inzwischen war es nur allzu gewiß, daß die Mühle am Höft nicht lange in diesem Zustande der <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="10"> <pb facs="#f0066"/> <p>Du wirst als Opfer deines tollen Kopfes fallen, lispelte der Müller schmerzlich.</p><lb/> <p>Vor der Hand fürchte ich mich noch nicht, erwiderte Wendelin. Wir haben die Brücke abgebrochen und sind nun auf unserer Insel so sicher, wie in einer Festung. Schwer dürfte es ihnen fallen, wenn sie uns aushungern wollten. Vorräthe sind genug da: Korn Bier, Vieh in den Ställen. Wir könnten uns selbst ohne Zufuhr vom Lande Monate lang halten. Meint Ihr, daß sie eine Belagerung beginnen, die ihnen manchen Mann kosten dürfte? Die Mühlknappen vom Höft sind bewaffnet und gute Schützen. Ich stehe dafür, sie bieten uns Kapitulation an.</p><lb/> <p>Der Müller, vom Blutverlust erschöpft, gab keine Antwort. Er war von der Größe der Kluft, die sich vor ihm aufthat, ganz erschreckt.</p><lb/> <p>Die Thür ging auf, der Bader, den man aus dem nächsten Dorfe geholt und im Kahne herübergeführt hatte, war da. Er hatte seine Instrumente mitgebracht und untersuchte die Wunde. Eine Kugel stak im Schulterknochen, hatte aber zum Glück die großen Gefäße im Achselbug nicht getroffen. Das Blei wurde herausgezogen, und nachdem der Verband angelegt worden, ließ man den Müller allein. Bald sank er in einen tiefen Schlaf, erschöpft von Schmerz, Gemüthspein und Blutverlust.</p><lb/> <p>Inzwischen war es nur allzu gewiß, daß die Mühle am Höft nicht lange in diesem Zustande der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0066]
Du wirst als Opfer deines tollen Kopfes fallen, lispelte der Müller schmerzlich.
Vor der Hand fürchte ich mich noch nicht, erwiderte Wendelin. Wir haben die Brücke abgebrochen und sind nun auf unserer Insel so sicher, wie in einer Festung. Schwer dürfte es ihnen fallen, wenn sie uns aushungern wollten. Vorräthe sind genug da: Korn Bier, Vieh in den Ställen. Wir könnten uns selbst ohne Zufuhr vom Lande Monate lang halten. Meint Ihr, daß sie eine Belagerung beginnen, die ihnen manchen Mann kosten dürfte? Die Mühlknappen vom Höft sind bewaffnet und gute Schützen. Ich stehe dafür, sie bieten uns Kapitulation an.
Der Müller, vom Blutverlust erschöpft, gab keine Antwort. Er war von der Größe der Kluft, die sich vor ihm aufthat, ganz erschreckt.
Die Thür ging auf, der Bader, den man aus dem nächsten Dorfe geholt und im Kahne herübergeführt hatte, war da. Er hatte seine Instrumente mitgebracht und untersuchte die Wunde. Eine Kugel stak im Schulterknochen, hatte aber zum Glück die großen Gefäße im Achselbug nicht getroffen. Das Blei wurde herausgezogen, und nachdem der Verband angelegt worden, ließ man den Müller allein. Bald sank er in einen tiefen Schlaf, erschöpft von Schmerz, Gemüthspein und Blutverlust.
Inzwischen war es nur allzu gewiß, daß die Mühle am Höft nicht lange in diesem Zustande der
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Zitationshilfe: | Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/66>, abgerufen am 22.07.2024. |