Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.X. Als der Müller aus seiner tiefen Ohnmacht erwachte, sah er sich wieder in seiner Mühle. Es war Nacht, das Wasser rauschte, eine Lampe brannte unfern, er lag ausgekleidet im Bette und hatte ein nasses Tuch auf der Brust. Zu seinen Füßen saß Wendelin. Nun erst spürte der Müller einen stechenden Schmerz in der Schultergegend, und dieser Schmerz rief ihm alles soeben Erlebte ins Gedächtniß. Er richtete sich ein wenig auf, wodurch Wendelin aufmerksam wurde, und sagte zu diesem im Tone milden Vorwurfs : Was hast du gethan! Was ich jetzt wieder thäte, wenn es noch zu thun wäre, erwiderte Wendelin. Wart Ihr nicht dem Tode geweiht? Sollte ich Euch in den Tod führen lassen? Du hast die Obrigkeit angetastet! Mag sein! rief Wendelin. Eine Obrigkeit, die an Euch schon so Unmenschliches vollbracht und noch Aergeres vollbringen wollte, mag zum Teufel fahren! Und du glaubst, Narr, ihr auf die Länge Trotz bieten zu können? fragte der Müller mit schwacher, beinahe verlöschender Stimme. Warum nicht? rief Wendelin. Werdet nur heil und gesund, theurer Meister, dann sollen sie uns nicht einschüchtern, dann soll noch Alles gut gehen! Doch sprecht kein Wort, das bekommt Euch nicht gut -- der Arzt wird gleich da sein! X. Als der Müller aus seiner tiefen Ohnmacht erwachte, sah er sich wieder in seiner Mühle. Es war Nacht, das Wasser rauschte, eine Lampe brannte unfern, er lag ausgekleidet im Bette und hatte ein nasses Tuch auf der Brust. Zu seinen Füßen saß Wendelin. Nun erst spürte der Müller einen stechenden Schmerz in der Schultergegend, und dieser Schmerz rief ihm alles soeben Erlebte ins Gedächtniß. Er richtete sich ein wenig auf, wodurch Wendelin aufmerksam wurde, und sagte zu diesem im Tone milden Vorwurfs : Was hast du gethan! Was ich jetzt wieder thäte, wenn es noch zu thun wäre, erwiderte Wendelin. Wart Ihr nicht dem Tode geweiht? Sollte ich Euch in den Tod führen lassen? Du hast die Obrigkeit angetastet! Mag sein! rief Wendelin. Eine Obrigkeit, die an Euch schon so Unmenschliches vollbracht und noch Aergeres vollbringen wollte, mag zum Teufel fahren! Und du glaubst, Narr, ihr auf die Länge Trotz bieten zu können? fragte der Müller mit schwacher, beinahe verlöschender Stimme. Warum nicht? rief Wendelin. Werdet nur heil und gesund, theurer Meister, dann sollen sie uns nicht einschüchtern, dann soll noch Alles gut gehen! Doch sprecht kein Wort, das bekommt Euch nicht gut — der Arzt wird gleich da sein! <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0065"/> <div type="chapter" n="10"> <head>X.</head> <p>Als der Müller aus seiner tiefen Ohnmacht erwachte, sah er sich wieder in seiner Mühle. Es war Nacht, das Wasser rauschte, eine Lampe brannte unfern, er lag ausgekleidet im Bette und hatte ein nasses Tuch auf der Brust. Zu seinen Füßen saß Wendelin.</p><lb/> <p>Nun erst spürte der Müller einen stechenden Schmerz in der Schultergegend, und dieser Schmerz rief ihm alles soeben Erlebte ins Gedächtniß. Er richtete sich ein wenig auf, wodurch Wendelin aufmerksam wurde, und sagte zu diesem im Tone milden Vorwurfs :</p><lb/> <p>Was hast du gethan!</p><lb/> <p>Was ich jetzt wieder thäte, wenn es noch zu thun wäre, erwiderte Wendelin. Wart Ihr nicht dem Tode geweiht? Sollte ich Euch in den Tod führen lassen?</p><lb/> <p>Du hast die Obrigkeit angetastet!</p><lb/> <p>Mag sein! rief Wendelin. Eine Obrigkeit, die an Euch schon so Unmenschliches vollbracht und noch Aergeres vollbringen wollte, mag zum Teufel fahren! Und du glaubst, Narr, ihr auf die Länge Trotz bieten zu können? fragte der Müller mit schwacher, beinahe verlöschender Stimme.</p><lb/> <p>Warum nicht? rief Wendelin. Werdet nur heil und gesund, theurer Meister, dann sollen sie uns nicht einschüchtern, dann soll noch Alles gut gehen! Doch sprecht kein Wort, das bekommt Euch nicht gut — der Arzt wird gleich da sein! </p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0065]
X. Als der Müller aus seiner tiefen Ohnmacht erwachte, sah er sich wieder in seiner Mühle. Es war Nacht, das Wasser rauschte, eine Lampe brannte unfern, er lag ausgekleidet im Bette und hatte ein nasses Tuch auf der Brust. Zu seinen Füßen saß Wendelin.
Nun erst spürte der Müller einen stechenden Schmerz in der Schultergegend, und dieser Schmerz rief ihm alles soeben Erlebte ins Gedächtniß. Er richtete sich ein wenig auf, wodurch Wendelin aufmerksam wurde, und sagte zu diesem im Tone milden Vorwurfs :
Was hast du gethan!
Was ich jetzt wieder thäte, wenn es noch zu thun wäre, erwiderte Wendelin. Wart Ihr nicht dem Tode geweiht? Sollte ich Euch in den Tod führen lassen?
Du hast die Obrigkeit angetastet!
Mag sein! rief Wendelin. Eine Obrigkeit, die an Euch schon so Unmenschliches vollbracht und noch Aergeres vollbringen wollte, mag zum Teufel fahren! Und du glaubst, Narr, ihr auf die Länge Trotz bieten zu können? fragte der Müller mit schwacher, beinahe verlöschender Stimme.
Warum nicht? rief Wendelin. Werdet nur heil und gesund, theurer Meister, dann sollen sie uns nicht einschüchtern, dann soll noch Alles gut gehen! Doch sprecht kein Wort, das bekommt Euch nicht gut — der Arzt wird gleich da sein!
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Zitationshilfe: | Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/65>, abgerufen am 22.07.2024. |