Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Er hatte mit diesem Worte die Lacher auf seiner Seite. II. Als der Müller Reinbacher das Wirthshaus zum silbernen Hirsch verließ und in seinem Wagen davon fuhr -- es war eine stattliche, himmelblau angestrichene Kalesche, und zwei zwölf Faust hohe, stämmige, wohlgenährte Müllerpferde waren davorgespannt -- dunkelte der Abend bereits. Schwere, an den Rändern noch vom Widerschein der Sonne tiefroth funkelnde Wolken lagerten im Westen, und der diesen Gegenden eigene rathselhafte Haarrauch zeigte sich in den tieferen Gründen und legte sich beklemmend, fast erstickend auf die Brust. Alles war still. Nur zu Zeiten ließ sich von fern das heisere Geschrei des Wachtelkönigs vernehmen, der in einem Saatfelde hin und herlief. Schweigend fuhren Herr und Knecht durch eine eintönig ebene, fast düstere Landschaft. Am Ende des Gesichtskreises lief ein langer Höhenzug hin, baumlos und kahl, aus unfruchtbarem Sandsteingeröll bestehend, öde, wie Golgatha. Auf einem der Gipfel desselben war der Richtplatz. Mit jedem Schritte kam der Wagen diesem Punkte näher. Er hatte mit diesem Worte die Lacher auf seiner Seite. II. Als der Müller Reinbacher das Wirthshaus zum silbernen Hirsch verließ und in seinem Wagen davon fuhr — es war eine stattliche, himmelblau angestrichene Kalesche, und zwei zwölf Faust hohe, stämmige, wohlgenährte Müllerpferde waren davorgespannt — dunkelte der Abend bereits. Schwere, an den Rändern noch vom Widerschein der Sonne tiefroth funkelnde Wolken lagerten im Westen, und der diesen Gegenden eigene rathselhafte Haarrauch zeigte sich in den tieferen Gründen und legte sich beklemmend, fast erstickend auf die Brust. Alles war still. Nur zu Zeiten ließ sich von fern das heisere Geschrei des Wachtelkönigs vernehmen, der in einem Saatfelde hin und herlief. Schweigend fuhren Herr und Knecht durch eine eintönig ebene, fast düstere Landschaft. Am Ende des Gesichtskreises lief ein langer Höhenzug hin, baumlos und kahl, aus unfruchtbarem Sandsteingeröll bestehend, öde, wie Golgatha. Auf einem der Gipfel desselben war der Richtplatz. Mit jedem Schritte kam der Wagen diesem Punkte näher. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <pb facs="#f0017"/> <p>Er hatte mit diesem Worte die Lacher auf seiner Seite.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="2"> <head>II.</head> <p>Als der Müller Reinbacher das Wirthshaus zum silbernen Hirsch verließ und in seinem Wagen davon fuhr — es war eine stattliche, himmelblau angestrichene Kalesche, und zwei zwölf Faust hohe, stämmige, wohlgenährte Müllerpferde waren davorgespannt — dunkelte der Abend bereits. Schwere, an den Rändern noch vom Widerschein der Sonne tiefroth funkelnde Wolken lagerten im Westen, und der diesen Gegenden eigene rathselhafte Haarrauch zeigte sich in den tieferen Gründen und legte sich beklemmend, fast erstickend auf die Brust. Alles war still. Nur zu Zeiten ließ sich von fern das heisere Geschrei des Wachtelkönigs vernehmen, der in einem Saatfelde hin und herlief. Schweigend fuhren Herr und Knecht durch eine eintönig ebene, fast düstere Landschaft. Am Ende des Gesichtskreises lief ein langer Höhenzug hin, baumlos und kahl, aus unfruchtbarem Sandsteingeröll bestehend, öde, wie Golgatha. Auf einem der Gipfel desselben war der Richtplatz.</p><lb/> <p>Mit jedem Schritte kam der Wagen diesem Punkte näher.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
Er hatte mit diesem Worte die Lacher auf seiner Seite.
II. Als der Müller Reinbacher das Wirthshaus zum silbernen Hirsch verließ und in seinem Wagen davon fuhr — es war eine stattliche, himmelblau angestrichene Kalesche, und zwei zwölf Faust hohe, stämmige, wohlgenährte Müllerpferde waren davorgespannt — dunkelte der Abend bereits. Schwere, an den Rändern noch vom Widerschein der Sonne tiefroth funkelnde Wolken lagerten im Westen, und der diesen Gegenden eigene rathselhafte Haarrauch zeigte sich in den tieferen Gründen und legte sich beklemmend, fast erstickend auf die Brust. Alles war still. Nur zu Zeiten ließ sich von fern das heisere Geschrei des Wachtelkönigs vernehmen, der in einem Saatfelde hin und herlief. Schweigend fuhren Herr und Knecht durch eine eintönig ebene, fast düstere Landschaft. Am Ende des Gesichtskreises lief ein langer Höhenzug hin, baumlos und kahl, aus unfruchtbarem Sandsteingeröll bestehend, öde, wie Golgatha. Auf einem der Gipfel desselben war der Richtplatz.
Mit jedem Schritte kam der Wagen diesem Punkte näher.
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Zitationshilfe: | Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_hoeft_1910/17>, abgerufen am 16.07.2024. |