Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

zur Tochter. Will ihr nach meiner Weiß einen Kuß zum
Willkommen geben, da wehret sie sich, und thut einen
Schrei, als wär ich ein junger Fant, der sie überschli¬
chen, so ich doch wohl doppelt ihr Vater sein könnte.
Als ich hierauf schwiege, hüb er an fortzufahren, daß
er sie habe zuversichtlich machen wollen, massen er sie,
wie ich wüßte in seinen Dienst begehrete und was er sonst
fürbrachte und ich vergessen hab. Nöthigte ihn darauf
in die Stube, dieweil er immer meine von Gott gesetzte
Obrigkeit ware, und fragte demüthiglich: was Se. Ge¬
strengen von mir wöllen? worauf er freundlich zur Ant¬
wort gab: daß er wohl billig mir zürnen möchte, an¬
gesehen ich ihn vor der ganzen Gemeine abgekanzelt, sol¬
ches aber nit thun, sondern die Klageschrift contra me
(gegen mich) so er schon gen Stettin an Se. fürstliche
Gnaden geschicket und mir leicht den Dienst kosten könnte,
wiederkommen lassen wölle, so ich seinen Willen thät. Und
als ich fragete: was Sr. Gestrengen Willen wär, auch
mich von wegen der Predigt soviel entschuldiget, als ich
konnte, gab er zur Antwort: daß er sehr benöthiget sei
um eine treue Ausgebersche, so er dem andern Frauens¬
volk fürsetzen könnte, und da er in Erfahrung gezogen,
daß mein Töchterlein eine treue und wackere Person sei,
möcht ich sie ihme in den Dienst geben. Siehe, sprach
er zu ihr und zwackete sie in die Backen, so will ich
dich zu Ehren bringen obwohl du ein so junges Blut
bist, und doch schreistu, als wöllt ich dir zu Unehren ver¬
helfen. Fu schäme dich! (Mein Töchterlein weiß dieses

zur Tochter. Will ihr nach meiner Weiß einen Kuß zum
Willkommen geben, da wehret ſie ſich, und thut einen
Schrei, als wär ich ein junger Fant, der ſie überſchli¬
chen, ſo ich doch wohl doppelt ihr Vater ſein könnte.
Als ich hierauf ſchwiege, hüb er an fortzufahren, daß
er ſie habe zuverſichtlich machen wollen, maſſen er ſie,
wie ich wüßte in ſeinen Dienſt begehrete und was er ſonſt
fürbrachte und ich vergeſſen hab. Nöthigte ihn darauf
in die Stube, dieweil er immer meine von Gott geſetzte
Obrigkeit ware, und fragte demüthiglich: was Se. Ge¬
ſtrengen von mir wöllen? worauf er freundlich zur Ant¬
wort gab: daß er wohl billig mir zürnen möchte, an¬
geſehen ich ihn vor der ganzen Gemeine abgekanzelt, ſol¬
ches aber nit thun, ſondern die Klageſchrift contra me
(gegen mich) ſo er ſchon gen Stettin an Se. fürſtliche
Gnaden geſchicket und mir leicht den Dienſt koſten könnte,
wiederkommen laſſen wölle, ſo ich ſeinen Willen thät. Und
als ich fragete: was Sr. Geſtrengen Willen wär, auch
mich von wegen der Predigt ſoviel entſchuldiget, als ich
konnte, gab er zur Antwort: daß er ſehr benöthiget ſei
um eine treue Ausgeberſche, ſo er dem andern Frauens¬
volk fürſetzen könnte, und da er in Erfahrung gezogen,
daß mein Töchterlein eine treue und wackere Perſon ſei,
möcht ich ſie ihme in den Dienſt geben. Siehe, ſprach
er zu ihr und zwackete ſie in die Backen, ſo will ich
dich zu Ehren bringen obwohl du ein ſo junges Blut
biſt, und doch ſchreiſtu, als wöllt ich dir zu Unehren ver¬
helfen. Fu ſchäme dich! (Mein Töchterlein weiß dieſes

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0096" n="80"/>
zur Tochter. Will ihr nach meiner Weiß einen Kuß zum<lb/>
Willkommen geben, da wehret &#x017F;ie &#x017F;ich, und thut einen<lb/>
Schrei, als wär ich ein junger Fant, der &#x017F;ie über&#x017F;chli¬<lb/>
chen, &#x017F;o ich doch wohl doppelt ihr Vater &#x017F;ein könnte.<lb/>
Als ich hierauf &#x017F;chwiege, hüb er an fortzufahren, daß<lb/>
er &#x017F;ie habe zuver&#x017F;ichtlich machen wollen, ma&#x017F;&#x017F;en er &#x017F;ie,<lb/>
wie ich wüßte in &#x017F;einen Dien&#x017F;t begehrete und was er &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
fürbrachte und ich verge&#x017F;&#x017F;en hab. Nöthigte ihn darauf<lb/>
in die Stube, dieweil er immer meine von Gott ge&#x017F;etzte<lb/>
Obrigkeit ware, und fragte demüthiglich: was Se. Ge¬<lb/>
&#x017F;trengen von mir wöllen? worauf er freundlich zur Ant¬<lb/>
wort gab: daß er wohl billig mir zürnen möchte, an¬<lb/>
ge&#x017F;ehen ich ihn vor der ganzen Gemeine abgekanzelt, &#x017F;ol¬<lb/>
ches aber nit thun, &#x017F;ondern die Klage&#x017F;chrift <hi rendition="#aq">contra me</hi><lb/>
(gegen mich) &#x017F;o er &#x017F;chon gen Stettin an Se. für&#x017F;tliche<lb/>
Gnaden ge&#x017F;chicket und mir leicht den Dien&#x017F;t ko&#x017F;ten könnte,<lb/>
wiederkommen la&#x017F;&#x017F;en wölle, &#x017F;o ich &#x017F;einen Willen thät. Und<lb/>
als ich fragete: was Sr. Ge&#x017F;trengen Willen wär, auch<lb/>
mich von wegen der Predigt &#x017F;oviel ent&#x017F;chuldiget, als ich<lb/>
konnte, gab er zur Antwort: daß er &#x017F;ehr benöthiget &#x017F;ei<lb/>
um eine treue Ausgeber&#x017F;che, &#x017F;o er dem andern Frauens¬<lb/>
volk für&#x017F;etzen könnte, und da er in Erfahrung gezogen,<lb/>
daß mein Töchterlein eine treue und wackere Per&#x017F;on &#x017F;ei,<lb/>
möcht ich &#x017F;ie ihme in den Dien&#x017F;t geben. Siehe, &#x017F;prach<lb/>
er zu ihr und zwackete &#x017F;ie in die Backen, &#x017F;o will ich<lb/>
dich zu Ehren bringen obwohl du ein &#x017F;o junges Blut<lb/>
bi&#x017F;t, und doch &#x017F;chrei&#x017F;tu, als wöllt ich dir zu Unehren ver¬<lb/>
helfen. Fu &#x017F;chäme dich! (Mein Töchterlein weiß die&#x017F;es<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0096] zur Tochter. Will ihr nach meiner Weiß einen Kuß zum Willkommen geben, da wehret ſie ſich, und thut einen Schrei, als wär ich ein junger Fant, der ſie überſchli¬ chen, ſo ich doch wohl doppelt ihr Vater ſein könnte. Als ich hierauf ſchwiege, hüb er an fortzufahren, daß er ſie habe zuverſichtlich machen wollen, maſſen er ſie, wie ich wüßte in ſeinen Dienſt begehrete und was er ſonſt fürbrachte und ich vergeſſen hab. Nöthigte ihn darauf in die Stube, dieweil er immer meine von Gott geſetzte Obrigkeit ware, und fragte demüthiglich: was Se. Ge¬ ſtrengen von mir wöllen? worauf er freundlich zur Ant¬ wort gab: daß er wohl billig mir zürnen möchte, an¬ geſehen ich ihn vor der ganzen Gemeine abgekanzelt, ſol¬ ches aber nit thun, ſondern die Klageſchrift contra me (gegen mich) ſo er ſchon gen Stettin an Se. fürſtliche Gnaden geſchicket und mir leicht den Dienſt koſten könnte, wiederkommen laſſen wölle, ſo ich ſeinen Willen thät. Und als ich fragete: was Sr. Geſtrengen Willen wär, auch mich von wegen der Predigt ſoviel entſchuldiget, als ich konnte, gab er zur Antwort: daß er ſehr benöthiget ſei um eine treue Ausgeberſche, ſo er dem andern Frauens¬ volk fürſetzen könnte, und da er in Erfahrung gezogen, daß mein Töchterlein eine treue und wackere Perſon ſei, möcht ich ſie ihme in den Dienſt geben. Siehe, ſprach er zu ihr und zwackete ſie in die Backen, ſo will ich dich zu Ehren bringen obwohl du ein ſo junges Blut biſt, und doch ſchreiſtu, als wöllt ich dir zu Unehren ver¬ helfen. Fu ſchäme dich! (Mein Töchterlein weiß dieſes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/96
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/96>, abgerufen am 23.11.2024.