Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

und erlogen, wie sie selbsten deren Zeugniß ablegen könne,
angesehen sie länger denn zehn Jahre bei ihme in dem
Dienst gestanden. Item lobet sie das Essen, so sie dor¬
ten hätte, und das schöne Biergeld, so große Herren,
welche hier gar oft zur Herberge lägen, vor die Aufwar¬
tung spendeten, wie sie denn selbsten von Sr. f. G. dem
Herzogen Ernst Ludwig mehr denn ein Mal einen Ro¬
senobel überkommen. Auch hätt es hier sonsten oft viel
junge hübsche Leut, so daß es ihr Glück sein könnte, mas¬
sen sie ein schön Frauensbild wäre, und nur das Aus¬
suchen hätte, wen sie heirathen wölle; daß sie aber in
Coserow, wo Niemand nit käme, sich krumm und dumm
sitzen könne, bevorab sie unter die Hauben geriethe etc.
Darob erzürnete sie mein Töchterlein über die Macht
und antwortete: ei du alte Hexe, wer hat dir gesaget,
daß ich wölle in Dienst treten, umb unter die Hauben
zu kommen. Packe dich, und komm mir nit ferner in
das Haus, denn ich habe mit dir Nichtes zu schassen,
worauf sie denn auch alsobald wieder mummelnd ihrer
Straßen zog.

Kaum aber waren etzliche Tage verschienen, und stehe
ich mit dem Glaser in der Stuben so mir neue Fenster
eingesetzet, als ich mein Töchterlein in der Kammer bei
der Küchen schreien höre. Laufe also gleich hinein, und
perhorrescire heftiglich, als ich den Amtshaubtmann selb¬
sten in der Ecken sahe, wie er mein Kind umbhalset hält.
Läßt sie aber alsogleich fahren und spricht: ei Ehre
Abraham, was habt Ihr für eine kleine spröde Närrin

und erlogen, wie ſie ſelbſten deren Zeugniß ablegen könne,
angeſehen ſie länger denn zehn Jahre bei ihme in dem
Dienſt geſtanden. Item lobet ſie das Eſſen, ſo ſie dor¬
ten hätte, und das ſchöne Biergeld, ſo große Herren,
welche hier gar oft zur Herberge lägen, vor die Aufwar¬
tung ſpendeten, wie ſie denn ſelbſten von Sr. f. G. dem
Herzogen Ernſt Ludwig mehr denn ein Mal einen Ro¬
ſenobel überkommen. Auch hätt es hier ſonſten oft viel
junge hübſche Leut, ſo daß es ihr Glück ſein könnte, maſ¬
ſen ſie ein ſchön Frauensbild wäre, und nur das Aus¬
ſuchen hätte, wen ſie heirathen wölle; daß ſie aber in
Coſerow, wo Niemand nit käme, ſich krumm und dumm
ſitzen könne, bevorab ſie unter die Hauben geriethe etc.
Darob erzürnete ſie mein Töchterlein über die Macht
und antwortete: ei du alte Hexe, wer hat dir geſaget,
daß ich wölle in Dienſt treten, umb unter die Hauben
zu kommen. Packe dich, und komm mir nit ferner in
das Haus, denn ich habe mit dir Nichtes zu ſchaſſen,
worauf ſie denn auch alſobald wieder mummelnd ihrer
Straßen zog.

Kaum aber waren etzliche Tage verſchienen, und ſtehe
ich mit dem Glaſer in der Stuben ſo mir neue Fenſter
eingeſetzet, als ich mein Töchterlein in der Kammer bei
der Küchen ſchreien höre. Laufe alſo gleich hinein, und
perhorrescire heftiglich, als ich den Amtshaubtmann ſelb¬
ſten in der Ecken ſahe, wie er mein Kind umbhalſet hält.
Läßt ſie aber alſogleich fahren und ſpricht: ei Ehre
Abraham, was habt Ihr für eine kleine ſpröde Närrin

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0095" n="79"/>
und erlogen, wie &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;ten deren Zeugniß ablegen könne,<lb/>
ange&#x017F;ehen &#x017F;ie länger denn zehn Jahre bei ihme in dem<lb/>
Dien&#x017F;t ge&#x017F;tanden. <hi rendition="#aq">Item</hi> lobet &#x017F;ie das E&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o &#x017F;ie dor¬<lb/>
ten hätte, und das &#x017F;chöne Biergeld, &#x017F;o große Herren,<lb/>
welche hier gar oft zur Herberge lägen, vor die Aufwar¬<lb/>
tung &#x017F;pendeten, wie &#x017F;ie denn &#x017F;elb&#x017F;ten von Sr. f. G. dem<lb/>
Herzogen Ern&#x017F;t Ludwig mehr denn ein Mal einen Ro¬<lb/>
&#x017F;enobel überkommen. Auch hätt es hier &#x017F;on&#x017F;ten oft viel<lb/>
junge hüb&#x017F;che Leut, &#x017F;o daß es ihr Glück &#x017F;ein könnte, ma&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en &#x017F;ie ein &#x017F;chön Frauensbild wäre, und nur das Aus¬<lb/>
&#x017F;uchen hätte, wen &#x017F;ie heirathen wölle; daß &#x017F;ie aber in<lb/>
Co&#x017F;erow, wo Niemand nit käme, &#x017F;ich krumm und dumm<lb/>
&#x017F;itzen könne, bevorab &#x017F;ie unter die Hauben geriethe <hi rendition="#aq">etc</hi>.<lb/>
Darob erzürnete &#x017F;ie mein Töchterlein über die Macht<lb/>
und antwortete: ei du alte Hexe, wer hat dir ge&#x017F;aget,<lb/>
daß ich wölle in Dien&#x017F;t treten, umb unter die Hauben<lb/>
zu kommen. Packe dich, und komm mir nit ferner in<lb/>
das Haus, denn ich habe mit dir Nichtes zu &#x017F;cha&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
worauf &#x017F;ie denn auch al&#x017F;obald wieder mummelnd ihrer<lb/>
Straßen zog.</p><lb/>
        <p>Kaum aber waren etzliche Tage ver&#x017F;chienen, und &#x017F;tehe<lb/>
ich mit dem Gla&#x017F;er in der Stuben &#x017F;o mir neue Fen&#x017F;ter<lb/>
einge&#x017F;etzet, als ich mein Töchterlein in der Kammer bei<lb/>
der Küchen &#x017F;chreien höre. Laufe al&#x017F;o gleich hinein, und<lb/>
perhorrescire heftiglich, als ich den Amtshaubtmann &#x017F;elb¬<lb/>
&#x017F;ten in der Ecken &#x017F;ahe, wie er mein Kind umbhal&#x017F;et hält.<lb/>
Läßt &#x017F;ie aber al&#x017F;ogleich fahren und &#x017F;pricht: ei Ehre<lb/>
Abraham, was habt Ihr für eine kleine &#x017F;pröde Närrin<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0095] und erlogen, wie ſie ſelbſten deren Zeugniß ablegen könne, angeſehen ſie länger denn zehn Jahre bei ihme in dem Dienſt geſtanden. Item lobet ſie das Eſſen, ſo ſie dor¬ ten hätte, und das ſchöne Biergeld, ſo große Herren, welche hier gar oft zur Herberge lägen, vor die Aufwar¬ tung ſpendeten, wie ſie denn ſelbſten von Sr. f. G. dem Herzogen Ernſt Ludwig mehr denn ein Mal einen Ro¬ ſenobel überkommen. Auch hätt es hier ſonſten oft viel junge hübſche Leut, ſo daß es ihr Glück ſein könnte, maſ¬ ſen ſie ein ſchön Frauensbild wäre, und nur das Aus¬ ſuchen hätte, wen ſie heirathen wölle; daß ſie aber in Coſerow, wo Niemand nit käme, ſich krumm und dumm ſitzen könne, bevorab ſie unter die Hauben geriethe etc. Darob erzürnete ſie mein Töchterlein über die Macht und antwortete: ei du alte Hexe, wer hat dir geſaget, daß ich wölle in Dienſt treten, umb unter die Hauben zu kommen. Packe dich, und komm mir nit ferner in das Haus, denn ich habe mit dir Nichtes zu ſchaſſen, worauf ſie denn auch alſobald wieder mummelnd ihrer Straßen zog. Kaum aber waren etzliche Tage verſchienen, und ſtehe ich mit dem Glaſer in der Stuben ſo mir neue Fenſter eingeſetzet, als ich mein Töchterlein in der Kammer bei der Küchen ſchreien höre. Laufe alſo gleich hinein, und perhorrescire heftiglich, als ich den Amtshaubtmann ſelb¬ ſten in der Ecken ſahe, wie er mein Kind umbhalſet hält. Läßt ſie aber alſogleich fahren und ſpricht: ei Ehre Abraham, was habt Ihr für eine kleine ſpröde Närrin

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/95
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/95>, abgerufen am 03.05.2024.