Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Solliches versprach sie zu thun; doch da sie im Wei¬
terschreiten merklich zitterte, redete ich ihr noch mehr
zu und versprach ihr ein neu Kleid so sie es thäte, an¬
gesehen sie schon als ein klein Kind viel umb schöne
Kleider gegeben. Als wir dahero auf dem Schloßhof
kommen, blieb ich bei der Statue Sr: fürstlichen Gna¬
den des Herzogen Ernst Ludewig *) stehen, und blies
ihr ein, nunmehro dreust nachzulaufen, da Ihre f. G.
nur wenige Schritte für uns gingen, und sich schon ge¬
gen die große Hauptthüre wendeten. Sollich-s thät sie
auch, blieb aber plötzlich stehen und wollte wieder umb¬
kehren, weil sie sich vor den Sporen Ihrer f. G. ge¬
fürchtet, wie sie nachgehends sagete, maßen dieselben fast
heftig geknarret und gerastert.

Dieses sahe aber meine gnädige Frau, die Herzo¬
ginne Agnes aus dem offenen Fenster, in welchem sie
lage und rief, S. f. G. zu: "mein Herre, es ist ein
klein Mädchen hinter Euch, so Euch sprechen will, wie
es mir scheinet," worauf Sr. f. G. sich gleich niedlich
lächelnd umwendete, so daß meinem kleinen Mädken der
Muth alsobald wiederkehrete und sie den Ring in die
Höhe haltende auf lateinisch sagete, wie ihr geboten.
Darüber verwunderten sich beide Fürsten über die Ma¬
ßen, und nachdeme Se. fürstliche Gnaden, mein gnädi¬
ger Herzog Philippus sich an den Finger gefühlet, ant¬

*) Der Vater von Philippus Julius + zu Wolgast den
17ten Junius 1592.

Solliches verſprach ſie zu thun; doch da ſie im Wei¬
terſchreiten merklich zitterte, redete ich ihr noch mehr
zu und verſprach ihr ein neu Kleid ſo ſie es thäte, an¬
geſehen ſie ſchon als ein klein Kind viel umb ſchöne
Kleider gegeben. Als wir dahero auf dem Schloßhof
kommen, blieb ich bei der Statue Sr: fürſtlichen Gna¬
den des Herzogen Ernſt Ludewig *) ſtehen, und blies
ihr ein, nunmehro dreuſt nachzulaufen, da Ihre f. G.
nur wenige Schritte für uns gingen, und ſich ſchon ge¬
gen die große Hauptthüre wendeten. Sollich-s thät ſie
auch, blieb aber plötzlich ſtehen und wollte wieder umb¬
kehren, weil ſie ſich vor den Sporen Ihrer f. G. ge¬
fürchtet, wie ſie nachgehends ſagete, maßen dieſelben faſt
heftig geknarret und geraſtert.

Dieſes ſahe aber meine gnädige Frau, die Herzo¬
ginne Agnes aus dem offenen Fenſter, in welchem ſie
lage und rief, S. f. G. zu: „mein Herre, es iſt ein
klein Mädchen hinter Euch, ſo Euch ſprechen will, wie
es mir ſcheinet,“ worauf Sr. f. G. ſich gleich niedlich
lächelnd umwendete, ſo daß meinem kleinen Mädken der
Muth alſobald wiederkehrete und ſie den Ring in die
Höhe haltende auf lateiniſch ſagete, wie ihr geboten.
Darüber verwunderten ſich beide Fürſten über die Ma¬
ßen, und nachdeme Se. fürſtliche Gnaden, mein gnädi¬
ger Herzog Philippus ſich an den Finger gefühlet, ant¬

*) Der Vater von Philippus Julius † zu Wolgaſt den
17ten Junius 1592.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0075" n="59"/>
        <p>Solliches ver&#x017F;prach &#x017F;ie zu thun; doch da &#x017F;ie im Wei¬<lb/>
ter&#x017F;chreiten merklich zitterte, redete ich ihr noch mehr<lb/>
zu und ver&#x017F;prach ihr ein neu Kleid &#x017F;o &#x017F;ie es thäte, an¬<lb/>
ge&#x017F;ehen &#x017F;ie &#x017F;chon als ein klein Kind viel umb &#x017F;chöne<lb/>
Kleider gegeben. Als wir dahero auf dem Schloßhof<lb/>
kommen, blieb ich bei der Statue Sr: für&#x017F;tlichen Gna¬<lb/>
den des Herzogen Ern&#x017F;t Ludewig <note place="foot" n="*)">Der Vater von Philippus Julius &#x2020; zu Wolga&#x017F;t den<lb/>
17ten Junius 1592.</note> &#x017F;tehen, und blies<lb/>
ihr ein, nunmehro dreu&#x017F;t nachzulaufen, da Ihre f. G.<lb/>
nur wenige Schritte für uns gingen, und &#x017F;ich &#x017F;chon ge¬<lb/>
gen die große Hauptthüre wendeten. Sollich-s thät &#x017F;ie<lb/>
auch, blieb aber plötzlich &#x017F;tehen und wollte wieder umb¬<lb/>
kehren, weil &#x017F;ie &#x017F;ich vor den Sporen Ihrer f. G. ge¬<lb/>
fürchtet, wie &#x017F;ie nachgehends &#x017F;agete, maßen die&#x017F;elben fa&#x017F;t<lb/>
heftig geknarret und gera&#x017F;tert.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;es &#x017F;ahe aber meine gnädige Frau, die Herzo¬<lb/>
ginne Agnes aus dem offenen Fen&#x017F;ter, in welchem &#x017F;ie<lb/>
lage und rief, S. f. G. zu: &#x201E;mein Herre, es i&#x017F;t ein<lb/>
klein Mädchen hinter Euch, &#x017F;o Euch &#x017F;prechen will, wie<lb/>
es mir &#x017F;cheinet,&#x201C; worauf Sr. f. G. &#x017F;ich gleich niedlich<lb/>
lächelnd umwendete, &#x017F;o daß meinem kleinen Mädken der<lb/>
Muth al&#x017F;obald wiederkehrete und &#x017F;ie den Ring in die<lb/>
Höhe haltende auf lateini&#x017F;ch &#x017F;agete, wie ihr geboten.<lb/>
Darüber verwunderten &#x017F;ich beide Für&#x017F;ten über die Ma¬<lb/>
ßen, und nachdeme Se. für&#x017F;tliche Gnaden, mein gnädi¬<lb/>
ger Herzog <hi rendition="#aq">Philippus</hi> &#x017F;ich an den Finger gefühlet, ant¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0075] Solliches verſprach ſie zu thun; doch da ſie im Wei¬ terſchreiten merklich zitterte, redete ich ihr noch mehr zu und verſprach ihr ein neu Kleid ſo ſie es thäte, an¬ geſehen ſie ſchon als ein klein Kind viel umb ſchöne Kleider gegeben. Als wir dahero auf dem Schloßhof kommen, blieb ich bei der Statue Sr: fürſtlichen Gna¬ den des Herzogen Ernſt Ludewig *) ſtehen, und blies ihr ein, nunmehro dreuſt nachzulaufen, da Ihre f. G. nur wenige Schritte für uns gingen, und ſich ſchon ge¬ gen die große Hauptthüre wendeten. Sollich-s thät ſie auch, blieb aber plötzlich ſtehen und wollte wieder umb¬ kehren, weil ſie ſich vor den Sporen Ihrer f. G. ge¬ fürchtet, wie ſie nachgehends ſagete, maßen dieſelben faſt heftig geknarret und geraſtert. Dieſes ſahe aber meine gnädige Frau, die Herzo¬ ginne Agnes aus dem offenen Fenſter, in welchem ſie lage und rief, S. f. G. zu: „mein Herre, es iſt ein klein Mädchen hinter Euch, ſo Euch ſprechen will, wie es mir ſcheinet,“ worauf Sr. f. G. ſich gleich niedlich lächelnd umwendete, ſo daß meinem kleinen Mädken der Muth alſobald wiederkehrete und ſie den Ring in die Höhe haltende auf lateiniſch ſagete, wie ihr geboten. Darüber verwunderten ſich beide Fürſten über die Ma¬ ßen, und nachdeme Se. fürſtliche Gnaden, mein gnädi¬ ger Herzog Philippus ſich an den Finger gefühlet, ant¬ *) Der Vater von Philippus Julius † zu Wolgaſt den 17ten Junius 1592.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/75
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/75>, abgerufen am 03.05.2024.