Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite
Capitel 7.

Wie die Kaiserlichen mir alles Uebrige geraubet,
auch die Kirchen erbrochen und die
vasa Sacra
entwendet; item was sonsten fürgefallen.


Nach etzlichen Tagen, als unsere Nothdurft fast
verzehret, fiel mir auch meine letzte Kuh umb
(die andern hatten die Wülfe, wie oben bemeldet, all-
bereits zurissen) nicht ohne sonderlichen Verdacht, daß
die Lise ihr etwas angethan, angesehen sie den Tag
vorhero noch wacker gefressen. Doch lasse ich das in
seinen Würden, dieweil ich Niemand nit verleumbden
mag; kann auch geschehen sein durch die Schikkung des
gerechten Gottes, deßen Zorn ich wohl verdienet hab' --
Summa: ich war wiederumb in großen Nöthen und
mein Töchterlein Maria zuriß mir noch mehr das Herze
durch ihr Seufzen, als das Geschreie anhub: daß aber¬
mals ein Trupp Kaiserlicher nach Uekeritze gekommen,
und noch gräulicher denn die ersten gemarodiret, auch
das halbe Dorf in Brand gestecket. Derohalben hielt
ich mich nicht mehr sicher in meiner Hütten, sondern
nachdem in einem brünstigen Gebet Alles dem Herrn
empfohlen, machte mich mit meinem Töchterlein und der
alten Ilsen auf, in den Streckelberg *) wo ich allbe-
reits ein Loch, einer Höhlen gleich, und trefflich von Brom¬

*) Ein ansehnlicher Berg am Meere nahe bei Coserow.
Capitel 7.

Wie die Kaiſerlichen mir alles Uebrige geraubet,
auch die Kirchen erbrochen und die
vasa Sacra
entwendet; item was ſonſten fürgefallen.


Nach etzlichen Tagen, als unſere Nothdurft faſt
verzehret, fiel mir auch meine letzte Kuh umb
(die andern hatten die Wülfe, wie oben bemeldet, all-
bereits zuriſſen) nicht ohne ſonderlichen Verdacht, daß
die Liſe ihr etwas angethan, angeſehen ſie den Tag
vorhero noch wacker gefreſſen. Doch laſſe ich das in
ſeinen Würden, dieweil ich Niemand nit verleumbden
mag; kann auch geſchehen ſein durch die Schikkung des
gerechten Gottes, deßen Zorn ich wohl verdienet hab' —
Summa: ich war wiederumb in großen Nöthen und
mein Töchterlein Maria zuriß mir noch mehr das Herze
durch ihr Seufzen, als das Geſchreie anhub: daß aber¬
mals ein Trupp Kaiſerlicher nach Uekeritze gekommen,
und noch gräulicher denn die erſten gemarodiret, auch
das halbe Dorf in Brand geſtecket. Derohalben hielt
ich mich nicht mehr ſicher in meiner Hütten, ſondern
nachdem in einem brünſtigen Gebet Alles dem Herrn
empfohlen, machte mich mit meinem Töchterlein und der
alten Ilſen auf, in den Streckelberg *) wo ich allbe-
reits ein Loch, einer Höhlen gleich, und trefflich von Brom¬

*) Ein anſehnlicher Berg am Meere nahe bei Coſerow.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0022" n="6"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#g">Capitel</hi> 7.<lb/></head>
        <argument>
          <p> <hi rendition="#fr">Wie die Kai&#x017F;erlichen mir alles Uebrige geraubet,<lb/>
auch die Kirchen erbrochen und die</hi> <hi rendition="#aq">vasa Sacra</hi><lb/> <hi rendition="#fr">entwendet; item was &#x017F;on&#x017F;ten fürgefallen.</hi> </p>
        </argument><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p><hi rendition="#in">N</hi>ach etzlichen Tagen, als un&#x017F;ere Nothdurft fa&#x017F;t<lb/>
verzehret, fiel mir auch meine letzte Kuh umb<lb/>
(die andern hatten die Wülfe, wie oben bemeldet, all-<lb/>
bereits zuri&#x017F;&#x017F;en) nicht ohne &#x017F;onderlichen Verdacht, daß<lb/>
die Li&#x017F;e ihr etwas angethan, ange&#x017F;ehen &#x017F;ie den Tag<lb/>
vorhero noch wacker gefre&#x017F;&#x017F;en. Doch la&#x017F;&#x017F;e ich das in<lb/>
&#x017F;einen Würden, dieweil ich Niemand nit verleumbden<lb/>
mag; kann auch ge&#x017F;chehen &#x017F;ein durch die Schikkung des<lb/>
gerechten Gottes, deßen Zorn ich wohl verdienet hab' &#x2014;<lb/>
Summa: ich war wiederumb in großen Nöthen und<lb/>
mein Töchterlein Maria zuriß mir noch mehr das Herze<lb/>
durch ihr Seufzen, als das Ge&#x017F;chreie anhub: daß aber¬<lb/>
mals ein Trupp Kai&#x017F;erlicher nach Uekeritze gekommen,<lb/>
und noch gräulicher denn die er&#x017F;ten gemarodiret, auch<lb/>
das halbe Dorf in Brand ge&#x017F;tecket. Derohalben hielt<lb/>
ich mich nicht mehr &#x017F;icher in meiner Hütten, &#x017F;ondern<lb/>
nachdem in einem brün&#x017F;tigen Gebet Alles dem Herrn<lb/>
empfohlen, machte mich mit meinem Töchterlein und der<lb/>
alten Il&#x017F;en auf, in den Streckelberg <note place="foot" n="*)">Ein an&#x017F;ehnlicher Berg am Meere nahe bei Co&#x017F;erow.</note> wo ich allbe-<lb/>
reits ein Loch, einer Höhlen gleich, und trefflich von Brom¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0022] Capitel 7. Wie die Kaiſerlichen mir alles Uebrige geraubet, auch die Kirchen erbrochen und die vasa Sacra entwendet; item was ſonſten fürgefallen. Nach etzlichen Tagen, als unſere Nothdurft faſt verzehret, fiel mir auch meine letzte Kuh umb (die andern hatten die Wülfe, wie oben bemeldet, all- bereits zuriſſen) nicht ohne ſonderlichen Verdacht, daß die Liſe ihr etwas angethan, angeſehen ſie den Tag vorhero noch wacker gefreſſen. Doch laſſe ich das in ſeinen Würden, dieweil ich Niemand nit verleumbden mag; kann auch geſchehen ſein durch die Schikkung des gerechten Gottes, deßen Zorn ich wohl verdienet hab' — Summa: ich war wiederumb in großen Nöthen und mein Töchterlein Maria zuriß mir noch mehr das Herze durch ihr Seufzen, als das Geſchreie anhub: daß aber¬ mals ein Trupp Kaiſerlicher nach Uekeritze gekommen, und noch gräulicher denn die erſten gemarodiret, auch das halbe Dorf in Brand geſtecket. Derohalben hielt ich mich nicht mehr ſicher in meiner Hütten, ſondern nachdem in einem brünſtigen Gebet Alles dem Herrn empfohlen, machte mich mit meinem Töchterlein und der alten Ilſen auf, in den Streckelberg *) wo ich allbe- reits ein Loch, einer Höhlen gleich, und trefflich von Brom¬ *) Ein anſehnlicher Berg am Meere nahe bei Coſerow.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/22
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/22>, abgerufen am 23.11.2024.