Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

§ 48. Vorzugslasten und Verbandlasten.
juristische Person kann dazu kommen. Es fragt sich nur, in welcher
Art und Weise das geschieht. Man darf auch hier nicht alles auf einen
Leisten bringen wollen. Wir werden drei verschiedene Gestaltungen
unterscheiden müssen.

Am einfachsten wird sich die Sache darstellen in Gestalt der Zu-
gabe einer eignen juristischen Persönlichkeit zum Verband. Manche
Verbandlasten werden nur vorübergehend für das öffentliche Unter-
nehmen in Bewegung gesetzt, so daß das Erzielte sofort verwendet
und verbraucht wird. So die Landlieferungen, die Quartierlasten und
sonstigen Kriegsleistungen. Bei andern handelt es sich um Gewährung
der Mittel zur Herstellung und Instandhaltung dauernder Einrichtungen:
Wege, Schulen, Deiche u. dgl. Die einmal zusammengebrachten Werte
sind durch ihren Bestand und so lange dieser vorhält, ein Schutz der
Pflichtigen gegen fernere In-Anspruchnahme. Hier kann sich ein ge-
meinsamer Besitz von Vermögenswerten ausbilden und, um ihn zu-
sammenzuhalten, eine juristische Persönlichkeit der Gesamtheit. Der
Verband selbst hört dadurch nicht auf, Gesellschaft, Societät zu sein,
so wenig, wie die öffentliche Genossenschaft durch ihre juristische
Persönlichkeit gehindert ist, im inneren Verhältnisse ein Verein zu
bleiben. Der Verband mit juristischer Persönlichkeit der hier voraus-
gesetzten Art bleibt aber Gesellschaft auch im äußeren Verhältnis und
zwar in seiner wichtigsten Beziehung nach außen, nämlich der öffent-
lichen Gewalt gegenüber, welche von den Mitgliedern nach wie vor
unmittelbar ihre Leistungen zu fordern hat. Die juristische Persön-
lichkeit ist nur ein Beiwerk. Sie ist civilrechtlicher Natur. Der Ver-
band ist insbesondere um ihretwillen noch keine öffentliche Genossen-
schaft. Er kann sich dazu entwickeln; der entscheidende Punkt, an
welchem dieser Übergang sich vollzieht, wird noch festzustellen sein20.

können neue korporative Organe als Träger einer Polizeilast nicht geschaffen
werden." -- Ebenso sind manche Lieferungsverbände (vgl. unten Note 21) außer
Zusammenhang mit irgend einer juristischen Person. Auch Armenverbände er-
scheinen in dieser Weise als bloße Bezirke, innerhalb deren die Armenlast auf-
gebracht wird durch die Einzelnen unmittelbar oder durch Vermittlung der ver-
schiedenen im Bezirk begriffenen Selbstverwaltungskörper; so nach K. Ordre v.
17. Nov. 1845 der Landarmenverband der drei Eichsfeldischen Kreise mit dem
Kreise Nordhausen; Mascher a. a. O. S. 404.
20 In dieser Weise sind Deichverbände, Armenverbände, Wegeverbände,
Schulsocietäten allmählich zu einer juristischen Persönlichkeit gelangt. Foerster-
Eccius, Preuß. Priv.-R. IV S. 671, stellt das einfach als Thatsache fest, wenn er
von den Armenverbänden sagt: "sie sind als juristische Personen mit Vermögens-
und Verfügungsfähigkeit nach außen anzusehen". Ebenso S. 687 wegen der Schul-
societäten. Der eigentümliche Zusatz, daß diese juristische Persönlichkeit nur
19*

§ 48. Vorzugslasten und Verbandlasten.
juristische Person kann dazu kommen. Es fragt sich nur, in welcher
Art und Weise das geschieht. Man darf auch hier nicht alles auf einen
Leisten bringen wollen. Wir werden drei verschiedene Gestaltungen
unterscheiden müssen.

Am einfachsten wird sich die Sache darstellen in Gestalt der Zu-
gabe einer eignen juristischen Persönlichkeit zum Verband. Manche
Verbandlasten werden nur vorübergehend für das öffentliche Unter-
nehmen in Bewegung gesetzt, so daß das Erzielte sofort verwendet
und verbraucht wird. So die Landlieferungen, die Quartierlasten und
sonstigen Kriegsleistungen. Bei andern handelt es sich um Gewährung
der Mittel zur Herstellung und Instandhaltung dauernder Einrichtungen:
Wege, Schulen, Deiche u. dgl. Die einmal zusammengebrachten Werte
sind durch ihren Bestand und so lange dieser vorhält, ein Schutz der
Pflichtigen gegen fernere In-Anspruchnahme. Hier kann sich ein ge-
meinsamer Besitz von Vermögenswerten ausbilden und, um ihn zu-
sammenzuhalten, eine juristische Persönlichkeit der Gesamtheit. Der
Verband selbst hört dadurch nicht auf, Gesellschaft, Societät zu sein,
so wenig, wie die öffentliche Genossenschaft durch ihre juristische
Persönlichkeit gehindert ist, im inneren Verhältnisse ein Verein zu
bleiben. Der Verband mit juristischer Persönlichkeit der hier voraus-
gesetzten Art bleibt aber Gesellschaft auch im äußeren Verhältnis und
zwar in seiner wichtigsten Beziehung nach außen, nämlich der öffent-
lichen Gewalt gegenüber, welche von den Mitgliedern nach wie vor
unmittelbar ihre Leistungen zu fordern hat. Die juristische Persön-
lichkeit ist nur ein Beiwerk. Sie ist civilrechtlicher Natur. Der Ver-
band ist insbesondere um ihretwillen noch keine öffentliche Genossen-
schaft. Er kann sich dazu entwickeln; der entscheidende Punkt, an
welchem dieser Übergang sich vollzieht, wird noch festzustellen sein20.

können neue korporative Organe als Träger einer Polizeilast nicht geschaffen
werden.“ — Ebenso sind manche Lieferungsverbände (vgl. unten Note 21) außer
Zusammenhang mit irgend einer juristischen Person. Auch Armenverbände er-
scheinen in dieser Weise als bloße Bezirke, innerhalb deren die Armenlast auf-
gebracht wird durch die Einzelnen unmittelbar oder durch Vermittlung der ver-
schiedenen im Bezirk begriffenen Selbstverwaltungskörper; so nach K. Ordre v.
17. Nov. 1845 der Landarmenverband der drei Eichsfeldischen Kreise mit dem
Kreise Nordhausen; Mascher a. a. O. S. 404.
20 In dieser Weise sind Deichverbände, Armenverbände, Wegeverbände,
Schulsocietäten allmählich zu einer juristischen Persönlichkeit gelangt. Foerster-
Eccius, Preuß. Priv.-R. IV S. 671, stellt das einfach als Thatsache fest, wenn er
von den Armenverbänden sagt: „sie sind als juristische Personen mit Vermögens-
und Verfügungsfähigkeit nach außen anzusehen“. Ebenso S. 687 wegen der Schul-
societäten. Der eigentümliche Zusatz, daß diese juristische Persönlichkeit nur
19*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0303" n="291"/><fw place="top" type="header">§ 48. Vorzugslasten und Verbandlasten.</fw><lb/>
juristische Person kann dazu kommen. Es fragt sich nur, in welcher<lb/>
Art und Weise das geschieht. Man darf auch hier nicht alles auf einen<lb/>
Leisten bringen wollen. Wir werden drei verschiedene Gestaltungen<lb/>
unterscheiden müssen.</p><lb/>
              <p>Am einfachsten wird sich die Sache darstellen in Gestalt der <hi rendition="#g">Zu-<lb/>
gabe</hi> einer eignen juristischen Persönlichkeit zum Verband. Manche<lb/>
Verbandlasten werden nur vorübergehend für das öffentliche Unter-<lb/>
nehmen in Bewegung gesetzt, so daß das Erzielte sofort verwendet<lb/>
und verbraucht wird. So die Landlieferungen, die Quartierlasten und<lb/>
sonstigen Kriegsleistungen. Bei andern handelt es sich um Gewährung<lb/>
der Mittel zur Herstellung und Instandhaltung dauernder Einrichtungen:<lb/>
Wege, Schulen, Deiche u. dgl. Die einmal zusammengebrachten Werte<lb/>
sind durch ihren Bestand und so lange dieser vorhält, ein Schutz der<lb/>
Pflichtigen gegen fernere In-Anspruchnahme. Hier kann sich ein ge-<lb/>
meinsamer Besitz von Vermögenswerten ausbilden und, um ihn zu-<lb/>
sammenzuhalten, eine juristische Persönlichkeit der Gesamtheit. Der<lb/>
Verband selbst hört dadurch nicht auf, Gesellschaft, Societät zu sein,<lb/>
so wenig, wie die öffentliche Genossenschaft durch ihre juristische<lb/>
Persönlichkeit gehindert ist, im inneren Verhältnisse ein Verein zu<lb/>
bleiben. Der Verband mit juristischer Persönlichkeit der hier voraus-<lb/>
gesetzten Art bleibt aber Gesellschaft auch im äußeren Verhältnis und<lb/>
zwar in seiner wichtigsten Beziehung nach außen, nämlich der öffent-<lb/>
lichen Gewalt gegenüber, welche von den Mitgliedern nach wie vor<lb/>
unmittelbar ihre Leistungen zu fordern hat. Die juristische Persön-<lb/>
lichkeit ist nur ein Beiwerk. Sie ist civilrechtlicher Natur. Der Ver-<lb/>
band ist insbesondere um ihretwillen noch keine öffentliche Genossen-<lb/>
schaft. Er kann sich dazu entwickeln; der entscheidende Punkt, an<lb/>
welchem dieser Übergang sich vollzieht, wird noch festzustellen sein<note xml:id="seg2pn_85_1" next="#seg2pn_85_2" place="foot" n="20">In dieser Weise sind Deichverbände, Armenverbände, Wegeverbände,<lb/>
Schulsocietäten allmählich zu einer juristischen Persönlichkeit gelangt. <hi rendition="#g">Foerster-<lb/>
Eccius,</hi> Preuß. Priv.-R. IV S. 671, stellt das einfach als Thatsache fest, wenn er<lb/>
von den Armenverbänden sagt: &#x201E;sie sind als juristische Personen mit Vermögens-<lb/>
und Verfügungsfähigkeit nach außen anzusehen&#x201C;. Ebenso S. 687 wegen der Schul-<lb/>
societäten. Der eigentümliche Zusatz, daß diese juristische Persönlichkeit nur</note>.</p><lb/>
              <p>
                <note xml:id="seg2pn_84_2" prev="#seg2pn_84_1" place="foot" n="19">können neue korporative Organe als Träger einer Polizeilast nicht geschaffen<lb/>
werden.&#x201C; &#x2014; Ebenso sind manche Lieferungsverbände (vgl. unten Note 21) außer<lb/>
Zusammenhang mit irgend einer juristischen Person. Auch Armenverbände er-<lb/>
scheinen in dieser Weise als bloße Bezirke, innerhalb deren die Armenlast auf-<lb/>
gebracht wird durch die Einzelnen unmittelbar oder durch Vermittlung der ver-<lb/>
schiedenen im Bezirk begriffenen Selbstverwaltungskörper; so nach K. Ordre v.<lb/>
17. Nov. 1845 der Landarmenverband der drei Eichsfeldischen Kreise mit dem<lb/>
Kreise Nordhausen; <hi rendition="#g">Mascher</hi> a. a. O. S. 404.</note>
              </p><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">19*</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[291/0303] § 48. Vorzugslasten und Verbandlasten. juristische Person kann dazu kommen. Es fragt sich nur, in welcher Art und Weise das geschieht. Man darf auch hier nicht alles auf einen Leisten bringen wollen. Wir werden drei verschiedene Gestaltungen unterscheiden müssen. Am einfachsten wird sich die Sache darstellen in Gestalt der Zu- gabe einer eignen juristischen Persönlichkeit zum Verband. Manche Verbandlasten werden nur vorübergehend für das öffentliche Unter- nehmen in Bewegung gesetzt, so daß das Erzielte sofort verwendet und verbraucht wird. So die Landlieferungen, die Quartierlasten und sonstigen Kriegsleistungen. Bei andern handelt es sich um Gewährung der Mittel zur Herstellung und Instandhaltung dauernder Einrichtungen: Wege, Schulen, Deiche u. dgl. Die einmal zusammengebrachten Werte sind durch ihren Bestand und so lange dieser vorhält, ein Schutz der Pflichtigen gegen fernere In-Anspruchnahme. Hier kann sich ein ge- meinsamer Besitz von Vermögenswerten ausbilden und, um ihn zu- sammenzuhalten, eine juristische Persönlichkeit der Gesamtheit. Der Verband selbst hört dadurch nicht auf, Gesellschaft, Societät zu sein, so wenig, wie die öffentliche Genossenschaft durch ihre juristische Persönlichkeit gehindert ist, im inneren Verhältnisse ein Verein zu bleiben. Der Verband mit juristischer Persönlichkeit der hier voraus- gesetzten Art bleibt aber Gesellschaft auch im äußeren Verhältnis und zwar in seiner wichtigsten Beziehung nach außen, nämlich der öffent- lichen Gewalt gegenüber, welche von den Mitgliedern nach wie vor unmittelbar ihre Leistungen zu fordern hat. Die juristische Persön- lichkeit ist nur ein Beiwerk. Sie ist civilrechtlicher Natur. Der Ver- band ist insbesondere um ihretwillen noch keine öffentliche Genossen- schaft. Er kann sich dazu entwickeln; der entscheidende Punkt, an welchem dieser Übergang sich vollzieht, wird noch festzustellen sein 20. 19 20 In dieser Weise sind Deichverbände, Armenverbände, Wegeverbände, Schulsocietäten allmählich zu einer juristischen Persönlichkeit gelangt. Foerster- Eccius, Preuß. Priv.-R. IV S. 671, stellt das einfach als Thatsache fest, wenn er von den Armenverbänden sagt: „sie sind als juristische Personen mit Vermögens- und Verfügungsfähigkeit nach außen anzusehen“. Ebenso S. 687 wegen der Schul- societäten. Der eigentümliche Zusatz, daß diese juristische Persönlichkeit nur 19 können neue korporative Organe als Träger einer Polizeilast nicht geschaffen werden.“ — Ebenso sind manche Lieferungsverbände (vgl. unten Note 21) außer Zusammenhang mit irgend einer juristischen Person. Auch Armenverbände er- scheinen in dieser Weise als bloße Bezirke, innerhalb deren die Armenlast auf- gebracht wird durch die Einzelnen unmittelbar oder durch Vermittlung der ver- schiedenen im Bezirk begriffenen Selbstverwaltungskörper; so nach K. Ordre v. 17. Nov. 1845 der Landarmenverband der drei Eichsfeldischen Kreise mit dem Kreise Nordhausen; Mascher a. a. O. S. 404. 19*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/303
Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/303>, abgerufen am 24.11.2024.