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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
nicht um einfache Unrichtigkeiten der Berechnung. Sondern der Fall
ist der, daß der In-Anspruch-Genommene behauptet, deshalb sei er
überlastet, weil die Verpflichtung eines Anderen, die ihn ganz oder
teilweise entlastet hätte, zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sei.
Es wird alsdann nicht einfach eine Anfechtung der obrigkeitlichen
Maßregel erhoben werden. Vielmehr nimmt die Klage auf Richtig-
stellung der Last ihren Ausgang von dem Verhältnisse des Klägers
zu dem Anderen, zu dessen Gunsten er überlastet ist. Gegen diesen
wird die Klage gerichtet, oder wenn die Forderung von seiten der
Behörde schon geltend gemacht ist, mit gerichtet. Der dadurch er-
zielte Ausspruch über das Rechtsverhältnis zwischen den verpflichteten
Unterthanen wirkt der rechtlichen Natur der Verbandlast entsprechend
von selbst auch zur Feststellung dessen, was die öffentliche Gewalt
von einem jeden zu fordern hat18.

3. Zwischen dem lastberechtigten Subjekt der öffentlichen Ver-
waltung, also regelmäßig dem Staat, und dem lastpflichtigen Mitgliede
des Verbandes erscheint nun noch, immer deutlicher sich vordrängend,
ein Dritter, eine vermittelnde juristische Person. Der Verband
selbst, welchen die Lastträger bilden, ist zunächst noch nichts anderes
als der Ausdruck für ihr Gesamtrechtsverhältnis. Er ist die Gesell-
schaft
der Verbundenen. Der Name Societät, welcher häufig zur
Bezeichnung solcher Verbände gebraucht wird, giebt das Verhältnis
richtig wieder. Für den Begriff des Rechtsinstitutes ist es nicht wesent-
lich, daß der Verband noch mehr, daß er insbesondere mit irgend
einer Form von juristischer Persönlichkeit ausgestattet sei19. Die

18 Im früheren preuß. Recht bestand die Schwierigkeit, daß für die Beitrags-
pflichtigen untereinander die Civilgerichte zuständig waren, der Behörde gegenüber
aber nur der Beschwerdeweg sich eröffnete. Deshalb war, wenn die Festsetzung
von dieser bereits erfolgt war, möglicherweise ein doppeltes Verfahren nötig;
Oppenhoff, Ressortverhältnisse S. 105. Das Zuständigkeitsgesetz § 46, § 47,
§ 56 verweist auch die Streitigkeiten zwischen den Beteiligten vor die Verwaltungs-
gerichte. Wenn der wegen Schullasten oder Wegelasten in Anspruch Genommene
behauptet, daß ein Anderer statt seiner verpflichtet sei, so kann er nicht gegen
die Behörde allein, sondern muß auch gegen diesen Andern klagen; die Ent-
scheidung wirkt aber auch bindend für die Behörde; v. Brauchitsch, V.Gesetze
Bd. I S. 301.
19 Rosin, Öff. Gen. S. 52: "So treten neben die öffentlichen Genossen-
schaften auch Gesellschaften des öffentlichen Rechts." Ein Beispiel in O.V.G.
9. Mai 1885 (Samml. XII S. 171): Es werden Hebammenbezirke gebildet gemäß
K. Ordre v. 16. Jan. 1817; die Eltern jedes Kindes im Bezirk, auch wenn sie die
Land-Hebamme nicht rufen, haben an dieselbe eine bestimmte Taxe zu entrichten.
Sie bilden einen Verband für das öffentliche Institut der Hebamme. Der Heb-
ammenbezirk aber "ist keine öffentliche Korporation; durch Polizeiverordnung

Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
nicht um einfache Unrichtigkeiten der Berechnung. Sondern der Fall
ist der, daß der In-Anspruch-Genommene behauptet, deshalb sei er
überlastet, weil die Verpflichtung eines Anderen, die ihn ganz oder
teilweise entlastet hätte, zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sei.
Es wird alsdann nicht einfach eine Anfechtung der obrigkeitlichen
Maßregel erhoben werden. Vielmehr nimmt die Klage auf Richtig-
stellung der Last ihren Ausgang von dem Verhältnisse des Klägers
zu dem Anderen, zu dessen Gunsten er überlastet ist. Gegen diesen
wird die Klage gerichtet, oder wenn die Forderung von seiten der
Behörde schon geltend gemacht ist, mit gerichtet. Der dadurch er-
zielte Ausspruch über das Rechtsverhältnis zwischen den verpflichteten
Unterthanen wirkt der rechtlichen Natur der Verbandlast entsprechend
von selbst auch zur Feststellung dessen, was die öffentliche Gewalt
von einem jeden zu fordern hat18.

3. Zwischen dem lastberechtigten Subjekt der öffentlichen Ver-
waltung, also regelmäßig dem Staat, und dem lastpflichtigen Mitgliede
des Verbandes erscheint nun noch, immer deutlicher sich vordrängend,
ein Dritter, eine vermittelnde juristische Person. Der Verband
selbst, welchen die Lastträger bilden, ist zunächst noch nichts anderes
als der Ausdruck für ihr Gesamtrechtsverhältnis. Er ist die Gesell-
schaft
der Verbundenen. Der Name Societät, welcher häufig zur
Bezeichnung solcher Verbände gebraucht wird, giebt das Verhältnis
richtig wieder. Für den Begriff des Rechtsinstitutes ist es nicht wesent-
lich, daß der Verband noch mehr, daß er insbesondere mit irgend
einer Form von juristischer Persönlichkeit ausgestattet sei19. Die

18 Im früheren preuß. Recht bestand die Schwierigkeit, daß für die Beitrags-
pflichtigen untereinander die Civilgerichte zuständig waren, der Behörde gegenüber
aber nur der Beschwerdeweg sich eröffnete. Deshalb war, wenn die Festsetzung
von dieser bereits erfolgt war, möglicherweise ein doppeltes Verfahren nötig;
Oppenhoff, Ressortverhältnisse S. 105. Das Zuständigkeitsgesetz § 46, § 47,
§ 56 verweist auch die Streitigkeiten zwischen den Beteiligten vor die Verwaltungs-
gerichte. Wenn der wegen Schullasten oder Wegelasten in Anspruch Genommene
behauptet, daß ein Anderer statt seiner verpflichtet sei, so kann er nicht gegen
die Behörde allein, sondern muß auch gegen diesen Andern klagen; die Ent-
scheidung wirkt aber auch bindend für die Behörde; v. Brauchitsch, V.Gesetze
Bd. I S. 301.
19 Rosin, Öff. Gen. S. 52: „So treten neben die öffentlichen Genossen-
schaften auch Gesellschaften des öffentlichen Rechts.“ Ein Beispiel in O.V.G.
9. Mai 1885 (Samml. XII S. 171): Es werden Hebammenbezirke gebildet gemäß
K. Ordre v. 16. Jan. 1817; die Eltern jedes Kindes im Bezirk, auch wenn sie die
Land-Hebamme nicht rufen, haben an dieselbe eine bestimmte Taxe zu entrichten.
Sie bilden einen Verband für das öffentliche Institut der Hebamme. Der Heb-
ammenbezirk aber „ist keine öffentliche Korporation; durch Polizeiverordnung
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[290/0302] Recht der besonderen Schuldverhältnisse. nicht um einfache Unrichtigkeiten der Berechnung. Sondern der Fall ist der, daß der In-Anspruch-Genommene behauptet, deshalb sei er überlastet, weil die Verpflichtung eines Anderen, die ihn ganz oder teilweise entlastet hätte, zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sei. Es wird alsdann nicht einfach eine Anfechtung der obrigkeitlichen Maßregel erhoben werden. Vielmehr nimmt die Klage auf Richtig- stellung der Last ihren Ausgang von dem Verhältnisse des Klägers zu dem Anderen, zu dessen Gunsten er überlastet ist. Gegen diesen wird die Klage gerichtet, oder wenn die Forderung von seiten der Behörde schon geltend gemacht ist, mit gerichtet. Der dadurch er- zielte Ausspruch über das Rechtsverhältnis zwischen den verpflichteten Unterthanen wirkt der rechtlichen Natur der Verbandlast entsprechend von selbst auch zur Feststellung dessen, was die öffentliche Gewalt von einem jeden zu fordern hat 18. 3. Zwischen dem lastberechtigten Subjekt der öffentlichen Ver- waltung, also regelmäßig dem Staat, und dem lastpflichtigen Mitgliede des Verbandes erscheint nun noch, immer deutlicher sich vordrängend, ein Dritter, eine vermittelnde juristische Person. Der Verband selbst, welchen die Lastträger bilden, ist zunächst noch nichts anderes als der Ausdruck für ihr Gesamtrechtsverhältnis. Er ist die Gesell- schaft der Verbundenen. Der Name Societät, welcher häufig zur Bezeichnung solcher Verbände gebraucht wird, giebt das Verhältnis richtig wieder. Für den Begriff des Rechtsinstitutes ist es nicht wesent- lich, daß der Verband noch mehr, daß er insbesondere mit irgend einer Form von juristischer Persönlichkeit ausgestattet sei 19. Die 18 Im früheren preuß. Recht bestand die Schwierigkeit, daß für die Beitrags- pflichtigen untereinander die Civilgerichte zuständig waren, der Behörde gegenüber aber nur der Beschwerdeweg sich eröffnete. Deshalb war, wenn die Festsetzung von dieser bereits erfolgt war, möglicherweise ein doppeltes Verfahren nötig; Oppenhoff, Ressortverhältnisse S. 105. Das Zuständigkeitsgesetz § 46, § 47, § 56 verweist auch die Streitigkeiten zwischen den Beteiligten vor die Verwaltungs- gerichte. Wenn der wegen Schullasten oder Wegelasten in Anspruch Genommene behauptet, daß ein Anderer statt seiner verpflichtet sei, so kann er nicht gegen die Behörde allein, sondern muß auch gegen diesen Andern klagen; die Ent- scheidung wirkt aber auch bindend für die Behörde; v. Brauchitsch, V.Gesetze Bd. I S. 301. 19 Rosin, Öff. Gen. S. 52: „So treten neben die öffentlichen Genossen- schaften auch Gesellschaften des öffentlichen Rechts.“ Ein Beispiel in O.V.G. 9. Mai 1885 (Samml. XII S. 171): Es werden Hebammenbezirke gebildet gemäß K. Ordre v. 16. Jan. 1817; die Eltern jedes Kindes im Bezirk, auch wenn sie die Land-Hebamme nicht rufen, haben an dieselbe eine bestimmte Taxe zu entrichten. Sie bilden einen Verband für das öffentliche Institut der Hebamme. Der Heb- ammenbezirk aber „ist keine öffentliche Korporation; durch Polizeiverordnung

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/302>, abgerufen am 04.05.2024.