Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen. III. Wenn das Gericht berufen wird, über eine civilrechtliche Spur mehr davon bewahrt. Zahlreiche vermögensrechtliche Ansprüche, die als
öffentlichrechtlich angesehen wurden, gingen demgemäss an die Verwaltungsgerichte, statt wie sonst in Deutschland an die Civilgerichte; sie waren nach Landesrecht keine bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Wenn für den Begriff der bürgerlichen Rechtsstreitigkeit, wie man immer betonte, das Landesrecht massgebend blieb, so konnten weder G.V.G. § 13, noch E.G. z. C.Pr.O. § 14 in Elsass-Lothringen eine Änderung hervorbringen. Gleichwohl glaubte man mit diesem Begriffe als einem selbständigen gemeinrechtlichen hineingreifen zu können. Wie denn der Abg. v. Puttkamer den § 4 damit begründet: es sei in Elsass-Lothringen mit seiner zerstörten Verwaltungsrechtspflege geboten, "in der Entziehung von Streitsachen von den Gerichten vorsichtig zu sein und nicht in Widerspruch zu dem sich zu setzen, was in Deutschland gewissermassen gemeinen Rechtes sei". (Hahn, Mat. z. C.Pr.O. S. 1179). Die Elsass-Lothringische Ausführungsgesetzgebung hat sich dieser Auffassung gefügt und das Landesrecht in dem Sinne geändert, dass ver- mögensrechtliche Ansprüche auch öffentlichrechtlicher Art den Civilgerichten überwiesen wurden. Ein gemeinrechtlicher Begriff der bürgerlichen Rechtsstreitig- keit, der kein anderer ist als der alte polizeistaatliche, hat also sofort schon sich wirksam erwiesen. -- Seither hat das Reichsgericht, wie das ja auch sehr natürlich ist, einen kräftigen Vortrieb in der gleichen Richtung entwickelt. Es spricht davon, dass in diesen Sachen der Rechtsweg "an sich" zulässig sei; R.G. 15. März 1882 (Samml. V S. 207), 1. Juli 1881 (Samml. V S. 38). Ein solches "an sich", gegen- über welchem die Landesgesetzgebung Verschiebungen machen kann, ist ja gerade der Begriff der bürgerlichen Rechtsstreitigkeit. Aber nach der Auffassung des Reichsgerichts besteht dieses "an sich" auch unabhängig von der Landesgesetz- gebung und zwar in dem Umfange, wie die alte polizeistaatliche Auffassung, ver- möge ihrer Fiskuslehre, es bestimmte. Nur so war es möglich, auch dem Reiche gegenüber eine allgemein gültige Abgrenzung des Begriffs der bürgerlichen Rechts- streitigkeit aufzustellen, wie dies das Reichsgericht namentlich in dem letzt- erwähnten Erkenntnisse thut. Wenn das Reichsrecht, sagt es, über die Zuständig- keit nichts bestimmt hat, so kann die Ergänzung nicht aus dem Rechte irgend eines Einzellandes geholt werden; vielmehr sind alsdann allein entscheidend "die- jenigen Normen, welche nach allgemeinen staatsrechtlichen Grundsätzen über die Abgrenzung der Gebiete der Justiz und Verwaltung und über die Frage, ob es sich um einen gerichtlich verfolgbaren Anspruch oder um eine Verwaltungsmass- regel handle, bestehen" (Samml. V S. 41). -- In gleicher Weise stellt R.G. 2. Febr. 1884 (Samml. XI S. 65) einen für ganz Deutschland massgebenden Grundsatz auf, von dem schon vor Gründung des neuen Reichs allgemein "das Bewusstsein wach geworden ist", dahin lautend: "Die ordentlichen Gerichte sind berufen, Vermögens- rechtsstreitigkeiten zu entscheiden, auch wenn zur Entscheidung Normen des öffent- lichen Rechtes anzuwenden sind". Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen. III. Wenn das Gericht berufen wird, über eine civilrechtliche Spur mehr davon bewahrt. Zahlreiche vermögensrechtliche Ansprüche, die als
öffentlichrechtlich angesehen wurden, gingen demgemäſs an die Verwaltungsgerichte, statt wie sonst in Deutschland an die Civilgerichte; sie waren nach Landesrecht keine bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Wenn für den Begriff der bürgerlichen Rechtsstreitigkeit, wie man immer betonte, das Landesrecht maſsgebend blieb, so konnten weder G.V.G. § 13, noch E.G. z. C.Pr.O. § 14 in Elsaſs-Lothringen eine Änderung hervorbringen. Gleichwohl glaubte man mit diesem Begriffe als einem selbständigen gemeinrechtlichen hineingreifen zu können. Wie denn der Abg. v. Puttkamer den § 4 damit begründet: es sei in Elsaſs-Lothringen mit seiner zerstörten Verwaltungsrechtspflege geboten, „in der Entziehung von Streitsachen von den Gerichten vorsichtig zu sein und nicht in Widerspruch zu dem sich zu setzen, was in Deutschland gewissermaſsen gemeinen Rechtes sei“. (Hahn, Mat. z. C.Pr.O. S. 1179). Die Elsaſs-Lothringische Ausführungsgesetzgebung hat sich dieser Auffassung gefügt und das Landesrecht in dem Sinne geändert, daſs ver- mögensrechtliche Ansprüche auch öffentlichrechtlicher Art den Civilgerichten überwiesen wurden. Ein gemeinrechtlicher Begriff der bürgerlichen Rechtsstreitig- keit, der kein anderer ist als der alte polizeistaatliche, hat also sofort schon sich wirksam erwiesen. — Seither hat das Reichsgericht, wie das ja auch sehr natürlich ist, einen kräftigen Vortrieb in der gleichen Richtung entwickelt. Es spricht davon, daſs in diesen Sachen der Rechtsweg „an sich“ zulässig sei; R.G. 15. März 1882 (Samml. V S. 207), 1. Juli 1881 (Samml. V S. 38). Ein solches „an sich“, gegen- über welchem die Landesgesetzgebung Verschiebungen machen kann, ist ja gerade der Begriff der bürgerlichen Rechtsstreitigkeit. Aber nach der Auffassung des Reichsgerichts besteht dieses „an sich“ auch unabhängig von der Landesgesetz- gebung und zwar in dem Umfange, wie die alte polizeistaatliche Auffassung, ver- möge ihrer Fiskuslehre, es bestimmte. Nur so war es möglich, auch dem Reiche gegenüber eine allgemein gültige Abgrenzung des Begriffs der bürgerlichen Rechts- streitigkeit aufzustellen, wie dies das Reichsgericht namentlich in dem letzt- erwähnten Erkenntnisse thut. Wenn das Reichsrecht, sagt es, über die Zuständig- keit nichts bestimmt hat, so kann die Ergänzung nicht aus dem Rechte irgend eines Einzellandes geholt werden; vielmehr sind alsdann allein entscheidend „die- jenigen Normen, welche nach allgemeinen staatsrechtlichen Grundsätzen über die Abgrenzung der Gebiete der Justiz und Verwaltung und über die Frage, ob es sich um einen gerichtlich verfolgbaren Anspruch oder um eine Verwaltungsmaſs- regel handle, bestehen“ (Samml. V S. 41). — In gleicher Weise stellt R.G. 2. Febr. 1884 (Samml. XI S. 65) einen für ganz Deutschland maſsgebenden Grundsatz auf, von dem schon vor Gründung des neuen Reichs allgemein „das Bewuſstsein wach geworden ist“, dahin lautend: „Die ordentlichen Gerichte sind berufen, Vermögens- rechtsstreitigkeiten zu entscheiden, auch wenn zur Entscheidung Normen des öffent- lichen Rechtes anzuwenden sind“. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0236" n="216"/> <fw place="top" type="header">Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.</fw><lb/> <p>III. Wenn das Gericht berufen wird, über eine civilrechtliche<lb/> Sache in dem jetzt festgestellten Sinne zu entscheiden, so kann diese<lb/> Entscheidung möglicherweise abhängen von der Beurteilung eines<lb/> öffentlichrechtlichen Verhältnisses, d. h. eines solchen, dessen selb-<lb/> ständige Erledigung nicht dem Gerichte, sondern der Verwaltung ge-<lb/> hörte. 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Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
III. Wenn das Gericht berufen wird, über eine civilrechtliche
Sache in dem jetzt festgestellten Sinne zu entscheiden, so kann diese
Entscheidung möglicherweise abhängen von der Beurteilung eines
öffentlichrechtlichen Verhältnisses, d. h. eines solchen, dessen selb-
ständige Erledigung nicht dem Gerichte, sondern der Verwaltung ge-
hörte. Das Gleiche ergiebt sich bei den Strafgerichten, namentlich in
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10 Spur mehr davon bewahrt. Zahlreiche vermögensrechtliche Ansprüche, die als
öffentlichrechtlich angesehen wurden, gingen demgemäſs an die Verwaltungsgerichte,
statt wie sonst in Deutschland an die Civilgerichte; sie waren nach Landesrecht
keine bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Wenn für den Begriff der bürgerlichen
Rechtsstreitigkeit, wie man immer betonte, das Landesrecht maſsgebend blieb, so
konnten weder G.V.G. § 13, noch E.G. z. C.Pr.O. § 14 in Elsaſs-Lothringen eine
Änderung hervorbringen. Gleichwohl glaubte man mit diesem Begriffe als einem
selbständigen gemeinrechtlichen hineingreifen zu können. Wie denn der Abg.
v. Puttkamer den § 4 damit begründet: es sei in Elsaſs-Lothringen mit seiner
zerstörten Verwaltungsrechtspflege geboten, „in der Entziehung von Streitsachen
von den Gerichten vorsichtig zu sein und nicht in Widerspruch zu dem sich zu
setzen, was in Deutschland gewissermaſsen gemeinen Rechtes sei“. (Hahn, Mat.
z. C.Pr.O. S. 1179). Die Elsaſs-Lothringische Ausführungsgesetzgebung hat sich
dieser Auffassung gefügt und das Landesrecht in dem Sinne geändert, daſs ver-
mögensrechtliche Ansprüche auch öffentlichrechtlicher Art den Civilgerichten
überwiesen wurden. Ein gemeinrechtlicher Begriff der bürgerlichen Rechtsstreitig-
keit, der kein anderer ist als der alte polizeistaatliche, hat also sofort schon sich
wirksam erwiesen. — Seither hat das Reichsgericht, wie das ja auch sehr natürlich
ist, einen kräftigen Vortrieb in der gleichen Richtung entwickelt. Es spricht
davon, daſs in diesen Sachen der Rechtsweg „an sich“ zulässig sei; R.G. 15. März
1882 (Samml. V S. 207), 1. Juli 1881 (Samml. V S. 38). Ein solches „an sich“, gegen-
über welchem die Landesgesetzgebung Verschiebungen machen kann, ist ja gerade
der Begriff der bürgerlichen Rechtsstreitigkeit. Aber nach der Auffassung des
Reichsgerichts besteht dieses „an sich“ auch unabhängig von der Landesgesetz-
gebung und zwar in dem Umfange, wie die alte polizeistaatliche Auffassung, ver-
möge ihrer Fiskuslehre, es bestimmte. Nur so war es möglich, auch dem Reiche
gegenüber eine allgemein gültige Abgrenzung des Begriffs der bürgerlichen Rechts-
streitigkeit aufzustellen, wie dies das Reichsgericht namentlich in dem letzt-
erwähnten Erkenntnisse thut. Wenn das Reichsrecht, sagt es, über die Zuständig-
keit nichts bestimmt hat, so kann die Ergänzung nicht aus dem Rechte irgend
eines Einzellandes geholt werden; vielmehr sind alsdann allein entscheidend „die-
jenigen Normen, welche nach allgemeinen staatsrechtlichen Grundsätzen über die
Abgrenzung der Gebiete der Justiz und Verwaltung und über die Frage, ob es
sich um einen gerichtlich verfolgbaren Anspruch oder um eine Verwaltungsmaſs-
regel handle, bestehen“ (Samml. V S. 41). — In gleicher Weise stellt R.G. 2. Febr.
1884 (Samml. XI S. 65) einen für ganz Deutschland maſsgebenden Grundsatz auf,
von dem schon vor Gründung des neuen Reichs allgemein „das Bewuſstsein wach
geworden ist“, dahin lautend: „Die ordentlichen Gerichte sind berufen, Vermögens-
rechtsstreitigkeiten zu entscheiden, auch wenn zur Entscheidung Normen des öffent-
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