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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 16. Zuständigkeit der Civilgerichte.
bestimmt haben. Dem gegenüber kann die Theorie wohl erklären,
dass jetzt als öffentlichrechtlich anzusehen und danach zu beurteilen
ist, was man früher für civilrechtlich ansah. Aber sie hat nicht die
Macht zu sagen, dass es nun auch den Civilgerichten nicht gehöre.
Das Gesetz besteht, welches diese Sachen, was die Zuständigkeit der
Civilgerichte anlangt, als bürgerliche Rechtsstreitigkeiten hat behandeln
wollen, und dabei bleibt es.

Diesen bestehenden Rechtszustand hat G.V.G. § 13 unter die
Obhut des Reichsrechts genommen9. Die bürgerliche Rechtsstreitig-
keit ist demnach kein ganz einfacher Begriff. Sie bedeutet eine
Sache, welche gemäss den in der ersten Hälfte des Jahrhunderts
herrschenden Auffassungen als civilrechtlich anzusehen ist und des-
halb zu der von unseren Gerichtsordnungsgesetzen gewollten allge-
meinen Zuständigkeit des Civilgerichtes gehört10.

9 Diese Obhut bedeutet, dass bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zur Zuständig-
keit der Civilgerichte gehören und ihnen durch die Landesgesetze nur entzogen
werden können unter gleichzeitiger Begründung der Zuständigkeit einer Verwaltungs-
behörde oder eines Verwaltungsgerichts. E.G. z. C.Pr.O. § 4 fügt noch die weitere
Beschränkung hinzu, dass auch eine solche an sich erlaubte Entziehung nicht
stattfinden darf wegen der Beteiligung des Fiskus. Das Merkmal einer Entziehung,
welche dadurch ausgeschlossen sein soll, giebt der Abg. v. Puttkamer, auf dessen
Antrag der § 4 beruht, damit: "Civilprozesse des Fiskus und der Gemeinde sollen
in denjenigen Fällen, wo gleichartige Prozesse unter Privaten vor die ordentlichen
Gerichte gehören, den Gerichten nicht entzogen werden, weil der Fiskus oder die
Gemeinde beteiligt sind" (Hahn, Mat. z. C.Pr.O, S. 1281). Der letzte Satz: "weil
u. s. w." soll heissen: denn dann ist anzunehmen, dass die Entziehung wegen Be-
teiligung des Fiskus oder der Gemeinde geschehen sei.
10 Der Begriff der bürgerlichen Rechtsstreitigkeit wäre nach dem Ausgeführten
allerdings nicht gemeinrechtlich abgegrenzt, sondern nur gemeinrechtlich fest-
gelegt für jedes Land, wie er sich bis dahin landesrechtlich gestaltet hatte. Bei
den Beratungen der C.Pr.O. und des G.V.G. wurde auch mehrfach darauf verwiesen,
dass es das Landesrecht sei, welches den Begriff bestimme. Das Landesrecht
hatte es, wie gesagt, durchweg gethan im Sinne der polizeistaatlichen Auffassung.
Aber dabei konnten immerhin Verschiedenheiten noch gegeben sein, indem das eine
oder andere Land von dieser Auffassung sich vielleicht doch schon weiter ent-
fernt hatte als die übrigen und in vermögensrechtlichen Dingen schon eher geneigt
war, öffentliches Recht zu erkennen. -- In unbefangenem Widerspruch mit diesen
Folgerungen, die aus der Verweisung auf das Landesrecht zu ziehen wären, tritt
aber sofort schon der Gedanke auf, dass der Begriff der bürgerlichen Rechts-
streitigkeit im Sinne des Reichsgesetzes nur einer sein sollte, und zwar der der
Mehrheit, der im Preussischen Rechte geltende zumal. Das zeigt sich in ganz
merkwürdiger Weise daran, dass die Bestimmung des § 4 E.G. z. C.Pr.O. gerade
auf Elsass-Lothringen gemünzt war. Das dort geltende französische Recht hatte
die polizeistaatliche Abgrenzung des Civilrechts schon seit der Revolution über-
wunden und auch in der Abgrenzung der Zuständigkeit der Civilgerichte keine

§ 16. Zuständigkeit der Civilgerichte.
bestimmt haben. Dem gegenüber kann die Theorie wohl erklären,
daſs jetzt als öffentlichrechtlich anzusehen und danach zu beurteilen
ist, was man früher für civilrechtlich ansah. Aber sie hat nicht die
Macht zu sagen, daſs es nun auch den Civilgerichten nicht gehöre.
Das Gesetz besteht, welches diese Sachen, was die Zuständigkeit der
Civilgerichte anlangt, als bürgerliche Rechtsstreitigkeiten hat behandeln
wollen, und dabei bleibt es.

Diesen bestehenden Rechtszustand hat G.V.G. § 13 unter die
Obhut des Reichsrechts genommen9. Die bürgerliche Rechtsstreitig-
keit ist demnach kein ganz einfacher Begriff. Sie bedeutet eine
Sache, welche gemäſs den in der ersten Hälfte des Jahrhunderts
herrschenden Auffassungen als civilrechtlich anzusehen ist und des-
halb zu der von unseren Gerichtsordnungsgesetzen gewollten allge-
meinen Zuständigkeit des Civilgerichtes gehört10.

9 Diese Obhut bedeutet, daſs bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zur Zuständig-
keit der Civilgerichte gehören und ihnen durch die Landesgesetze nur entzogen
werden können unter gleichzeitiger Begründung der Zuständigkeit einer Verwaltungs-
behörde oder eines Verwaltungsgerichts. E.G. z. C.Pr.O. § 4 fügt noch die weitere
Beschränkung hinzu, daſs auch eine solche an sich erlaubte Entziehung nicht
stattfinden darf wegen der Beteiligung des Fiskus. Das Merkmal einer Entziehung,
welche dadurch ausgeschlossen sein soll, giebt der Abg. v. Puttkamer, auf dessen
Antrag der § 4 beruht, damit: „Civilprozesse des Fiskus und der Gemeinde sollen
in denjenigen Fällen, wo gleichartige Prozesse unter Privaten vor die ordentlichen
Gerichte gehören, den Gerichten nicht entzogen werden, weil der Fiskus oder die
Gemeinde beteiligt sind“ (Hahn, Mat. z. C.Pr.O, S. 1281). Der letzte Satz: „weil
u. s. w.“ soll heiſsen: denn dann ist anzunehmen, daſs die Entziehung wegen Be-
teiligung des Fiskus oder der Gemeinde geschehen sei.
10 Der Begriff der bürgerlichen Rechtsstreitigkeit wäre nach dem Ausgeführten
allerdings nicht gemeinrechtlich abgegrenzt, sondern nur gemeinrechtlich fest-
gelegt für jedes Land, wie er sich bis dahin landesrechtlich gestaltet hatte. Bei
den Beratungen der C.Pr.O. und des G.V.G. wurde auch mehrfach darauf verwiesen,
daſs es das Landesrecht sei, welches den Begriff bestimme. Das Landesrecht
hatte es, wie gesagt, durchweg gethan im Sinne der polizeistaatlichen Auffassung.
Aber dabei konnten immerhin Verschiedenheiten noch gegeben sein, indem das eine
oder andere Land von dieser Auffassung sich vielleicht doch schon weiter ent-
fernt hatte als die übrigen und in vermögensrechtlichen Dingen schon eher geneigt
war, öffentliches Recht zu erkennen. — In unbefangenem Widerspruch mit diesen
Folgerungen, die aus der Verweisung auf das Landesrecht zu ziehen wären, tritt
aber sofort schon der Gedanke auf, daſs der Begriff der bürgerlichen Rechts-
streitigkeit im Sinne des Reichsgesetzes nur einer sein sollte, und zwar der der
Mehrheit, der im Preuſsischen Rechte geltende zumal. Das zeigt sich in ganz
merkwürdiger Weise daran, daſs die Bestimmung des § 4 E.G. z. C.Pr.O. gerade
auf Elsaſs-Lothringen gemünzt war. Das dort geltende französische Recht hatte
die polizeistaatliche Abgrenzung des Civilrechts schon seit der Revolution über-
wunden und auch in der Abgrenzung der Zuständigkeit der Civilgerichte keine
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[215/0235] § 16. Zuständigkeit der Civilgerichte. bestimmt haben. Dem gegenüber kann die Theorie wohl erklären, daſs jetzt als öffentlichrechtlich anzusehen und danach zu beurteilen ist, was man früher für civilrechtlich ansah. Aber sie hat nicht die Macht zu sagen, daſs es nun auch den Civilgerichten nicht gehöre. Das Gesetz besteht, welches diese Sachen, was die Zuständigkeit der Civilgerichte anlangt, als bürgerliche Rechtsstreitigkeiten hat behandeln wollen, und dabei bleibt es. Diesen bestehenden Rechtszustand hat G.V.G. § 13 unter die Obhut des Reichsrechts genommen 9. Die bürgerliche Rechtsstreitig- keit ist demnach kein ganz einfacher Begriff. Sie bedeutet eine Sache, welche gemäſs den in der ersten Hälfte des Jahrhunderts herrschenden Auffassungen als civilrechtlich anzusehen ist und des- halb zu der von unseren Gerichtsordnungsgesetzen gewollten allge- meinen Zuständigkeit des Civilgerichtes gehört 10. 9 Diese Obhut bedeutet, daſs bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zur Zuständig- keit der Civilgerichte gehören und ihnen durch die Landesgesetze nur entzogen werden können unter gleichzeitiger Begründung der Zuständigkeit einer Verwaltungs- behörde oder eines Verwaltungsgerichts. E.G. z. C.Pr.O. § 4 fügt noch die weitere Beschränkung hinzu, daſs auch eine solche an sich erlaubte Entziehung nicht stattfinden darf wegen der Beteiligung des Fiskus. Das Merkmal einer Entziehung, welche dadurch ausgeschlossen sein soll, giebt der Abg. v. Puttkamer, auf dessen Antrag der § 4 beruht, damit: „Civilprozesse des Fiskus und der Gemeinde sollen in denjenigen Fällen, wo gleichartige Prozesse unter Privaten vor die ordentlichen Gerichte gehören, den Gerichten nicht entzogen werden, weil der Fiskus oder die Gemeinde beteiligt sind“ (Hahn, Mat. z. C.Pr.O, S. 1281). Der letzte Satz: „weil u. s. w.“ soll heiſsen: denn dann ist anzunehmen, daſs die Entziehung wegen Be- teiligung des Fiskus oder der Gemeinde geschehen sei. 10 Der Begriff der bürgerlichen Rechtsstreitigkeit wäre nach dem Ausgeführten allerdings nicht gemeinrechtlich abgegrenzt, sondern nur gemeinrechtlich fest- gelegt für jedes Land, wie er sich bis dahin landesrechtlich gestaltet hatte. Bei den Beratungen der C.Pr.O. und des G.V.G. wurde auch mehrfach darauf verwiesen, daſs es das Landesrecht sei, welches den Begriff bestimme. Das Landesrecht hatte es, wie gesagt, durchweg gethan im Sinne der polizeistaatlichen Auffassung. Aber dabei konnten immerhin Verschiedenheiten noch gegeben sein, indem das eine oder andere Land von dieser Auffassung sich vielleicht doch schon weiter ent- fernt hatte als die übrigen und in vermögensrechtlichen Dingen schon eher geneigt war, öffentliches Recht zu erkennen. — In unbefangenem Widerspruch mit diesen Folgerungen, die aus der Verweisung auf das Landesrecht zu ziehen wären, tritt aber sofort schon der Gedanke auf, daſs der Begriff der bürgerlichen Rechts- streitigkeit im Sinne des Reichsgesetzes nur einer sein sollte, und zwar der der Mehrheit, der im Preuſsischen Rechte geltende zumal. Das zeigt sich in ganz merkwürdiger Weise daran, daſs die Bestimmung des § 4 E.G. z. C.Pr.O. gerade auf Elsaſs-Lothringen gemünzt war. Das dort geltende französische Recht hatte die polizeistaatliche Abgrenzung des Civilrechts schon seit der Revolution über- wunden und auch in der Abgrenzung der Zuständigkeit der Civilgerichte keine

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/235>, abgerufen am 22.12.2024.