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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
und mehr Anhänger. Allein daneben ist es eine unbestreitbare That-
sache, dass die Zuständigkeit der Gerichte jetzt noch gehandhabt
wird auf Grund derjenigen Abgrenzung des Civilrechts und der
bürgerlichen Rechtsstreitigkeit, welche den oben S. 50 ff. dargestellten
Anschauungen des Polizeistaats entspricht7.

Sollen wir hierin eine Umwälzung herbeiführen wollen im Sinne
einer Durchführung der neueren Theorie? Oder gilt es vielmehr,
diese danach zu berichtigen8? Keines von beiden. Es muss dabei
bewenden, dass der Umfang des Civilrechts anders begrenzt ist für
die materiellrechtliche Beurteilung und anders für die danach zu be-
messende bürgerliche Rechtsstreitigkeit. Denn für die letztere ist er
festgelegt durch positive staatliche Ordnungen, die dazwischen liegen.

Wenn ein ausdrückliches Gesetz ergangen ist, welches besagt:
Streitigkeiten aus civilrechtlichen Verhältnissen gehören vor die Ge-
richte, so verweist es allerdings auf die Theorie über die Abgrenzung
derselben. Aber es giebt ihr nicht ein Blankett zur wechselnden
Ausfüllung, sondern es macht die zur Zeit bestehende Theorie zum
Bestandteil seiner Bestimmungen. Das Gleiche gilt von einem Gesetze,
welches einfach Civilgerichte einsetzt: stillschweigend sind diese für
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten eingesetzt, als bürgerliche Rechts-
streitigkeiten sind Streitigkeiten aus civilrechtlichen Verhältnissen ge-
meint, und als civilrechtliche Verhältnisse solche, die die zur Zeit geltende
Auffassung dafür erkennt. Nun reichen unsere landesrechtlichen Ge-
richtsordnungen mit der für sie massgebenden Ausscheidung öffentlich-
rechtlicher und civilrechtlicher Sachen alle mehr oder weniger in die
Zeit der polizeistaatlichen Anschauungen zurück. Nachträgliche Neu-
ordnungen sind dafür anzusehen, dass sie die damit gegebene Zu-
ständigkeitsabgrenzung im alten Umfang haben übernehmen wollen,
es sei denn, dass sie, was ja nicht der Fall ist, ausdrücklich anders

7 Sobald es sich um "vermögensrechtliche" Fragen handelt, gilt der Rechts-
weg gegen den Staat als selbstverständlich, sofern er nicht besonders ausgeschlossen
ist. Ein kräftiges Zeugnis für diese Auffassung giebt unbewusst Gneist, Ver-
waltung, Justiz, Rechtsweg S. 182, wenn er als eine Folge der in Frankreich be-
stehenden "absoluten Negation des Rechtsstaats" bezeichnet: "die Attributivjustiz
der Verwaltungsbehörden in vermögensrechtlichen Streitfragen". Dort handelt es
sich immer um öffentlichrechtliche Sachen, die jedenfalls in letzter Instanz voll in
die Verwaltungsrechtspflege gehen. Gneist aber betrachtet das eben als einen
Raub an den Civilgerichten.
8 So mit recht künstlichen Wendungen Wach, C.Pr.R. S. 97, bezüglich der
Enteignungsentschädigung und v. Sarwey, Öff. R. u. V.R.Pfl, bezüglich des
Beamtengehaltes. Vgl. auch Loening, VR. S. 785 unten und Note 3 dazu a. E.

Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
und mehr Anhänger. Allein daneben ist es eine unbestreitbare That-
sache, daſs die Zuständigkeit der Gerichte jetzt noch gehandhabt
wird auf Grund derjenigen Abgrenzung des Civilrechts und der
bürgerlichen Rechtsstreitigkeit, welche den oben S. 50 ff. dargestellten
Anschauungen des Polizeistaats entspricht7.

Sollen wir hierin eine Umwälzung herbeiführen wollen im Sinne
einer Durchführung der neueren Theorie? Oder gilt es vielmehr,
diese danach zu berichtigen8? Keines von beiden. Es muſs dabei
bewenden, daſs der Umfang des Civilrechts anders begrenzt ist für
die materiellrechtliche Beurteilung und anders für die danach zu be-
messende bürgerliche Rechtsstreitigkeit. Denn für die letztere ist er
festgelegt durch positive staatliche Ordnungen, die dazwischen liegen.

Wenn ein ausdrückliches Gesetz ergangen ist, welches besagt:
Streitigkeiten aus civilrechtlichen Verhältnissen gehören vor die Ge-
richte, so verweist es allerdings auf die Theorie über die Abgrenzung
derselben. Aber es giebt ihr nicht ein Blankett zur wechselnden
Ausfüllung, sondern es macht die zur Zeit bestehende Theorie zum
Bestandteil seiner Bestimmungen. Das Gleiche gilt von einem Gesetze,
welches einfach Civilgerichte einsetzt: stillschweigend sind diese für
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten eingesetzt, als bürgerliche Rechts-
streitigkeiten sind Streitigkeiten aus civilrechtlichen Verhältnissen ge-
meint, und als civilrechtliche Verhältnisse solche, die die zur Zeit geltende
Auffassung dafür erkennt. Nun reichen unsere landesrechtlichen Ge-
richtsordnungen mit der für sie maſsgebenden Ausscheidung öffentlich-
rechtlicher und civilrechtlicher Sachen alle mehr oder weniger in die
Zeit der polizeistaatlichen Anschauungen zurück. Nachträgliche Neu-
ordnungen sind dafür anzusehen, daſs sie die damit gegebene Zu-
ständigkeitsabgrenzung im alten Umfang haben übernehmen wollen,
es sei denn, daſs sie, was ja nicht der Fall ist, ausdrücklich anders

7 Sobald es sich um „vermögensrechtliche“ Fragen handelt, gilt der Rechts-
weg gegen den Staat als selbstverständlich, sofern er nicht besonders ausgeschlossen
ist. Ein kräftiges Zeugnis für diese Auffassung giebt unbewuſst Gneist, Ver-
waltung, Justiz, Rechtsweg S. 182, wenn er als eine Folge der in Frankreich be-
stehenden „absoluten Negation des Rechtsstaats“ bezeichnet: „die Attributivjustiz
der Verwaltungsbehörden in vermögensrechtlichen Streitfragen“. Dort handelt es
sich immer um öffentlichrechtliche Sachen, die jedenfalls in letzter Instanz voll in
die Verwaltungsrechtspflege gehen. Gneist aber betrachtet das eben als einen
Raub an den Civilgerichten.
8 So mit recht künstlichen Wendungen Wach, C.Pr.R. S. 97, bezüglich der
Enteignungsentschädigung und v. Sarwey, Öff. R. u. V.R.Pfl, bezüglich des
Beamtengehaltes. Vgl. auch Loening, VR. S. 785 unten und Note 3 dazu a. E.
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[214/0234] Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen. und mehr Anhänger. Allein daneben ist es eine unbestreitbare That- sache, daſs die Zuständigkeit der Gerichte jetzt noch gehandhabt wird auf Grund derjenigen Abgrenzung des Civilrechts und der bürgerlichen Rechtsstreitigkeit, welche den oben S. 50 ff. dargestellten Anschauungen des Polizeistaats entspricht 7. Sollen wir hierin eine Umwälzung herbeiführen wollen im Sinne einer Durchführung der neueren Theorie? Oder gilt es vielmehr, diese danach zu berichtigen 8? Keines von beiden. Es muſs dabei bewenden, daſs der Umfang des Civilrechts anders begrenzt ist für die materiellrechtliche Beurteilung und anders für die danach zu be- messende bürgerliche Rechtsstreitigkeit. Denn für die letztere ist er festgelegt durch positive staatliche Ordnungen, die dazwischen liegen. Wenn ein ausdrückliches Gesetz ergangen ist, welches besagt: Streitigkeiten aus civilrechtlichen Verhältnissen gehören vor die Ge- richte, so verweist es allerdings auf die Theorie über die Abgrenzung derselben. Aber es giebt ihr nicht ein Blankett zur wechselnden Ausfüllung, sondern es macht die zur Zeit bestehende Theorie zum Bestandteil seiner Bestimmungen. Das Gleiche gilt von einem Gesetze, welches einfach Civilgerichte einsetzt: stillschweigend sind diese für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten eingesetzt, als bürgerliche Rechts- streitigkeiten sind Streitigkeiten aus civilrechtlichen Verhältnissen ge- meint, und als civilrechtliche Verhältnisse solche, die die zur Zeit geltende Auffassung dafür erkennt. Nun reichen unsere landesrechtlichen Ge- richtsordnungen mit der für sie maſsgebenden Ausscheidung öffentlich- rechtlicher und civilrechtlicher Sachen alle mehr oder weniger in die Zeit der polizeistaatlichen Anschauungen zurück. Nachträgliche Neu- ordnungen sind dafür anzusehen, daſs sie die damit gegebene Zu- ständigkeitsabgrenzung im alten Umfang haben übernehmen wollen, es sei denn, daſs sie, was ja nicht der Fall ist, ausdrücklich anders 7 Sobald es sich um „vermögensrechtliche“ Fragen handelt, gilt der Rechts- weg gegen den Staat als selbstverständlich, sofern er nicht besonders ausgeschlossen ist. Ein kräftiges Zeugnis für diese Auffassung giebt unbewuſst Gneist, Ver- waltung, Justiz, Rechtsweg S. 182, wenn er als eine Folge der in Frankreich be- stehenden „absoluten Negation des Rechtsstaats“ bezeichnet: „die Attributivjustiz der Verwaltungsbehörden in vermögensrechtlichen Streitfragen“. Dort handelt es sich immer um öffentlichrechtliche Sachen, die jedenfalls in letzter Instanz voll in die Verwaltungsrechtspflege gehen. Gneist aber betrachtet das eben als einen Raub an den Civilgerichten. 8 So mit recht künstlichen Wendungen Wach, C.Pr.R. S. 97, bezüglich der Enteignungsentschädigung und v. Sarwey, Öff. R. u. V.R.Pfl, bezüglich des Beamtengehaltes. Vgl. auch Loening, VR. S. 785 unten und Note 3 dazu a. E.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/234>, abgerufen am 22.12.2024.