Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen. Nachprüfungsrechtspflege steht ihm sodann häufig zu gegenüberUrteilen unterer Verwaltungsgerichte, insofern er dagegen lediglich angerufen werden kann wegen unrichtiger Anwendung des Gesetzes oder Formverletzung. Dafür ist das Vorbild der civilprozessrechtlichen Revision massgebend, deren Grundsätze im wesentlichen einfach übernommen worden sind24. Als Seitenstück dieser Revision gegen Urteile hat sich aber noch (Kahr, Komment. I S. 129 Note 4) und seiner sachlichen Bedeutung nach kann es nur als Berufung bezeichnet werden (Merkel, Encyklopädie § 781; Parey, V.R. I S. 190, S. 290). Wie nach bayr. Recht alle Verwaltungsrechtspflege, so ist auch diese Berufungsinstanz beschränkt durch Ausschluss der Punkte, in welchen freies Ermessen zum Vorschein kommt; aber deshalb darf man doch nicht sagen, wie G. Meyer, V.R. I S. 64 Note 29, der bayrische Verwaltungsgerichtshof habe "den Charakter einer reinen Revisions- oder Kassationsinstanz". Vgl. V.G.H. 7. Dez. 1880 (Samml. II S. 285): "Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht Kassationshof; er ist auch nicht Revisionsgericht im Sinne der C.Pr.O., welches den Parteien aller- dings Recht spricht, aber an die in dem angefochtenen Urteil festgestellten That- sachen gebunden ist; er ist vielmehr wirkliches Instanzgericht". Wegen der Beweis- frage dabei vgl. unten Note 33. 24 Preuss. L.V.G. § 93 und 94 (Revision); Sächs. Ges. D. v. 30. Jan. 1835
§ 17 (Nichtigkeitsbeschwerde); Bad Ges. 14. Juni 1884 § 42 (Nichtigkeits- beschwerde). Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen. Nachprüfungsrechtspflege steht ihm sodann häufig zu gegenüberUrteilen unterer Verwaltungsgerichte, insofern er dagegen lediglich angerufen werden kann wegen unrichtiger Anwendung des Gesetzes oder Formverletzung. Dafür ist das Vorbild der civilprozeſsrechtlichen Revision maſsgebend, deren Grundsätze im wesentlichen einfach übernommen worden sind24. Als Seitenstück dieser Revision gegen Urteile hat sich aber noch (Kahr, Komment. I S. 129 Note 4) und seiner sachlichen Bedeutung nach kann es nur als Berufung bezeichnet werden (Merkel, Encyklopädie § 781; Parey, V.R. I S. 190, S. 290). Wie nach bayr. Recht alle Verwaltungsrechtspflege, so ist auch diese Berufungsinstanz beschränkt durch Ausschluſs der Punkte, in welchen freies Ermessen zum Vorschein kommt; aber deshalb darf man doch nicht sagen, wie G. Meyer, V.R. I S. 64 Note 29, der bayrische Verwaltungsgerichtshof habe „den Charakter einer reinen Revisions- oder Kassationsinstanz“. Vgl. V.G.H. 7. Dez. 1880 (Samml. II S. 285): „Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht Kassationshof; er ist auch nicht Revisionsgericht im Sinne der C.Pr.O., welches den Parteien aller- dings Recht spricht, aber an die in dem angefochtenen Urteil festgestellten That- sachen gebunden ist; er ist vielmehr wirkliches Instanzgericht“. Wegen der Beweis- frage dabei vgl. unten Note 33. 24 Preuſs. L.V.G. § 93 und 94 (Revision); Sächs. Ges. D. v. 30. Jan. 1835
§ 17 (Nichtigkeitsbeschwerde); Bad Ges. 14. Juni 1884 § 42 (Nichtigkeits- beschwerde). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0210" n="190"/><fw place="top" type="header">Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.</fw><lb/> Nachprüfungsrechtspflege steht ihm sodann häufig zu gegenüber<lb/> Urteilen unterer Verwaltungsgerichte, insofern er dagegen lediglich<lb/> angerufen werden kann wegen unrichtiger Anwendung des Gesetzes<lb/> oder Formverletzung. Dafür ist das Vorbild der civilprozeſsrechtlichen<lb/><hi rendition="#g">Revision</hi> maſsgebend, deren Grundsätze im wesentlichen einfach<lb/> übernommen worden sind<note place="foot" n="24">Preuſs. L.V.G. § 93 und 94 (Revision); Sächs. Ges. D. v. 30. Jan. 1835<lb/> § 17 (Nichtigkeitsbeschwerde); Bad Ges. 14. Juni 1884 § 42 (Nichtigkeits-<lb/> beschwerde).</note>.</p><lb/> <p>Als Seitenstück dieser Revision gegen Urteile hat sich aber noch<lb/> eine eigenartige Form der obersten Rechtspflege ausgebildet, die eine<lb/> ähnliche Überwachung auch der einfachen Verwaltungsakte der Behörde<lb/> ermöglichen soll. Sie hat man im Auge, wenn man von <hi rendition="#g">Rechts-<lb/> kontrolle, Rechtsbeschwerden, Verwaltungsklagen</hi><lb/> spricht Es soll eine oberste Rechtspflege sein, die beschränkt ist auf<lb/> die Prüfung der Einhaltung gewisser Rechtsschranken; der durch die<lb/> Überschreitung Verletzte kann sie in Bewegung setzen durch eine<lb/> Anfechtungsklage, die er gegen den verletzenden Verwaltungsakt er-<lb/> hebt. Nun bieten aber die Verwaltungsakte ein buntes Gemisch von<lb/> rechtlicher Bestimmtheit und freier Bewegung, bald völlig gebunden,<lb/> bald teilweise, bald ganz frei innerhalb gewisser Grenzen oder auch<lb/> nur innerhalb des Spielraums, den die Verfolgung eines gewissen<lb/> Zieles gewährt. Die Grundsätze, nach welchen eine einheitliche<lb/> Nachprüfung des Rechtspunktes an ihnen vorgenommen werden soll,<lb/> können deshalb verschieden gewählt werden. Es ist verfehlt, wenn<lb/> man sich die „Rechtskontrolle“ als einen festen gegebenen Begriff<lb/> denkt. Das Gesetz bestimmt die Verwaltungsstreitsachen auch hier<lb/> wieder ganz nach seinem Gutdünken und deshalb in den verschiedenen<lb/> Ländern verschieden.</p><lb/> <p> <note xml:id="seg2pn_40_2" prev="#seg2pn_40_1" place="foot" n="23">(<hi rendition="#g">Kahr,</hi> Komment. I S. 129 Note 4) und seiner sachlichen Bedeutung nach kann es<lb/> nur als Berufung bezeichnet werden (<hi rendition="#g">Merkel,</hi> Encyklopädie § 781; <hi rendition="#g">Parey,</hi> V.R.<lb/> I S. 190, S. 290). Wie nach bayr. Recht alle Verwaltungsrechtspflege, so ist auch<lb/> diese Berufungsinstanz beschränkt durch Ausschluſs der Punkte, in welchen freies<lb/> Ermessen zum Vorschein kommt; aber deshalb darf man doch nicht sagen, wie<lb/> G. <hi rendition="#g">Meyer,</hi> V.R. I S. 64 Note 29, der bayrische Verwaltungsgerichtshof habe „den<lb/> Charakter einer reinen Revisions- oder Kassationsinstanz“. Vgl. V.G.H. 7. Dez.<lb/> 1880 (Samml. II S. 285): „Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht Kassationshof; er<lb/> ist auch nicht Revisionsgericht im Sinne der C.Pr.O., welches den Parteien aller-<lb/> dings Recht spricht, aber an die in dem angefochtenen Urteil festgestellten That-<lb/> sachen gebunden ist; er ist vielmehr wirkliches Instanzgericht“. Wegen der Beweis-<lb/> frage dabei vgl. unten Note 33.</note> </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [190/0210]
Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
Nachprüfungsrechtspflege steht ihm sodann häufig zu gegenüber
Urteilen unterer Verwaltungsgerichte, insofern er dagegen lediglich
angerufen werden kann wegen unrichtiger Anwendung des Gesetzes
oder Formverletzung. Dafür ist das Vorbild der civilprozeſsrechtlichen
Revision maſsgebend, deren Grundsätze im wesentlichen einfach
übernommen worden sind 24.
Als Seitenstück dieser Revision gegen Urteile hat sich aber noch
eine eigenartige Form der obersten Rechtspflege ausgebildet, die eine
ähnliche Überwachung auch der einfachen Verwaltungsakte der Behörde
ermöglichen soll. Sie hat man im Auge, wenn man von Rechts-
kontrolle, Rechtsbeschwerden, Verwaltungsklagen
spricht Es soll eine oberste Rechtspflege sein, die beschränkt ist auf
die Prüfung der Einhaltung gewisser Rechtsschranken; der durch die
Überschreitung Verletzte kann sie in Bewegung setzen durch eine
Anfechtungsklage, die er gegen den verletzenden Verwaltungsakt er-
hebt. Nun bieten aber die Verwaltungsakte ein buntes Gemisch von
rechtlicher Bestimmtheit und freier Bewegung, bald völlig gebunden,
bald teilweise, bald ganz frei innerhalb gewisser Grenzen oder auch
nur innerhalb des Spielraums, den die Verfolgung eines gewissen
Zieles gewährt. Die Grundsätze, nach welchen eine einheitliche
Nachprüfung des Rechtspunktes an ihnen vorgenommen werden soll,
können deshalb verschieden gewählt werden. Es ist verfehlt, wenn
man sich die „Rechtskontrolle“ als einen festen gegebenen Begriff
denkt. Das Gesetz bestimmt die Verwaltungsstreitsachen auch hier
wieder ganz nach seinem Gutdünken und deshalb in den verschiedenen
Ländern verschieden.
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24 Preuſs. L.V.G. § 93 und 94 (Revision); Sächs. Ges. D. v. 30. Jan. 1835
§ 17 (Nichtigkeitsbeschwerde); Bad Ges. 14. Juni 1884 § 42 (Nichtigkeits-
beschwerde).
23 (Kahr, Komment. I S. 129 Note 4) und seiner sachlichen Bedeutung nach kann es
nur als Berufung bezeichnet werden (Merkel, Encyklopädie § 781; Parey, V.R.
I S. 190, S. 290). Wie nach bayr. Recht alle Verwaltungsrechtspflege, so ist auch
diese Berufungsinstanz beschränkt durch Ausschluſs der Punkte, in welchen freies
Ermessen zum Vorschein kommt; aber deshalb darf man doch nicht sagen, wie
G. Meyer, V.R. I S. 64 Note 29, der bayrische Verwaltungsgerichtshof habe „den
Charakter einer reinen Revisions- oder Kassationsinstanz“. Vgl. V.G.H. 7. Dez.
1880 (Samml. II S. 285): „Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht Kassationshof; er
ist auch nicht Revisionsgericht im Sinne der C.Pr.O., welches den Parteien aller-
dings Recht spricht, aber an die in dem angefochtenen Urteil festgestellten That-
sachen gebunden ist; er ist vielmehr wirkliches Instanzgericht“. Wegen der Beweis-
frage dabei vgl. unten Note 33.
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