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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 14. Arten der Verwaltungsstreitsachen.
überweisen, daneben aber den allgemeinen Grundsatz aufstellen,
dass das immer nur für eine gewisse Seite gelten soll, die das
Verhältnis bieten mag, oder für eine gewisse Seite nicht, z. B.
nicht für Fragen des freien Ermessens21. Dann wird eine Sache, die
ganz nach freiem Ermessen zu erledigen ist, dem Verwaltungsrichter
überhaupt nicht zugewiesen sein; bei Sachen, die gemischt sind aus
freiem Ermessen und Rechtsprechung, tritt auch eine gemischte Be-
handlung ein, die Rechtspflege beschränkt sich auf die letztere Seite22;
bei Sachen, die ganz Rechtsprechung sind, wird dagegen die Be-
schränkung wieder nicht fühlbar.

Ihren Hauptsitz hat die beschränkte Rechtspflege bei den ober-
sten Landesverwaltungsgerichten.
Oberverwaltungsgerichten,
Verwaltungsgerichtshöfen. Hier wird in dieser Form eine einheitliche
Überwachung geübt über die unteren Verwaltungsgerichte und
über die einfachen Verwaltungsbehörden.

Dieser Gerichtshof kann für gewisse Sachen zuständig sein zu
einer Rechtspflege erster Instanz unmittelbar statt eines
unteren Verwaltungsgerichts. Er kann als Berufungsgericht
thätig werden gegenüber unteren Verwaltungsgerichten, wie auch
gegenüber einfachen Verwaltungsbehörden, also hier in nachträglicher
Verwaltungsrechtspflege (oben n. 1)23. In all diesen Fällen bietet
seine Rechtspflege keine weiteren Besonderheiten. Eine beschränkte

21 Die wichtigste Erscheinung dieser Art bietet das Bayr. Ges. v. 8. Aug.
1878 mit seiner Einzelaufzählung der Verwaltungsstreitsachen und dem allgemeinen
Vorbehalte des Art. 13, wonach diese Zuweisung für Ermessensfragen nicht wirkt.
Der Satz des französischen Rechts, dass nur actes du contentieux vor die Verwaltungs-
gerichte gehören, bedeutet dagegen eine Beschränkung der Verwaltungsrechtspflege,
aber keine beschränkte Verwaltungsrechtspflege: sobald an dem zu erlassenden
Akte etwas von freiem Ermessen sich findet, ist er kein acte du contentieux mehr;
geteilt wird er nicht.
22 Zweckmässig kann es sein, dass trotzdem dieselbe Behörde die ganze
Sache erledigt; dann thut sie es in verschiedener Eigenschaft, teils als einfache
Verwaltungsbehörde, teils als Verwaltungsgericht. So nach Bayr. V.Gerichtshof-
Ges. Art. 31 Abs. 3; Kahr, Komment. I S. 182, Seydel, Bayr. St.R. II S. 444.
Mit Unrecht giebt das v. Stengel in Wörterbuch II S. 717 als einen Fall, da
die Verwaltungsgerichte in Ermessensfragen entscheiden, gleich der Zuständigkeit
der preussischen Verwaltungsgerichte in Schulbausachen.
23 Preuss. L.V.G. § 42, 83; Bad. Ges. v. 1884 § 32; Württemb. Ges. v. 1876
Art. 43. Bayr. Ges. v. 8. Aug. 1878 gebraucht für das Rechtsmittel, wenn es
gegen eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung geht, mehrfach den Ausdruck Be-
rufung (Art. 9 und 11), sonst durchgehends den Ausdruck Beschwerde ohne Unter-
schied, ob die erste Instanz als Verwaltungsgericht oder einfache Verwaltungs-
behörde gehandelt hatte. Jedenfalls ist das Rechtsmittel selbst immer das gleiche

§ 14. Arten der Verwaltungsstreitsachen.
überweisen, daneben aber den allgemeinen Grundsatz aufstellen,
daſs das immer nur für eine gewisse Seite gelten soll, die das
Verhältnis bieten mag, oder für eine gewisse Seite nicht, z. B.
nicht für Fragen des freien Ermessens21. Dann wird eine Sache, die
ganz nach freiem Ermessen zu erledigen ist, dem Verwaltungsrichter
überhaupt nicht zugewiesen sein; bei Sachen, die gemischt sind aus
freiem Ermessen und Rechtsprechung, tritt auch eine gemischte Be-
handlung ein, die Rechtspflege beschränkt sich auf die letztere Seite22;
bei Sachen, die ganz Rechtsprechung sind, wird dagegen die Be-
schränkung wieder nicht fühlbar.

Ihren Hauptsitz hat die beschränkte Rechtspflege bei den ober-
sten Landesverwaltungsgerichten.
Oberverwaltungsgerichten,
Verwaltungsgerichtshöfen. Hier wird in dieser Form eine einheitliche
Überwachung geübt über die unteren Verwaltungsgerichte und
über die einfachen Verwaltungsbehörden.

Dieser Gerichtshof kann für gewisse Sachen zuständig sein zu
einer Rechtspflege erster Instanz unmittelbar statt eines
unteren Verwaltungsgerichts. Er kann als Berufungsgericht
thätig werden gegenüber unteren Verwaltungsgerichten, wie auch
gegenüber einfachen Verwaltungsbehörden, also hier in nachträglicher
Verwaltungsrechtspflege (oben n. 1)23. In all diesen Fällen bietet
seine Rechtspflege keine weiteren Besonderheiten. Eine beschränkte

21 Die wichtigste Erscheinung dieser Art bietet das Bayr. Ges. v. 8. Aug.
1878 mit seiner Einzelaufzählung der Verwaltungsstreitsachen und dem allgemeinen
Vorbehalte des Art. 13, wonach diese Zuweisung für Ermessensfragen nicht wirkt.
Der Satz des französischen Rechts, daſs nur actes du contentieux vor die Verwaltungs-
gerichte gehören, bedeutet dagegen eine Beschränkung der Verwaltungsrechtspflege,
aber keine beschränkte Verwaltungsrechtspflege: sobald an dem zu erlassenden
Akte etwas von freiem Ermessen sich findet, ist er kein acte du contentieux mehr;
geteilt wird er nicht.
22 Zweckmäſsig kann es sein, daſs trotzdem dieselbe Behörde die ganze
Sache erledigt; dann thut sie es in verschiedener Eigenschaft, teils als einfache
Verwaltungsbehörde, teils als Verwaltungsgericht. So nach Bayr. V.Gerichtshof-
Ges. Art. 31 Abs. 3; Kahr, Komment. I S. 182, Seydel, Bayr. St.R. II S. 444.
Mit Unrecht giebt das v. Stengel in Wörterbuch II S. 717 als einen Fall, da
die Verwaltungsgerichte in Ermessensfragen entscheiden, gleich der Zuständigkeit
der preuſsischen Verwaltungsgerichte in Schulbausachen.
23 Preuſs. L.V.G. § 42, 83; Bad. Ges. v. 1884 § 32; Württemb. Ges. v. 1876
Art. 43. Bayr. Ges. v. 8. Aug. 1878 gebraucht für das Rechtsmittel, wenn es
gegen eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung geht, mehrfach den Ausdruck Be-
rufung (Art. 9 und 11), sonst durchgehends den Ausdruck Beschwerde ohne Unter-
schied, ob die erste Instanz als Verwaltungsgericht oder einfache Verwaltungs-
behörde gehandelt hatte. Jedenfalls ist das Rechtsmittel selbst immer das gleiche
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[189/0209] § 14. Arten der Verwaltungsstreitsachen. überweisen, daneben aber den allgemeinen Grundsatz aufstellen, daſs das immer nur für eine gewisse Seite gelten soll, die das Verhältnis bieten mag, oder für eine gewisse Seite nicht, z. B. nicht für Fragen des freien Ermessens 21. Dann wird eine Sache, die ganz nach freiem Ermessen zu erledigen ist, dem Verwaltungsrichter überhaupt nicht zugewiesen sein; bei Sachen, die gemischt sind aus freiem Ermessen und Rechtsprechung, tritt auch eine gemischte Be- handlung ein, die Rechtspflege beschränkt sich auf die letztere Seite 22; bei Sachen, die ganz Rechtsprechung sind, wird dagegen die Be- schränkung wieder nicht fühlbar. Ihren Hauptsitz hat die beschränkte Rechtspflege bei den ober- sten Landesverwaltungsgerichten. Oberverwaltungsgerichten, Verwaltungsgerichtshöfen. Hier wird in dieser Form eine einheitliche Überwachung geübt über die unteren Verwaltungsgerichte und über die einfachen Verwaltungsbehörden. Dieser Gerichtshof kann für gewisse Sachen zuständig sein zu einer Rechtspflege erster Instanz unmittelbar statt eines unteren Verwaltungsgerichts. Er kann als Berufungsgericht thätig werden gegenüber unteren Verwaltungsgerichten, wie auch gegenüber einfachen Verwaltungsbehörden, also hier in nachträglicher Verwaltungsrechtspflege (oben n. 1) 23. In all diesen Fällen bietet seine Rechtspflege keine weiteren Besonderheiten. Eine beschränkte 21 Die wichtigste Erscheinung dieser Art bietet das Bayr. Ges. v. 8. Aug. 1878 mit seiner Einzelaufzählung der Verwaltungsstreitsachen und dem allgemeinen Vorbehalte des Art. 13, wonach diese Zuweisung für Ermessensfragen nicht wirkt. Der Satz des französischen Rechts, daſs nur actes du contentieux vor die Verwaltungs- gerichte gehören, bedeutet dagegen eine Beschränkung der Verwaltungsrechtspflege, aber keine beschränkte Verwaltungsrechtspflege: sobald an dem zu erlassenden Akte etwas von freiem Ermessen sich findet, ist er kein acte du contentieux mehr; geteilt wird er nicht. 22 Zweckmäſsig kann es sein, daſs trotzdem dieselbe Behörde die ganze Sache erledigt; dann thut sie es in verschiedener Eigenschaft, teils als einfache Verwaltungsbehörde, teils als Verwaltungsgericht. So nach Bayr. V.Gerichtshof- Ges. Art. 31 Abs. 3; Kahr, Komment. I S. 182, Seydel, Bayr. St.R. II S. 444. Mit Unrecht giebt das v. Stengel in Wörterbuch II S. 717 als einen Fall, da die Verwaltungsgerichte in Ermessensfragen entscheiden, gleich der Zuständigkeit der preuſsischen Verwaltungsgerichte in Schulbausachen. 23 Preuſs. L.V.G. § 42, 83; Bad. Ges. v. 1884 § 32; Württemb. Ges. v. 1876 Art. 43. Bayr. Ges. v. 8. Aug. 1878 gebraucht für das Rechtsmittel, wenn es gegen eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung geht, mehrfach den Ausdruck Be- rufung (Art. 9 und 11), sonst durchgehends den Ausdruck Beschwerde ohne Unter- schied, ob die erste Instanz als Verwaltungsgericht oder einfache Verwaltungs- behörde gehandelt hatte. Jedenfalls ist das Rechtsmittel selbst immer das gleiche

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/209>, abgerufen am 02.05.2024.