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Mayer, Adolf: Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. In: Sammlung von Vorträgen für das deutsche Volk, VI, 7. Heidelberg, 1881.

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Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt.
Gleichgewicht erhalten und die längst andauernde Fähigkeit
verbürgen.

Nun wird Niemand leugnen wollen, daß derartige Un-
gleichheiten im höchsten Maße existiren. Das Einkommen selbst
von ordentlichen Universitätslehrern variirt an einem und dem-
selben Orte um das Zehnfache und mehr, und es ist kein ver-
einzelter Fall, daß nicht unverdiente Extraordinarien bis an
ihr Lebensende keines Gehaltes und so gut wie keines Ein-
kommens aus ihrer Berufsthätigkeit sich rühmen können. Die
pekuniäre Frage ist nun nicht einmal die Hauptsache. Das
Commando über fremde Arbeit muß in den naturwissenschaft-
lichen Fächern bei ausgebildetem Assistentenwesen in erster
Linie in Betracht gezogen werden. Darin liegt ja auch das
Wesen des ökonomischen Kapitalismus. Wie sich dieser auf
seinem Gebiete in der Bereicherung durch fremde Arbeit --
wir wollen hier nicht untersuchen mit welchem Rechte -- äußert,
so usurpirt der einmal gemachte Name in ganz ähnlicher Weise
fremde Leistungen, um noch mit größerem Glanze zu leuchten.
Wer hat, dem wird gegeben, und wer wenig hat, dem wird auch
das Wenige, was er hat, genommen, heißt es auch hier. Welcher
Unterschied besteht noch zwischen dem berühmten französischen
Astronomen Leverrier, der die von seinen Assistenten gemachten
Entdeckungen von Planetoiden regelmäßig für sich in Anspruch
nahm und auf eine öffentliche Jnterpellation hin mit beneidens-
werther Gemüthsruhe erklärte, die Entdeckungen seien sein
contraktlich erworbenes Eigenthum, er bezahle dieselben im
Accord, für jeden Planetoiden Stück für Stück vollwichtige
tausend Frank, und einem Fabrikunternehmer, der seine Ar-
beiter mit dem Minimum ihres Bedarfs ablöhnt und den Ueber-
schuß als Verdienst in die Tasche steckt? Ja wohl besteht ein

Sammlg. v. Vorträgen. VI. 15


Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt.
Gleichgewicht erhalten und die längſt andauernde Fähigkeit
verbürgen.

Nun wird Niemand leugnen wollen, daß derartige Un-
gleichheiten im höchſten Maße exiſtiren. Das Einkommen ſelbſt
von ordentlichen Univerſitätslehrern variirt an einem und dem-
ſelben Orte um das Zehnfache und mehr, und es iſt kein ver-
einzelter Fall, daß nicht unverdiente Extraordinarien bis an
ihr Lebensende keines Gehaltes und ſo gut wie keines Ein-
kommens aus ihrer Berufsthätigkeit ſich rühmen können. Die
pekuniäre Frage iſt nun nicht einmal die Hauptſache. Das
Commando über fremde Arbeit muß in den naturwiſſenſchaft-
lichen Fächern bei ausgebildetem Aſſiſtentenweſen in erſter
Linie in Betracht gezogen werden. Darin liegt ja auch das
Weſen des ökonomiſchen Kapitalismus. Wie ſich dieſer auf
ſeinem Gebiete in der Bereicherung durch fremde Arbeit —
wir wollen hier nicht unterſuchen mit welchem Rechte — äußert,
ſo uſurpirt der einmal gemachte Name in ganz ähnlicher Weiſe
fremde Leiſtungen, um noch mit größerem Glanze zu leuchten.
Wer hat, dem wird gegeben, und wer wenig hat, dem wird auch
das Wenige, was er hat, genommen, heißt es auch hier. Welcher
Unterſchied beſteht noch zwiſchen dem berühmten franzöſiſchen
Aſtronomen Leverrier, der die von ſeinen Aſſiſtenten gemachten
Entdeckungen von Planetoïden regelmäßig für ſich in Anſpruch
nahm und auf eine öffentliche Jnterpellation hin mit beneidens-
werther Gemüthsruhe erklärte, die Entdeckungen ſeien ſein
contraktlich erworbenes Eigenthum, er bezahle dieſelben im
Accord, für jeden Planetoïden Stück für Stück vollwichtige
tauſend Frank, und einem Fabrikunternehmer, der ſeine Ar-
beiter mit dem Minimum ihres Bedarfs ablöhnt und den Ueber-
ſchuß als Verdienſt in die Taſche ſteckt? Ja wohl beſteht ein

Sammlg. v. Vorträgen. VI. 15
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[177 [17]/0019] Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. Gleichgewicht erhalten und die längſt andauernde Fähigkeit verbürgen. Nun wird Niemand leugnen wollen, daß derartige Un- gleichheiten im höchſten Maße exiſtiren. Das Einkommen ſelbſt von ordentlichen Univerſitätslehrern variirt an einem und dem- ſelben Orte um das Zehnfache und mehr, und es iſt kein ver- einzelter Fall, daß nicht unverdiente Extraordinarien bis an ihr Lebensende keines Gehaltes und ſo gut wie keines Ein- kommens aus ihrer Berufsthätigkeit ſich rühmen können. Die pekuniäre Frage iſt nun nicht einmal die Hauptſache. Das Commando über fremde Arbeit muß in den naturwiſſenſchaft- lichen Fächern bei ausgebildetem Aſſiſtentenweſen in erſter Linie in Betracht gezogen werden. Darin liegt ja auch das Weſen des ökonomiſchen Kapitalismus. Wie ſich dieſer auf ſeinem Gebiete in der Bereicherung durch fremde Arbeit — wir wollen hier nicht unterſuchen mit welchem Rechte — äußert, ſo uſurpirt der einmal gemachte Name in ganz ähnlicher Weiſe fremde Leiſtungen, um noch mit größerem Glanze zu leuchten. Wer hat, dem wird gegeben, und wer wenig hat, dem wird auch das Wenige, was er hat, genommen, heißt es auch hier. Welcher Unterſchied beſteht noch zwiſchen dem berühmten franzöſiſchen Aſtronomen Leverrier, der die von ſeinen Aſſiſtenten gemachten Entdeckungen von Planetoïden regelmäßig für ſich in Anſpruch nahm und auf eine öffentliche Jnterpellation hin mit beneidens- werther Gemüthsruhe erklärte, die Entdeckungen ſeien ſein contraktlich erworbenes Eigenthum, er bezahle dieſelben im Accord, für jeden Planetoïden Stück für Stück vollwichtige tauſend Frank, und einem Fabrikunternehmer, der ſeine Ar- beiter mit dem Minimum ihres Bedarfs ablöhnt und den Ueber- ſchuß als Verdienſt in die Taſche ſteckt? Ja wohl beſteht ein Sammlg. v. Vorträgen. VI. 15

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Zitationshilfe: Mayer, Adolf: Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. In: Sammlung von Vorträgen für das deutsche Volk, VI, 7. Heidelberg, 1881, S. 177 [17]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_kapitalismus_1881/19>, abgerufen am 29.03.2024.