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Mayer, Adolf: Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. In: Sammlung von Vorträgen für das deutsche Volk, VI, 7. Heidelberg, 1881.

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Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt.

Ebenso ist die freie Concurrenz der Lehrthätigkeit speziell
zwischen Privatdocenten und Ordinarius desselben Fachs viel-
mehr als fruchtbar denn als schadenbringend aufzufassen. Jn
Folge dieser liberalen Einrichtung kann sich nicht blos der
Studirende den nach seinem -- in den meisten Fällen gar
nicht übel bestellten -- Ermessen tüchtigsten Lehrer auswählen,
sondern Jeder der Lehrenden sieht sich auch in die Nothwendig-
keit versetzt, stets wissenschaftlich fortzuarbeiten und auf die
Bedürfnisse der Studirenden Rücksicht zu nehmen. Nicht blos
das Honorar, welches als Arbeitsäquivalent meistens unzu-
reichend, doch einen nicht unwesentlichen Zuschuß zum Gehalte
eines angestellten Lehrers bildet, kommt hierbei in Betracht,
sondern es ist begreiflicher Weise Ehrensache für einen älteren
Lehrer, die Hörer zu seinen Füßen dauernd zu fesseln. Wie
wirksam diese Momente wirken, sehen wir am Besten an den
höheren wissenschaftlichen Anstalten, deren Jnstitute eine der-
artige Concurrenz nicht zulassen, an den polytechnischen Schulen
und Fachakademien. Daselbst sind bekanntlich ordentliche Lehrer
mit antiquirten Anschauungen trotz guter Gesammtleitung der
Anstalten an der Tagesordnung. Aehnliche Erscheinungen
freilich auch an den Universitäten, wo der Ordinarius häufig
dadurch ein schwer wiegendes Privilegium vor dem Privat-
docenten erhält, daß er zugleich designirter Examinator,
sei es für die Staatsprüfungen, sei es für die Doctorpro-
motion, ist, wo also wiederum das liberale Princip durch-
löchert ist.

Nachtheile dieser Concurrenz oder vielmehr der sie ermög-
lichenden Bezahlung durch Einzelhonorarien ist nur, daß häufig
von Seiten der Concurrirenden eine Jagd nach Zuhörern mit
unedeln Mitteln und oft auch zum Schaden der Studirenden
unternommen wird, insofern man dem sich Anmeldenden nicht


Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt.

Ebenſo iſt die freie Concurrenz der Lehrthätigkeit ſpeziell
zwiſchen Privatdocenten und Ordinarius deſſelben Fachs viel-
mehr als fruchtbar denn als ſchadenbringend aufzufaſſen. Jn
Folge dieſer liberalen Einrichtung kann ſich nicht blos der
Studirende den nach ſeinem — in den meiſten Fällen gar
nicht übel beſtellten — Ermeſſen tüchtigſten Lehrer auswählen,
ſondern Jeder der Lehrenden ſieht ſich auch in die Nothwendig-
keit verſetzt, ſtets wiſſenſchaftlich fortzuarbeiten und auf die
Bedürfniſſe der Studirenden Rückſicht zu nehmen. Nicht blos
das Honorar, welches als Arbeitsäquivalent meiſtens unzu-
reichend, doch einen nicht unweſentlichen Zuſchuß zum Gehalte
eines angeſtellten Lehrers bildet, kommt hierbei in Betracht,
ſondern es iſt begreiflicher Weiſe Ehrenſache für einen älteren
Lehrer, die Hörer zu ſeinen Füßen dauernd zu feſſeln. Wie
wirkſam dieſe Momente wirken, ſehen wir am Beſten an den
höheren wiſſenſchaftlichen Anſtalten, deren Jnſtitute eine der-
artige Concurrenz nicht zulaſſen, an den polytechniſchen Schulen
und Fachakademien. Daſelbſt ſind bekanntlich ordentliche Lehrer
mit antiquirten Anſchauungen trotz guter Geſammtleitung der
Anſtalten an der Tagesordnung. Aehnliche Erſcheinungen
freilich auch an den Univerſitäten, wo der Ordinarius häufig
dadurch ein ſchwer wiegendes Privilegium vor dem Privat-
docenten erhält, daß er zugleich deſignirter Examinator,
ſei es für die Staatsprüfungen, ſei es für die Doctorpro-
motion, iſt, wo alſo wiederum das liberale Princip durch-
löchert iſt.

Nachtheile dieſer Concurrenz oder vielmehr der ſie ermög-
lichenden Bezahlung durch Einzelhonorarien iſt nur, daß häufig
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[171 [11]/0013] Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. Ebenſo iſt die freie Concurrenz der Lehrthätigkeit ſpeziell zwiſchen Privatdocenten und Ordinarius deſſelben Fachs viel- mehr als fruchtbar denn als ſchadenbringend aufzufaſſen. Jn Folge dieſer liberalen Einrichtung kann ſich nicht blos der Studirende den nach ſeinem — in den meiſten Fällen gar nicht übel beſtellten — Ermeſſen tüchtigſten Lehrer auswählen, ſondern Jeder der Lehrenden ſieht ſich auch in die Nothwendig- keit verſetzt, ſtets wiſſenſchaftlich fortzuarbeiten und auf die Bedürfniſſe der Studirenden Rückſicht zu nehmen. Nicht blos das Honorar, welches als Arbeitsäquivalent meiſtens unzu- reichend, doch einen nicht unweſentlichen Zuſchuß zum Gehalte eines angeſtellten Lehrers bildet, kommt hierbei in Betracht, ſondern es iſt begreiflicher Weiſe Ehrenſache für einen älteren Lehrer, die Hörer zu ſeinen Füßen dauernd zu feſſeln. Wie wirkſam dieſe Momente wirken, ſehen wir am Beſten an den höheren wiſſenſchaftlichen Anſtalten, deren Jnſtitute eine der- artige Concurrenz nicht zulaſſen, an den polytechniſchen Schulen und Fachakademien. Daſelbſt ſind bekanntlich ordentliche Lehrer mit antiquirten Anſchauungen trotz guter Geſammtleitung der Anſtalten an der Tagesordnung. Aehnliche Erſcheinungen freilich auch an den Univerſitäten, wo der Ordinarius häufig dadurch ein ſchwer wiegendes Privilegium vor dem Privat- docenten erhält, daß er zugleich deſignirter Examinator, ſei es für die Staatsprüfungen, ſei es für die Doctorpro- motion, iſt, wo alſo wiederum das liberale Princip durch- löchert iſt. Nachtheile dieſer Concurrenz oder vielmehr der ſie ermög- lichenden Bezahlung durch Einzelhonorarien iſt nur, daß häufig von Seiten der Concurrirenden eine Jagd nach Zuhörern mit unedeln Mitteln und oft auch zum Schaden der Studirenden unternommen wird, inſofern man dem ſich Anmeldenden nicht

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Zitationshilfe: Mayer, Adolf: Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. In: Sammlung von Vorträgen für das deutsche Volk, VI, 7. Heidelberg, 1881, S. 171 [11]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_kapitalismus_1881/13>, abgerufen am 28.03.2024.