"Hund, wagst du es, in meinem Zelte die Waffe gegen mich zu ziehen! Fort, hinaus mit ihm!"
"Halt!" gebot der Kaimakam. "Wir sind gekommen, zu unterhandeln; es darf uns nichts geschehen!"
"Auch mein Bote kam zu euch, um zu unterhandeln, und dennoch habt ihr ihn ermordet, habt ihn als einen Verräter hingerichtet. Hinaus mit diesem Menschen!"
Der anwesende Dschesidi faßte den Makredsch und schaffte ihn fort.
"So werde auch ich gehen!" drohte der Kaimakam.
"So gehe. Du wirst die Deinen unverletzt erreichen; aber ehe du zu ihnen kommst, werden ihrer viele getötet sein. Emir Kara Ben Nemsi, tritt hinaus auf den Felsen und erhebe die Rechte. Es ist das Zeichen, daß die Kanonade beginnen soll!"
"Bleibe!" wandte sich der Kaimakam schnell zu mir.
"Ihr dürft nicht schießen."
"Warum nicht?" fragte Ali Bey.
"Das wäre Mord, denn wir können uns nicht wehren."
"Das wäre kein Mord, sondern Strafe und Ver- geltung. Ihr wolltet uns überfallen, ohne daß wir eine Ahnung davon hatten; ihr kamt mit Säbeln, Flinten und Kanonen, um uns niederzuhauen, niederzukartätschen. Nun aber eure Kanonen sich in unseren Händen befinden, nun ihr von uns gebührenderweise empfangen worden seid, sagt ihr, derjenige, welcher schießt, sei ein Mörder! Kai- makam, lasse dir zürnen, aber lasse dich nicht verlachen!"
"Du wirst den Makredsch freigeben!"
"Er ist Repressalie für den gemordeten Parlamentär!"
"Du wirst ihn töten?"
"Vielleicht. Es kommt ganz darauf an, ob wir beide uns verständigen."
"Was verlangst du von mir?"
„Hund, wagſt du es, in meinem Zelte die Waffe gegen mich zu ziehen! Fort, hinaus mit ihm!“
„Halt!“ gebot der Kaimakam. „Wir ſind gekommen, zu unterhandeln; es darf uns nichts geſchehen!“
„Auch mein Bote kam zu euch, um zu unterhandeln, und dennoch habt ihr ihn ermordet, habt ihn als einen Verräter hingerichtet. Hinaus mit dieſem Menſchen!“
Der anweſende Dſcheſidi faßte den Makredſch und ſchaffte ihn fort.
„So werde auch ich gehen!“ drohte der Kaimakam.
„So gehe. Du wirſt die Deinen unverletzt erreichen; aber ehe du zu ihnen kommſt, werden ihrer viele getötet ſein. Emir Kara Ben Nemſi, tritt hinaus auf den Felſen und erhebe die Rechte. Es iſt das Zeichen, daß die Kanonade beginnen ſoll!“
„Bleibe!“ wandte ſich der Kaimakam ſchnell zu mir.
„Ihr dürft nicht ſchießen.“
„Warum nicht?“ fragte Ali Bey.
„Das wäre Mord, denn wir können uns nicht wehren.“
„Das wäre kein Mord, ſondern Strafe und Ver- geltung. Ihr wolltet uns überfallen, ohne daß wir eine Ahnung davon hatten; ihr kamt mit Säbeln, Flinten und Kanonen, um uns niederzuhauen, niederzukartätſchen. Nun aber eure Kanonen ſich in unſeren Händen befinden, nun ihr von uns gebührenderweiſe empfangen worden ſeid, ſagt ihr, derjenige, welcher ſchießt, ſei ein Mörder! Kai- makam, laſſe dir zürnen, aber laſſe dich nicht verlachen!“
„Du wirſt den Makredſch freigeben!“
„Er iſt Repreſſalie für den gemordeten Parlamentär!“
„Du wirſt ihn töten?“
„Vielleicht. Es kommt ganz darauf an, ob wir beide uns verſtändigen.“
„Was verlangſt du von mir?“
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„Hund, wagſt du es, in meinem Zelte die Waffe
gegen mich zu ziehen! Fort, hinaus mit ihm!“
„Halt!“ gebot der Kaimakam. „Wir ſind gekommen,
zu unterhandeln; es darf uns nichts geſchehen!“
„Auch mein Bote kam zu euch, um zu unterhandeln,
und dennoch habt ihr ihn ermordet, habt ihn als einen
Verräter hingerichtet. Hinaus mit dieſem Menſchen!“
Der anweſende Dſcheſidi faßte den Makredſch und
ſchaffte ihn fort.
„So werde auch ich gehen!“ drohte der Kaimakam.
„So gehe. Du wirſt die Deinen unverletzt erreichen;
aber ehe du zu ihnen kommſt, werden ihrer viele getötet
ſein. Emir Kara Ben Nemſi, tritt hinaus auf den Felſen
und erhebe die Rechte. Es iſt das Zeichen, daß die
Kanonade beginnen ſoll!“
„Bleibe!“ wandte ſich der Kaimakam ſchnell zu mir.
„Ihr dürft nicht ſchießen.“
„Warum nicht?“ fragte Ali Bey.
„Das wäre Mord, denn wir können uns nicht wehren.“
„Das wäre kein Mord, ſondern Strafe und Ver-
geltung. Ihr wolltet uns überfallen, ohne daß wir eine
Ahnung davon hatten; ihr kamt mit Säbeln, Flinten und
Kanonen, um uns niederzuhauen, niederzukartätſchen. Nun
aber eure Kanonen ſich in unſeren Händen befinden, nun
ihr von uns gebührenderweiſe empfangen worden ſeid,
ſagt ihr, derjenige, welcher ſchießt, ſei ein Mörder! Kai-
makam, laſſe dir zürnen, aber laſſe dich nicht verlachen!“
„Du wirſt den Makredſch freigeben!“
„Er iſt Repreſſalie für den gemordeten Parlamentär!“
„Du wirſt ihn töten?“
„Vielleicht. Es kommt ganz darauf an, ob wir beide
uns verſtändigen.“
„Was verlangſt du von mir?“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/86>, abgerufen am 26.11.2024.
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