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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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Es fehlte nur noch eins: wenn die Geschütze nur eine
kurze Strecke noch herauf avancieren, so konnten mit
einigen Salven sämtliche Türken vernichtet werden.

Vor dem Hause stand Nasir Agassi.

"Herr, wirst du noch einmal mit uns sprechen?"
fragte er.

"Was habt ihr mir zu sagen?"

"Wir wollen einen Boten zu Ali Bey senden, und
weil der Miralai, dem Allah das Paradies schenken möge"
-- er deutete dabei nach dem noch immer qualmenden
Scheiterhaufen -- "den Boten der Dschesidi getötet hat,
so kann keiner von uns gehen. Willst du es thun?"

"Ich will. Was soll ich sagen?"

"Der Kaimakam wird es dir befehlen. Er führt
jetzt das Kommando und ist in jenem Hause. Komm
herüber!"

"Befehlen? Euer Kaimakam hat mir nicht das min-
deste zu befehlen. Was ich thue, das thue ich freiwillig.
Der Kaimakam mag kommen und mir sagen, was er mir
zu sagen hat. Dieses Haus steht ihm offen, aber nur ihm
und höchstens noch einer zweiten Person. Wer sich sonst
naht, den lasse ich niederschießen."

"Wer ist außer dir im Hause?"

"Mein Diener und ein Kawaß des Mutessarif, ein
Baschi-Bozuk."

"Wie heißt er?"

"Er ist der Buluk Emini Ifra."

"Ifra? Mit seinem Esel?"

"Ja," lachte ich.

"So bist du der Fremdling, welcher den arnautischen
Offizieren die Bastonnade erlassen hat und die Freund-
schaft des Mutessarif erlangte?"

"Ich bin es."

Es fehlte nur noch eins: wenn die Geſchütze nur eine
kurze Strecke noch herauf avancieren, ſo konnten mit
einigen Salven ſämtliche Türken vernichtet werden.

Vor dem Hauſe ſtand Naſir Agaſſi.

„Herr, wirſt du noch einmal mit uns ſprechen?“
fragte er.

„Was habt ihr mir zu ſagen?“

„Wir wollen einen Boten zu Ali Bey ſenden, und
weil der Miralai, dem Allah das Paradies ſchenken möge“
— er deutete dabei nach dem noch immer qualmenden
Scheiterhaufen — „den Boten der Dſcheſidi getötet hat,
ſo kann keiner von uns gehen. Willſt du es thun?“

„Ich will. Was ſoll ich ſagen?“

„Der Kaimakam wird es dir befehlen. Er führt
jetzt das Kommando und iſt in jenem Hauſe. Komm
herüber!“

„Befehlen? Euer Kaimakam hat mir nicht das min-
deſte zu befehlen. Was ich thue, das thue ich freiwillig.
Der Kaimakam mag kommen und mir ſagen, was er mir
zu ſagen hat. Dieſes Haus ſteht ihm offen, aber nur ihm
und höchſtens noch einer zweiten Perſon. Wer ſich ſonſt
naht, den laſſe ich niederſchießen.“

„Wer iſt außer dir im Hauſe?“

„Mein Diener und ein Kawaß des Muteſſarif, ein
Baſchi-Bozuk.“

„Wie heißt er?“

„Er iſt der Buluk Emini Ifra.“

„Ifra? Mit ſeinem Eſel?“

„Ja,“ lachte ich.

„So biſt du der Fremdling, welcher den arnautiſchen
Offizieren die Baſtonnade erlaſſen hat und die Freund-
ſchaft des Muteſſarif erlangte?“

„Ich bin es.“

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[58/0072] Es fehlte nur noch eins: wenn die Geſchütze nur eine kurze Strecke noch herauf avancieren, ſo konnten mit einigen Salven ſämtliche Türken vernichtet werden. Vor dem Hauſe ſtand Naſir Agaſſi. „Herr, wirſt du noch einmal mit uns ſprechen?“ fragte er. „Was habt ihr mir zu ſagen?“ „Wir wollen einen Boten zu Ali Bey ſenden, und weil der Miralai, dem Allah das Paradies ſchenken möge“ — er deutete dabei nach dem noch immer qualmenden Scheiterhaufen — „den Boten der Dſcheſidi getötet hat, ſo kann keiner von uns gehen. Willſt du es thun?“ „Ich will. Was ſoll ich ſagen?“ „Der Kaimakam wird es dir befehlen. Er führt jetzt das Kommando und iſt in jenem Hauſe. Komm herüber!“ „Befehlen? Euer Kaimakam hat mir nicht das min- deſte zu befehlen. Was ich thue, das thue ich freiwillig. Der Kaimakam mag kommen und mir ſagen, was er mir zu ſagen hat. Dieſes Haus ſteht ihm offen, aber nur ihm und höchſtens noch einer zweiten Perſon. Wer ſich ſonſt naht, den laſſe ich niederſchießen.“ „Wer iſt außer dir im Hauſe?“ „Mein Diener und ein Kawaß des Muteſſarif, ein Baſchi-Bozuk.“ „Wie heißt er?“ „Er iſt der Buluk Emini Ifra.“ „Ifra? Mit ſeinem Eſel?“ „Ja,“ lachte ich. „So biſt du der Fremdling, welcher den arnautiſchen Offizieren die Baſtonnade erlaſſen hat und die Freund- ſchaft des Muteſſarif erlangte?“ „Ich bin es.“

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/72>, abgerufen am 06.05.2024.